Motorrad - Lüthi muss erneut unters Messer
Der Oberdiessbacher Töffprofi Tom Lüthi muss nochmals operiert werden. Der Eingriff beeinträchtigt seine Comeback-Pläne für Anfang Mai aber nicht.
Zum ersten Mal hat sich Tom Lüthi dieser Frage in der Öffentlichkeit gestellt. Flankiert von seinem Vertrauensarzt Marc Mettler, seinem Physiotherapeuten Manuel Deucher und seinem Fitness-Trainer Roman Blaser. Nun zeigt sich: Der Unfall war noch schlimmer als es schien. Aber die Chancen für eine Rückkehr bereits am 5. Mai sind intakt.
Marc Mettler kennt Tom Lüthi. Er hatte ihn schon 14-mal in Behandlung. Aber im Vergleich zu den neusten Sturzverletzungen sei alles, was er vorher zu heilen hatte nahezu bedeutungslos gewesen. Als er per MMS die ersten Röntgenbilder aus Valencia erhalten habe, sei ihm klar geworden, dass es ein schlimmer Unfall sei. Er sagt wörtlich, Tom Lüthis rechtes Ellenbogengelenk sei beim Sturz am 14. Februar durch eine mehrteilige Fraktur «zerstört» gewesen. In einer fünfstündigen Operation musste erst noch ein Knochen künstlich gebrochen werden, um Zugang zum Gelenk zu finden.
Mit neun Schrauben und zwei Platten ist Tom Lüthis Ellenbogengelenk wieder hergestellt worden. Die Situation war dramatisch. Möglicherweise hat die rasche Überführung von Valencia ins Spital in Münsingen mit der Rettungsflugwacht die Karriere von Tom Lüthi gerettet.
Marc Mettler sagt, der Patient sei nur noch ein paar Stunden von bleibenden Schäden und einer Teilinvalidität entfernt gewesen. Starke Blutungen hatten den verletzten Arm extrem anschwellen lassen und der Druck auf die Blutgefässe führte dazu, dass die Armmuskulatur nicht mehr durchblutet wurde.
Erneute Operation nötig
Beim Sturz hat sich Tom Lüthi auch einen Bänderriss in der rechten Schulter zugezogen. Deshalb wird am Montag eine weitere Operation notwendig. Gemäss Marc Mettler beeinträchtige diese Operation den Heilungsverlauf nicht.
Tom Lüthi hat sich von seinem bisher schlimmsten Unfall erstaunlich gut erholt. «Die erste Woche war sehr hart. Aber Angst um meine Karriere habe ich zu keinem Zeitpunkt gehabt und nun bin ich wieder motiviert. Mein Ziel ist es, beim Saisonstart in Katar dabei zu sein. Ich weiss, dass die Chance sehr gering ist. Aber darauf arbeite ich hin.»
Der Kampfgeist ist also schon wieder erwacht, die Leidenschaft entfacht. Marc Mettler sagt, aus medizinischer Sicht sei die Rückkehr von Tom Lüthi am 5. Mai in Jerez möglich. «Er hat Verletzungen erlitten, die normalerweise eine Heilungszeit von rund drei Monaten brauchen. Aber bei einem Spitzensportler geht es schneller.»
Physiotherapeut Manuel Deucher sagt, Tom Lüthi habe beim Ellenbogengelenk bereits wieder rund 80 Prozent Bewegungsfreiheit. Wie gross ist die Gefahr, dass Tom Lüthi bleibende Schäden davon trägt? Marc Mettler erklärt die Situation mit einem träfen Vergleich: «Es ist wie nach einem Autounfall. Der Spengler kann noch so gut arbeiten, es wird für immer ein Unfallauto bleiben.» So sei es auch beim Tom Lüthis rechtem Ellenbogengelenk. Nach einer solchen Verletzung geben es Narben. Es werde etwas zurückbleiben.
Was auf den ersten Blick dramatisch tönt, ist in Wirklichkeit harmlos: Nach Marc Mettlers Definition gibt es im Fahrerlager nur «Unfallautos» – jeder GP-Pilot hat irgendwelche Schäden an seinem Körper, ist nach streng medizinischen Massstäben nicht hundertprozentig gesund. Und doch ist jeder zu hundert Prozent leistungsfähig. Deshalb wird Tom Lüthi, wenn er diese Sturzverletzungen ausgeheilt hat, wieder so sein wie vorher. Er sagt, psychisch werde er keine Nachwirkungen spüren. Er sagt es nicht nur. Seine Körpersprache bestätigt, dass es so sein wird.
«Abschuss»-Pilot entschuldigte sich nicht
Tom Lüthi sagt, er habe sofort nach dem Sturz gewusst, dass es schlimm sei. An den Unfallhergang könne er sich nicht mehr erinnern, weil er auch eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Aber die Bilder der permanenten Strecken-Video-Überwachungen zeigen, dass der Emmentaler am Unfall unschuldig ist. Er fuhr weitab von der Ideallinie auf der Innenseite langsam in die Box zurück und wurde vom stürzenden Thailänder Ratthapark Wilairot buchstäblich «abgeschossen». Die beiden fuhren im gleichen Krankenwagen von der Unfallstelle zum Strecken-Spital. «Wilairot hat sich bei mir nicht entschuldigt. Sondern behauptet, ich sei auf der Ideallinie gewesen. Die Streckenüberwachungs-Videos haben dann klar gezeigt, dass da so nicht stimmt.»
Wenn die angestrebte Rückkehr fürs dritte Rennen am 5. Mai in Jerez gelingt, dann gibt es für Tom Lüthi nach wie vor eine kleine Chance auf den WM-Titel. «Aber daran denke ich nicht. Das ist noch viel zu weit weg. Ich konzentriere mich ganz darauf, wieder fit zu werden.» Es sei aber klar, dass er durch diesen Sturz im ganzen Saisonfahrplan zurückgeworfen worden sei. Bei der technischen Entwicklung der Maschine und bei seinem persönlichen Formstand. «Die Tests sind gut verlaufen, wir waren auf Kurs. Nun werden mir die Tests vor der Saison und wohl die beiden ersten Rennen fehlen. Ich war auch sehr gut in Form. Aber nun muss ich mein Fitnesstraining unterbrechen. Ganz alles kann ich mit meiner Erfahrung nicht wettmachen.» Sein Fitnesstrainer Roman Blaser beruhigt allerdings: «Tom ist in einer so guten Verfassung, dass wir nach abgeschlossenem Heilungsprozess nicht gleich wieder bei Null beginnen müssen.»
Für die letzten Tests in Jerez und für die ersten Rennen wird Teambesitzer Daniel M. Epp bis zu Tom Lüthis Rückkehr einen Ersatzfahrer engagieren. Damit die technischen Entwicklung weiter geht und das Team in Form bleibt. «Wir können ja nicht einfach alle in die Ferien schicken, bis Tom zurückkehrt.» Die Saison beginnt am 7. April mit dem GP von Katar in Doha, dann folgt das Rennen in Austin (Texas) am 21. April. Tom Lüthi wird wohl frühestens beim dritten WM-Lauf am 5. Mai in Jerez (GP von Spanien) wieder dabei sein.