Münsingen - 61 Amerikaner fanden im Aaretal die letzte Ruhe

61 Amerikaner fanden im Aaretal die letzte Ruhe MünsingenAls Bub schaute Alfred Haueter zu, wie auf dem Amerikanerfriedhof US-Soldaten begraben wurden. Jetzt ist der 75-Jährige an den Ort zurückgekehrt, wo einst 61 gefallene Amerikaner beerdigt waren.

Herbert Rentsch / berner Zeitung BZ
Ein weiter, offener Platz. In Reih und Glied stehen weisse Grabkreuze auf der Rasenfläche, dahinter ragt auf einer Steinkanzel ein Fahnenmast mit der US-amerikanischen Flagge in den Himmel: ein Ort, wie es sonst keinen gibt in der Schweiz.

Es ist das Jahr 1945. Am Dorfrand von Münsingen verfolgen Einheimische eine aussergewöhnliche Zeremonie. Auf dem American Military Cemetery werden zwei junge Amerikaner beerdigt. Sie sind den Verletzungen erlegen, die sie sich beim Absturz ihres Bombers in der Schweiz zugezogen haben. Unter den Zuschauern aus dem Dorf ist auch Alfred Haueter. Gespannt und neugierig verfolgt der Zehnjährige, was da auf dem Amerikanerfriedhof vor sich geht.

Drei Salven in die Luft

Unterhalb der Grabkreuze sind Kränze an die Mauer gelehnt. Die Särge, zugedeckt mit der Stars-and-Stripes-Flagge, stehen auf dem Rasenplatz. Seitlich hat sich eine Gruppe amerikanischer Soldaten in ihren braun-grünen Uniformen aufgestellt. Keck ragen die spitzen Enden der Mützen in die Luft. Einige Schweizer Offiziere haben ebenfalls Position bezogen. Neben den ausgehobenen Gräbern steht der Pfarrer und spricht ein paar englische Sätze. Die Stimmung ist bedrückt, aber feierlich. Zu Ehren der toten Kameraden feuern Soldaten drei Ehrensalven in den Himmel, dann werden die Särge in die Gräber hinuntergelassen.

Nur ein Wort verstanden

«Das alles hatten wir nicht gekannt, darum waren wir fasziniert», sagt Alfred Haueter 65 Jahre später. Er ist von seinem Wohnort im Tessin zurückgekehrt ins Dorf seiner Jugend. Dorthin, wo am Ende des Zweiten Weltkriegs Zeremonien stattfanden, welche die breite Öffentlichkeit erst später in US-amerikanischen Filmen kennen lernte. «Von dem, was der Pfarrer sagte, verstand ich damals nur das Wort ‹God›, aber den Pathos hörte ich gut heraus», erinnert sich Haueter.

«Sacred to the memory of sixty-one young Americans who gave their lives in the service of their country 1943–1945», heisst es auf der Gedenktafel im Münsinger Friedhof. Die Tafel wurde für die 61 jungen Männer angebracht, die ihr Leben im Dienste ihres Landes liessen und in der Schweiz beerdigt wurden (siehe Kasten).

Haueters Blick schweift über den Platz. Heute sieht es hier ganz anders aus als damals. Den Amerikanerfriedhof gibt es nicht mehr. Das Gelände gehört zum Münsinger Friedhof, die toten Soldaten sind längt anderswo begraben. Als letzter Rest der früheren Ruhestätte ist nur die runde Kanzel mit der Gedenktafel geblieben.

Alfred Haueters Besuch hat einen besonderen Grund. Seine Tochter begleitet ihn zur Ausstellung «Erlebte Geschichte» im Museum Schloss Münsingen. Unter den Erinnerungen an die Zeit des Zweiten Weltkriegs ist auch der Amerikanerfriedhof erwähnt. Am Vortragsabend über diesen Friedhof führte der 75-Jährige als Zeitzeuge ein Gespräch mit Albert Kündig, dem Präsidenten der Münsinger Kommission für Ortsgeschichte.

Sagenhafter Captain

Die amerikanischen Beerdigungen hat Haueter in spezieller Erinnerung: «Für uns Buben waren es eher Feste. Wir folgten dem Trauerzug, hörten die Musik und waren begeistert.» Imponiert hat dem Rentner damals auch Captain Harry McCormac. Der US-Veteran aus dem Ersten Weltkrieg betreute den Amerikanerfriedhof. Er logierte im Gasthof Löwen. Der Dorfbevölkerung und besonders den Jungen machte er mit seiner rassigen Uniform und seinem Auftreten grossen Eindruck. Es heisst, er sei manchmal in seinem Jeep stehend durchs Dorf gefahren.

«Und hie und da machte er das Victory-Zeichen», glaubt sich Alfred Haueter zu erinnern. Wenn Amerikaner herreisten, um den Friedhof zu besuchen, holte sie McCormac im Jeep am Bahnhof ab. Haueter: «Bei der Bevölkerung waren die Amerikaner willkommen, sie wurden als Befreier empfunden. Und für mich waren es die ersten Begegnungen mit Fremden.»

Doch so, wie sie gekommen waren, verschwanden sie auch wieder aus dem Dorf. 1948 wurde der Amerikanerfriedhof aufgehoben. Die Toten wurden exhumiert und zum Teil in Frankreich beigesetzt oder in die USA überführt. Und wie reagierte der junge Alfred Haueter? «Ich bedauerte es. Denn die Ereignisse mit den Amerikanern prägten damals das Dorf.»

[i] Die Sonderausstellung «Erlebte Geschichte. Münsingen erinnert sich» im Museum Schloss Münsingen dauert bis am 17. April. Sie ist freitags 18 bis 20 Uhr und sonntags 14 bis 17 Uhr geöffnet. Freitags gibt es um 18 Uhr Gratisführungen.


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Erstellt: 01.02.2011
Geändert: 01.02.2011
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