Mühle Caci Grosshöchstetten: Zwei Weltstars erobern die Herzen im Emmental

Ein Konzert von Weltklasse in Cacis Mühle in Grosshöchstetten: Die afroamerikanische Hardbop- und Souljazz-Organistin Rhoda Scott und die französische Schlagzeugerin Julie Saury brachten Rhythmus und Wärme ins Emmental.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ
Beim Soundcheck behält Rhoda Scott wenigstens die Socken an. «Mit den Stiefeln an den Füssen kann ich nicht Orgel spielen», sagt die 72-jährige Altmeisterin, die den Beinamen «The Barefoot Lady» trägt, weil sie die Pedale immer barfuss bedient.

Beim Auftritt am Samstagabend in Cacis Mühle in Grosshöchstetten zeigt Rhoda Scott dann ihre nackten Füsse, lässt sie ebenso geschickt über die Pedale fliegen wie die Finger über die Tasten. Und das alles erst noch mit sichtlichem Vergnügen. Dazwischen lächelt die dunkle Lady verzückt, parliert munter englisch und französisch.

Käserei besucht
 
In der Pause zwischen zwei Stücken überlegt sie laut, welches die beste Bezeichnung für Julie Saury wäre. Nein, nicht dieses unaussprechliche Wort Schlagzeugerin, auch nicht «Drummer» (zu männlich), sondern «la batterista», wie man in Italien sagt. Die 37-jährige Saury steht ihrer «Grossmutter» in nichts nach – die beiden definieren sich augenzwinkernd als Grossmutter und Enkelin.

Ohne Noten spielen die beiden Frauen den ganzen Abend, improvisieren, lassen einander viel Raum, sind hoch konzentriert und immer im engen Kontakt zum Publikum. Auch während der Pause. Trotz sichtlicher Müdigkeit signieren die Musikerinnen CDs und unterhalten sich mit ihren Fans, erzählen, sie seien im Gasthof Sonne untergebracht, hätten am Nachmittag eine Käserei besucht und fänden das verschneite Emmental «vraiment merveilleux».

Der Orgel treu geblieben
 
Rhoda Scott ist als Tochter eines Pastors der African Methodist Episcopal Church in New Jersey (USA) aufgewachsen. Schon als Siebenjährige fing sie an, Orgel zu spielen. Sie blieb dem Instrument treu, obschon sie klassisches Klavier studierte. Schon als junge Frau begleitete sie einen Gospelchor, wandte sich dann immer mehr dem Jazz zu. Entdeckt worden ist die Hammondorgelspielerin von Count Basie. Im Lauf der Jahre stand sie mit vielen Grössen der Jazzszene auf der Bühne, etwa Ray Charles, Ella Fitzgerald und in Frankreich mit dem Sänger Gilbert Bécaud. Seit 1967 lebt sie in Frankreich.

Kirchliche Vergangenheit
 
Noch heute ist Scotts Orgelspiel geprägt von der kirchlichen Vergangenheit. Diese dringt immer wieder durch die Hardbop- und Soultöne durch. Plötzlich glaubt man sich an einem Gottesdienst, aber nur für ein paar Takte. Humorvoll, ironisch, aber immer mit Respekt baut die Organistin sakrale Klänge ein, spielt Bach, Debussy, Chopin. Scott und Saury musizieren scheinbar mühelos, ohne sich tierisch ernst zu nehmen. Ihr Spektrum erstreckt sich von Rösslispielmusik bis zu feierlichen kirchlichen Klängen über Schunkelmusik zu Gospel und Jazzstandards.

Cacis Mühle bebt
 
Die Musikerinnen bringen Cacis Mühle zum Beben. Samt Zugaben fast zwei Stunden lang. Bescheiden, mit warmherzigem Lächeln verabschieden sie sich, nehmen von Organisator Christoph Fankhauser einen Blumenstrauss entgegen. Rhoda Scott zieht ihre Socken über die nackten Füsse, schlüpft in die Stiefel. Beide binden ihre Haare wieder hoch, Scott die grauen Rastalocken, Saury ihre dunkle Mähne. Kurz vor Mitternacht servieren Salvatore und Mäde Caci ihre legendäre Minestrone. Nach einer kurzen Nacht in der «Sonne» Grosshöchstetten werden die Musikerinnen im TGV sitzen, der sie vom Emmental zurück nach Paris bringt.

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Erstellt: 15.02.2010
Geändert: 15.02.2010
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