Münsingen - Auf dem Absprung nach Tansania
Die Physiotherapeutin Evelyne Thuner zieht nach Tansania. Sie wird drei Jahre lang in einem Zentrum der Anglican Church arbeiten.
Evelyne Thuner entschuldigt sich für das Durcheinander in ihrer Wohnung am Sonnhaldeweg in Münsingen. Kartonschachteln stehen herum, hier liegen Wäschestapel, dort Papiere. In ein paar Wochen fliegt die 37-jährige Physiotherapeutin nach Tansania. Mit nimmt sie nur 30 Kilo Gepäck. Den Rest ihres Hausrats kann sie in einem leer stehenden Raum einlagern. Was sie auf dem schwarzen Kontinent erwartet, weiss sie nicht. «Ich weiss noch nicht einmal, wo ich dort wohnen werde», sagt Evelyne Thuner mit einem strahlenden Lächeln.
Ganz ins Unbekannte reist die junge Frau aber nicht: Sie hat vor zwei Jahren drei Monate in Sansibar verbracht, einer Insel im Indischen Ozean, die zu Tansania gehört. Von Afrika habe sie schon als kleines Mädchen geträumt. «Aber in Sansibar wurde mir vollends klar, dass ich eine Zeitlang dort leben und arbeiten will.» Zurück in der Schweiz stiess sie auf ein Stelleninserat von Interteam. Gesucht wurde eine Physiotherapeutin für ein medizinisches Zentrum für behinderte Kinder und Erwachsene der Anglican Church in Musoma/Tansania. «Es geht nicht nur um medizinische Hilfe, sondern um Beschäftigung und langfristig um den Aufbau einer Zukunft dieser Menschen», erklärt die Auswanderin. Der Einsatz von Schweizer Fachleuten bezweckt nicht nur Hilfe an Behinderte. Schwerpunkt ist auch die Schulung des lokalen Spitalpersonals.
Chef ist der Bischof
Evelyne Thuner ist in Rubigen aufgewachsen. Zuletzt arbeitete sie im Spital Münsingen. Sie heiratete, setzte damit andere Prioritäten, und ihr Traum von Afrika trat in den Hintergrund. Nach der Scheidung tauchte der Traum nach Afrika auszuwandern, wieder auf. Obschon Thuner weiss, dass Leben und Arbeiten in Tansania um einiges beschwerlicher sind als im Aaretal, ist sie bereit für den Absprung ins Unbekannte. Sie legt eine Landkarte auf den Tisch und zeigt, wo sie hinfliegt: In die grösste Stadt des Landes Dar es Salaam und weiter nach Mwanza. Von dort reist sie per Bus mehrere Hundert Kilometer nach Musoma unweit des Viktoriasees und der Serengeti. Klar ist: «Der Bischof der Anglican Church wird mein Chef sein. Und wie ich in Sansibar merkte, ist man in Afrika nie allein.» Menschen, die nebst Kiswahili auch Englisch sprechen gibt es überall. Thuner hat sich bereits mit Kiswahili befasst und wird in den ersten zwei Monaten einen Sprachkurs absolvieren. «Das muss genügen.»
Weder Wasser noch Strom
Die Anglican Church hat in Tansania mehrere Projekte. Zuletzt wurde ein Zentrum für Kinder gebaut, die mit einem Klumpfuss geboren wurden. Die Behinderten sollen mechanische Hilfsmittel wie Schienen und Gips erhalten. Bei Bedarf werden sie auch operiert und physiotherapeutisch behandelt. Dass es im neuen Zentrum weder Wasser noch Strom gibt, ist ein Detail. Auch dass sie immer noch auf ihr Einreisevisum wartet. Der Flug ist gebucht. Ein Rucksack mit 30 Kilo ist rasch gepackt. Was muss unbedingt mit? «Bücher, mein Laptop und die Querflöte», sagt sie. Und was bleibt daheim? «Luxusgüter, das heisst, fast alles.»