Münsingen - Altweiberfrühling im Schlossgut
Sie haben es gewagt – und das Publikum war begeistert: Die Theatergruppe Aaretaler Volksbühne verwandelte den Kultfilm «Die Herbstzeitlosen» in den «Altweiberfrühling». Das Stück wird regelmässig auch auf grossen Bühnen gespielt.
Ist eine Laienschauspieltruppe mit einem Stück, das sich am Kultfilm «Die Herbstzeitlosen» orientiert, nicht zum Scheitern verurteilt? An der Premiere der neusten Inszenierung der Aaretaler Volksbühne Münsingen beantwortete das Publikum die Frage auf eindrückliche Art: mit Zwischenrufen und einem frenetischem Applaus. Das Stück «Der Altweiberfrühling» von Stefan Vögel wurde begeistert aufgenommen.
Gegen Grenzen in Köpfen
«S isch ja nur es chlises Träumli gsi» spielte der Profimusiker Armin Waschke am Flügel. Und um einen kleinen Traum in Rosa und Lachs drehten sich auch die Gedanken von Martha (Beatrice Stahlberger). Doch ihre Gedanken blieben nicht an Spitzenhöschen, Büstenhalter und Corsagen hängen. Es ging vielmehr um gesellschaftliche Fragen. Ist das Älterwerden ein Gang auf das Abstellgleis, oder ist es eine zweite Chance, seine verbliebenen Träume zu verwirklichen? Wie im Film geht es auch auf dem Bühnenstück um die Auflehnung gegen Grenzen in den Köpfen und um die Verlogenheit der Männer im Dorf. Wie die Hüllen einer Zwiebel streifen Martha und ihre drei Freundinnen einengende Gepflogenheiten ab. Martha gewinnt an Schwung, bewegt sich mehr und mehr, lacht, tanzt, singt.
Es ist das neunköpfige Schauspielensemble als Ganzes, das der Aaretaler Volksbühne wohl einen weiteren Erfolg bescheren wird. Die Natürlichkeit, wie die Laienschauspieler ihre Rolle leben, überzeugt. Gekonnt wird überspitzt, ohne dass es dabei lächerlich wirkt. Da ist Käthi Pfister als Hanni Bieri. Ihre Rolle als nicht gerade topintelligente, aber geradlinige Bäuerin nimmt man ihr sofort ab. Und da ist neben dem Vereinspräsidenten Samuel Kobel als Pfarrer auch Marlise Heng, die erstmals mitspielt und gleich voll loslegt. Und da ist nicht zuletzt der Laferi ohne Herz, Gemeindepräsident Fritz Bieri. Gespielt wird er von Remo La Marra, einem langjährigen Mitglied des Vereins.
An der Premiere hasste ihn das Publikum aus ganzem Herzen. Immer wieder ging über sein Vorgehen ein Raunen der Entrüstung durch die Reihen. Die LLP, eine rückständige Partei mit einem Egoisten an der Spitze, hätte in Münsingen keine Chance, das war sofort klar.
Regie und Hauptrolle
Eine Inszenierung trägt immer auch die Handschrift eines Regisseurs oder einer Regisseurin. Mit Beatrice Riesen-de Zordo nahm eine Frau aus den Reihen des Vereins das Zepter in die Hand. Sie konnte dabei auf ihre zahlreichen Erfahrungen als Regisseurin zählen. Diese langjährige Praxis habe sie dazu bewogen, gleich noch eine Hauptrolle zu übernehmen, erklärte sie nach der Aufführung. Die von ihr gespielte Lisi entspreche ihrer Art: «Ich bin gerne etwas verrückt, das drückt auch bei der Regie durch.»
Unzählige Arbeitsstunden
So leichtfüssig und herzerwärmend die Premiere auch daherkam, dahinter stecken schier unzählige Arbeitsstunden. Begonnen hatte das Ganze nicht erst mit den Proben. Denn der Verein hat mit der Gemeinde Münsingen eine Leistungsvereinbarung. Er muss administrative Arbeiten übernehmen, die Werbung organisieren, Bühnenbilder montieren und Kostüme suchen. «Das ist eine Jahresaufgabe, und jetzt sind wir bereits am Vorbereiten der nächsten Inszenierung», erklärte Vereinspräsident Kobel nach der gelungenen Premiere. Doch vorerst stehen nun die elf weiteren Vorstellungen im Zentrum.