Mirchel - Lieber VW als Mercedes
Wenn das Volk am 23. September zustimmt, kann der Kanton künftig Gemeinden zur Fusion zwingen. Für die kleine Gemeinde Mirchel käme das nie infrage. Denn sie funktioniere einfacher und günstiger als die Grossen – nämlich «auf Augenhöhe» mit den Bürgern.
Esther Diener-Morscher, Berner Zeitung BZ
Wenn es in Mirchel eine Sitzung gibt, ist Fritz – so nennen ihn die Mirchler Behörden liebevoll – immer dabei. Fritz hängt hinter dem Sitzungstisch: ein Porträt von Friedrich Traugott Wahlen. Er war der Bundesrat, der im 2. Weltkrieg die «Anbauschlacht» führte. Er liess sogar die Grünanlagen in Städten mit Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide bepflanzen. Fritz kam 1899 im Mirchler Weiler Gmeis zur Welt. Darauf sind die Mirchler stolz. Und stolz sind sie auch auf ihre Gemeinde. Fast ein wenig erstaunt reagiert Gemeindepräsidentin Ursula Wälti, wenn man sie fragt, ob sie sich eine Fusion vorstellen könne. «Ich wüsste gar nicht, mit welcher Gemeinde», sagt sie. «Mir kommt keine in den Sinn, die uns etwas bieten könnte, was wir nicht selber haben.»
Ohne Studien und Konzepte
Am 23. September stimmen die Berner darüber ab, ob der Grosse Rat künftig in bestimmten Fällen Zwangsfusionen verordnen darf. Am ehesten könnten kleine Gemeinden betroffen sein. Auch Mirchel ist klein. «Aber sicher nicht zu klein», sagen Gemeindeverwalter Beat Joss und sein Stellvertreter Antonio Corvaglia. Joss ist seit 30 Jahren, Corvaglia seit 19 Jahren in Mirchel angestellt. «Wir sind bisher gut gefahren mit einem VW und müssen nicht mit einem Mercedes unterwegs sein», sagt Joss und bringt damit auf den Punkt, was Manager wohl mit «schlanken und effizienten Strukturen» umschreiben würden.
In Mirchel gibt es keine Studien und Konzepte – schon gar keine, die in der Schublade gelandet wären. «Wenn bei uns eine Strasse kaputt ist, reparieren wir sie. Dazu brauchen wir kein Strassenunterhaltskonzept», erklärt Beat Joss. Und Finanzspezialist Antonio Corvaglia ergänzt kurz und knapp: «Wir lösen die Probleme bedarfsgerecht, sobald sie anfallen.» Und das Lösen geht in Mirchel meist ziemlich schnell und unkompliziert: «Die Wege zu den Behörden sind kurz», sagt Joss. Manchmal sogar sehr kurz: etwa, wenn ein Mirchler Joss auf dem Heimweg auf der Dorfstrasse trifft und schnell fragt, ob er für seinen geplanten Umbau wohl ein Baugesuch brauche. Die 326 Steuerzahler, die in Mirchel wohnen, sind nicht reich. Knapp 800 000 Franken Einnahmen haben sie Mirchel 2011 beschert. Doch der VW, mit dem Mirchel «unterwegs» ist, kostet auch nicht so viel wie ein Mercedes. Deshalb kann sich Mirchel einen tiefen Steuerfuss leisten: 1,37. Konolfingen verlangt 1,69, die Stadt Bern 1,54.
Mit allen Mitteln wehren
Mirchel ist klein, aber selbstständig. Für Sekundarschule, Kirche, Wasserversorgung und Abwasserreinigung hat sich Mirchel mit anderen Gemeinden zusammengeschlossen, «weil es sinnvoll war», wie Antonio Corvaglia betont. Den Sozialdienst und die Feuerwehr musste Mirchel unfreiwillig mit Konolfingen zusammenlegen, weil es der Kanton und die Gebäudeversicherung so verlangten. Der «Kleinwagen», der für Mirchel beim Sozialdienst und bei der Feuerwehr genügte, war dem Kanton zu wenig. Nun muss Mirchel im Mercedes von anderen mitfahren. Viel lieber hätten die Behörden Sozialdienst und Feuerwehr auf altbewährte Art weitergeführt – «und nicht mit Strukturen, die eine kleine Gemeinde gar nicht braucht», wie Ursula Wälti bemängelt.
Mirchel ist genügsam, aber selbstbewusst: «Wenn ein Mirchler oder eine Mirchlerin an der Gemeindeversammlung ihre Meinung kundtut, hat das 200-mal mehr Gewicht, als wenn eine Bernerin oder ein Berner an der Urne die Stimme abgibt», rechnet Beat Joss vor. Mirchel zählt rund 400 Stimmberechtigte, die Stadt Bern über 80 000.
Würde der Kanton Mirchel zu einer Fusion zwingen, würde sich die Gemeinde mit allen Mitteln wehren: Daran lassen die Gemeindepräsidentin und die beiden Gemeindeangestellten keine Zweifel aufkommen. Und ebenfalls keine Zweifel aufkommen lässt das Dreigespann Wälti, Corvaglia und Joss daran, dass sie damit auch erfolgreich wären.
Mirchel
12 Kilometer Gemeindestrasse und 590 Einwohner Mirchel ist ein kleines Bauerndorf zwischen Grosshöchstetten, Konolfingen und Zäziwil, 16 Kilometer von Bern entfernt. Zu den 2,4 Quadratkilometern Gemeindegebiet gehören auch die Weiler Gmeis und Appenberg. Mirchel hat ein Schulhaus, eine Gemeindeverwaltung und 12 Kilometer Strasse. Mit 590 Einwohnern ist Mirchel zwar klein, aber nicht sehr klein. Rund 150 der 390 Berner Gemeinden haben weniger Einwohner als Mirchel.
www.mirchel.ch
Ohne Studien und Konzepte
Am 23. September stimmen die Berner darüber ab, ob der Grosse Rat künftig in bestimmten Fällen Zwangsfusionen verordnen darf. Am ehesten könnten kleine Gemeinden betroffen sein. Auch Mirchel ist klein. «Aber sicher nicht zu klein», sagen Gemeindeverwalter Beat Joss und sein Stellvertreter Antonio Corvaglia. Joss ist seit 30 Jahren, Corvaglia seit 19 Jahren in Mirchel angestellt. «Wir sind bisher gut gefahren mit einem VW und müssen nicht mit einem Mercedes unterwegs sein», sagt Joss und bringt damit auf den Punkt, was Manager wohl mit «schlanken und effizienten Strukturen» umschreiben würden.
In Mirchel gibt es keine Studien und Konzepte – schon gar keine, die in der Schublade gelandet wären. «Wenn bei uns eine Strasse kaputt ist, reparieren wir sie. Dazu brauchen wir kein Strassenunterhaltskonzept», erklärt Beat Joss. Und Finanzspezialist Antonio Corvaglia ergänzt kurz und knapp: «Wir lösen die Probleme bedarfsgerecht, sobald sie anfallen.» Und das Lösen geht in Mirchel meist ziemlich schnell und unkompliziert: «Die Wege zu den Behörden sind kurz», sagt Joss. Manchmal sogar sehr kurz: etwa, wenn ein Mirchler Joss auf dem Heimweg auf der Dorfstrasse trifft und schnell fragt, ob er für seinen geplanten Umbau wohl ein Baugesuch brauche. Die 326 Steuerzahler, die in Mirchel wohnen, sind nicht reich. Knapp 800 000 Franken Einnahmen haben sie Mirchel 2011 beschert. Doch der VW, mit dem Mirchel «unterwegs» ist, kostet auch nicht so viel wie ein Mercedes. Deshalb kann sich Mirchel einen tiefen Steuerfuss leisten: 1,37. Konolfingen verlangt 1,69, die Stadt Bern 1,54.
Mit allen Mitteln wehren
Mirchel ist klein, aber selbstständig. Für Sekundarschule, Kirche, Wasserversorgung und Abwasserreinigung hat sich Mirchel mit anderen Gemeinden zusammengeschlossen, «weil es sinnvoll war», wie Antonio Corvaglia betont. Den Sozialdienst und die Feuerwehr musste Mirchel unfreiwillig mit Konolfingen zusammenlegen, weil es der Kanton und die Gebäudeversicherung so verlangten. Der «Kleinwagen», der für Mirchel beim Sozialdienst und bei der Feuerwehr genügte, war dem Kanton zu wenig. Nun muss Mirchel im Mercedes von anderen mitfahren. Viel lieber hätten die Behörden Sozialdienst und Feuerwehr auf altbewährte Art weitergeführt – «und nicht mit Strukturen, die eine kleine Gemeinde gar nicht braucht», wie Ursula Wälti bemängelt.
Mirchel ist genügsam, aber selbstbewusst: «Wenn ein Mirchler oder eine Mirchlerin an der Gemeindeversammlung ihre Meinung kundtut, hat das 200-mal mehr Gewicht, als wenn eine Bernerin oder ein Berner an der Urne die Stimme abgibt», rechnet Beat Joss vor. Mirchel zählt rund 400 Stimmberechtigte, die Stadt Bern über 80 000.
Würde der Kanton Mirchel zu einer Fusion zwingen, würde sich die Gemeinde mit allen Mitteln wehren: Daran lassen die Gemeindepräsidentin und die beiden Gemeindeangestellten keine Zweifel aufkommen. Und ebenfalls keine Zweifel aufkommen lässt das Dreigespann Wälti, Corvaglia und Joss daran, dass sie damit auch erfolgreich wären.
Mirchel
12 Kilometer Gemeindestrasse und 590 Einwohner Mirchel ist ein kleines Bauerndorf zwischen Grosshöchstetten, Konolfingen und Zäziwil, 16 Kilometer von Bern entfernt. Zu den 2,4 Quadratkilometern Gemeindegebiet gehören auch die Weiler Gmeis und Appenberg. Mirchel hat ein Schulhaus, eine Gemeindeverwaltung und 12 Kilometer Strasse. Mit 590 Einwohnern ist Mirchel zwar klein, aber nicht sehr klein. Rund 150 der 390 Berner Gemeinden haben weniger Einwohner als Mirchel.
www.mirchel.ch