Motorrad - Thomas Lüthi will einen Gang höher schalten

Thomas Lüthi startet am Sonntag in Welkom beim Grand Prix von Südafrika zu seiner zweiten ganzen WM-Saison. Der 17-jährige Honda-Werksfahrer aus Linden im Emmental will einen Gang höher schalten. Regelmässige Klassierungen in den WM-P

Werner Haller, Wochen-Zeitung
«Töffstift» Thomas Lüthi steht vor seinem zweiten Lehrjahr. Es beginnt am nächsten Sonntag in Welkom (Südafrika), dauert 197 Tage und führt über 16 Grand Prix-Strecken auf vier Kontinenten. Am 31. Oktober werden die 125-er-Piloten im spanischen Valencia zum letzten Mal in dieser Saison abgewunken. Wo wird Thomas Lüthi zu diesem Zeitpunkt stehen? Eine Antwort auf diese und andere Fragen wüsste der Emmentaler selbst gerne. Mitte März bei der Teampräsentation in Zürich waren die Hoffnungen im Hinblick auf die bevorstehende Saison noch völlig ungetrübt. Doch dann folgten die verschiedenen Tests in Spanien, die für den Piloten und das Technikerteam überhaupt nicht wunschgemäss verliefen.

Ungewisse Situation

Thomas Lüthi stürzte in Barcelona und erlitt einen inzwischen verheilten Zehenbruch. Mehr Kopfzerbrechen bereiteten die Testresultate im Vergleich mit der Konkurrenz. «In den verbleibenden Tagen bis zum WM-Start», erkannte Thomas Lüthi, «werden ich und das gesamte Team noch sehr intensiv arbeiten müssen, um die Maschine renntüchtig zu machen. Vor dem WM-Auftakt in Südafrika bleiben uns nur noch je zwei Trainings von 30 beziehungsweise 45 Minuten Dauer. Das heisst, dass wir innert kürzester Zeit sehr viel erkennen, sehr schnell korrigieren und die Maschine auf den Kurs in Welkom einstellen müssen.»

Dieser Zeitdruck sei der Hauptgrund, sagt Thomas Lüthi, weshalb er beim Grand Prix von Südafrika ganz einfach das Beste aus der ungewissen Situation machen wolle. «Unser Ziel ist selbstverständlich, die technischen Probleme so schnell wie nur möglich lösen zu können. Um aus einer Maschine wie unserer Honda die optimale Leistung herausholen zu können, muss alles bis ins kleinste Detail stimmen. Ist das nicht der Fall, so verliert man sofort die eine oder andere Sekunde und die Chancen auf einen WM-Punkterang werden kleiner.»

Die Plätze 10 bis 15 als Ziel

Diese WM-Punkteränge hat Thomas Lüthi in den kommenden sechseinhalb Monaten im Visier. Er hat sich vorgenommen, mindestens in die Positionen 10 bis 15 hinein zu fahren, «und zwar regelmässig», wie er betont. «Letzte Saison», erinnert er sich, «waren Klassierungen zwischen den Positionen 15 und 20 mein Ziel. Jetzt will ich einen Schritt weiter kommen und versuchen, mich konstant in die Ränge 10 bis 15 zu plazieren. Dazu möchte ich auch wieder das eine oder andere Mal aufs Podium steigen. Ein erster GP-Triumph, ja das wäre selbstverständlich die Erfüllung eines Traumes.»

Thomas Lüthi hat das getan, was jeder ehrgeizige Spitzensportler Jahr für Jahr tut: Er hat die Ansprüche an sich noch anspruchsvoller gemacht. «Darüber bin ich mir im Klaren», sagt der Emmentaler. «Die Erwartungen sind weiter gestiegen. Sie sind eine logische Steigerung meiner letztjährigen Resultate. Ich kenne jetzt alle WM-Strecken, bin erfahrener geworden und sitze erstmals auf einer Honda-Werksmaschine. Von Dunlop erhalten wir das beste Reifenmaterial. Zudem fühle ich mich nach einem mehrwöchigen Aufbautraining im Kraft- und Ausdauerbereich fitter als vor einem Jahr. Rennstallbesitzer Daniel Epp hat die Investitionen erhöht, das Team hat sich verbessert und ist grösser geworden. Alles Punkte, aus welchen ein Fortschritt resultieren müsste.

Talent eindrucksvoll bewiesen

Thomas Lüthi hat in der vergangenen Saison sein Talent eindrucksvoll bewiesen. Mit einem 15. Rang im WM-Schlussklassement, mit Top-10-Klassierungen in Sepang (Malaysia/4. Platz), Assen (Holland/7.), Suzuka (Japan/9.), Le Mans (Frankreich/9.) und Motegi (Japan/10.) sowie als Höhepunkt mit dem ersten und bisher einzigen Podestplatz, dem 2. Rang beim GP von Katalonien. Der Emmentaler fiel den Experten aber nicht nur leistungsmässig, sondern auch mit seinem unerschütterlichen Kampfgeist und seiner Leidenschaft für den Motorradrennsport auf. Wie er sich beispielsweise von Anfang Juli bis Anfang September durch vier Stürze in vier Rennen hintereinander nicht beeindrucken liess und in den darauffolgenden vier Grand Prix’ wieder in die WM-Punkteränge hineinfuhr und in Sepang aus der zweitbesten Startposition (5.) heraus noch das zweitbeste Resultat seiner Karriere (4. Rang) erzielte.

Vertrauensbeweis aus Japan

Diese Einstellung blieb nicht unbelohnt: Honda, der mächtige japanische Motorradhersteller, stellt Thomas Lüthi in dieser Saison als Vertrauensbeweis das bestmögliche Material zur Verfügung. Ein Duplikat der Maschine, auf welcher der Spanier Daniel Pedrosa letzte Saison fünf GP’ gewann und mit einem Vorsprung von 57 Punkten auf den Italiener Alex De Angelis überlegen Weltmeister wurde. Beide starten jetzt nicht mehr in der 125-ccc-Klasse, sondern sind aufgestiegen zu den 250-ern. Zu den privilegierten Kunden von Honda, allerdings im Scot-Rennstall, gehören in der 125er-Klasse abgesehen von Thomas Lüthi nur noch zwei Italiener: der 18-jährige Andrea Dovizioso, letzte Saison WM-Fünfter, und dessen ein Jahr jüngerer Landsmann Simone Corsi (WM-19.). Beide haben mit Lüthi eines gemeinsam: Sie gewannen noch nie ein WM-Rennen.


Alles über Thomas Lüthi und die Saison 2004:

• Geboren am 6. September 1986 in Linden (BE). - Grösse: 1,69 m. - Gewicht: 53 kg. - Beruf: Motorradrennfahrer. - Klasse: 125 ccm. - Team: ELIT Grand Prix Racing Team. - Startnummer 12. - Vertrag: Läuft am Ende der Saison aus. - Hauptsponsor: Bluewin Schweiz.

• Internationale Karriere als Motorradrennfahrer (125 ccm). 2003: 15. Schlussrang im WM- und GP-Klassement. - Beste Klassierungen: 2. GP Katalonien; 4. GP Malaysia; 7. GP Holland; 9. GP Japan und Frankreich; 10. GP Motegi. - 2002: 3. Rang im Schlussklassement der Internationalen Deutschen Meisterschaft (IDM). - 27. Rang im WM- und GP-Schlussklassement. - Bestes WM- und GP-Resultat: 9. Rang in Estoril (Por). - 2001: 6. Rang im Schlussklassement des ADAC-Junior-Cups. - Karriere als Pocket-Bike-Fahrer. Schweizer Meisterschaften: 3. Rang 1997. - 2. Rang 1998. - 1. Rang 1999(Schweizer Meister). - 1. Rang 2000 (erfolgreicher Titelverteidiger).

• Lüthis Team. Name: ELIT Grand Prix Racing Team. - Sitz: Prag (Tsch). - Besitzer und Direktor: Daniel Epp (Basler; 45-jährig). - Zweiter Fahrer neben Lüthi: Dario Giuseppetti (De; Startnummer 26).

• Lüthis Maschine. Hersteller: Honda. - Typ: RS 125 RW. - Klasse: 125 ccm. - Wassergekühlter 2-Taktmotor. - 6 Gänge. - Trockengewicht: 72 kg.

• Die 16 WM- und GP-Rennen der Saison 2004. 18. April Welkom (Südafrika). - 2. Mai Jerez (Spanien). - 16. Mai Le Mans (Frankreich). - 6. Juni Mugello (Italien). - 13. Juni Katalonien (Spaniel). - 28. Juni Assen (Holland). - 4. Juli Rio de Janeiro (Brasilien). - 18. Juli Sachsenring (Deutschland). - 25. Juli Donington Park (Grossbritannien). - 22. August Brünn (Tschechien). - 5. September Estoril (Portugal). - 19. September Motegi (Japan). - 2. Oktober Doha (Katar). - 10. Oktober Sepang (Malaysia). - 17. Oktober Philipp Island
(Australien). - 31. Oktober Valencia (Spanien).

• WM-Punkte erhalten die 15 Erstklassierten jedes Rennens: 1. Rang = 25 Punkte. - 2. (20). - 3. (16). - 4. (13). - 5. (11). - 6. (10). - 7. (9). - 8. (8). - 9. (7). - 10. (6). - 11. (5). - 12. (4). - 13. (3). - 14. (2). - 15. (1).

• Informationen zu Thomas Lüthi und zur Motorrad-WM. Websites. www.thomasluethi.ch. - www.paddock.cz/en/ (Website des Elit-Teams). - www.sport.bluewin.ch. - www.motograndprix.com (offizielle GP-Website). - Medien: Motorsport aktuell (an den Kiosken am Dienstag). Auch die «WZ» berichtet regelmässig über Lüthis Renneinsätze.

• Das Fernsehen bei der Motorrad-WM: Das Schweizer Fernsehen SF DRS überträgt vorderhand bis und mit dem GP in Donington Park (England; 25. Juli) alle Rennen der 125-ccm- und der MotoGP-Klasse direkt. Die Ausnahme bildet der GP in Rio de Janeiro (Brasilien; 4. Juli). - Eurosport überträgt alle Trainings und alle Rennen aller Klassen live. - Neu: RTL bringt von der 125-er- und der 250-er-Klasse Zusammenfassungen und überträgt die Rennen der MotoGP-Klasse live.

www.wochen-zeitung.ch

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Erstellt: 15.04.2004
Geändert: 15.04.2004
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