Mirchel - Bauch einziehen für den Wettkampf

Mit einer Handdruckspritze von 1894 trainiert die Nostalgiefeuerwehr für einen Wettkampf in Deutschland. Die Männer pumpen von Hand, das ersetzt den Gang ins Kraftstudio.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ
Mit vereinten Kräften schieben und ziehen die Mannen der Nostalgiefeuerwehr Mirchel die Handdruckspritze aus der Garage des Gemeindehauses. Das Gefährt ist schwer, plötzlich gerät es in Fahrt. Rasant rollt es die Mirchelbergstrasse hinunter, die steil und mit einer leichten Kurve Richtung Dorfzentrum führt. Erstaunlich: Die uniformierten Männer schaffen es, mit Militärschuhen bei diesem horrenden Tempo mitzurennen, die Spritze zu steuern und unten neben dem Mühlebach anzuhalten. Dort sind alle ausser Atem. Materialchef Heinz Berger sagt lachend: «Bei der Feuerwehr muss es eben schnell gehen.» Es eilt, wenn ein Haus in Flammen steht. Alte Fotos dokumentieren, dass sich Feuerwehrmänner früher notfalls auch einmal im Nachthemd auf den Weg machten.

Uniform aus dem Museum

Das Korps der Mirchler Nostalgiefeuerwehr ist jedoch korrekt in eine antike Uniform aus dickem schwarzen Wollstoff gekleidet. Die Hose ist mit feinen, roten Seitenstreifen verziert. An den Jacken funkeln Goldknöpfe. Die Uniformen konnten die Mirchler im Feuerwehrmuseum Kradolf kaufen. Die Helme mit dem M wie Mirchel ebenso. Heinz Berger sagt, es sei kein Problem gewesen, alte, intakte Uniformen zu finden. Problematisch sei aber deren Schnitt: Weil die Leute vor 100 Jahren kleiner und vor allem dünner waren, sind die Hosen bei einigen zu kurz und die Jacken sitzen so knapp, dass sie sich fast nicht schliessen lassen. Aber die Mannen ziehen den Bauch ein, schliessen die Knöpfe und schnüren sich den beige-rot gestreiften Gürtel um den Leib. Zum Strammstehen müssen die Bäuche eh eingezogen werden. Bereits ruft Kommandant und Vereinspräsident Bernhard Bucher: «Besammlung! Marsch!» Und schon bald: «Mannschaft, ruhn!». Das Korps entspannt sich, einer tat das schon vor diesem Kommando. Er grinst und wackelt in seinen Flipflops mit den Zehen.

1800 Liter in vier Minuten

Beim Wettkampf mit der Handdruckspritze geht es in erster Linie darum, dass die Männer von 1800 Litern Wasser innert 4 Minuten möglichst viel pumpen und mit dem Schlauch so weit wie möglich spritzen. Bewertet wird auch das Auftreten der Mannschaft, die Uniformen und wie Korps und Kommandant miteinander harmonieren. Im Prinzip gilt: Für jede Bewegung braucht es ein Kommando. Auch beim Pumpen: «Auf, ab, auf, ab!» ruft Kommandant Bucher, währenddessen die Mannschaft die Pumpe drückt.

Spritze vom Ballenberg

Der gelernte Metzger Heinz Berger ist der Mann, der mit dem Sammeln alter Handdruckspritzen angefangen hat. Diejenige, die in zwei Wochen für den Wettkampf im deutschen Baden-Württemberg verwendet wird, stammt aus dem Jahre 1894. Das schwere Gefährt aus Holz, Eisen und Messing kaufte Berger im Freilichtmuseum Ballenberg und renovierte es. 2008 folgte die Gründung des Vereins Nostalgiefeuerwehr Mirchel, der heute 16 Mitglieder zählt. «Schon bald nach der Gründung lud uns die Nostalgiefeuerwehr Rüfenacht-Worb ein, an einem Wettkampf teilzunehmen», erinnert sich Berger. Das war der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Wettbewerben. Das Training ist erfolgreich verlaufen bis auf eine kleine Reparatur der Pumpe, die Berger bald hinkriegt. Die Männer wischen sich den Schweiss von der Stirn. Einige ziehen die Uniformjacke aus, dann schieben sie die Handdruckspritze den Bach entlang, stossen sie mühsam die Mirchelbergstrasse hoch in die Garage zurück. 
 

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Erstellt: 19.06.2014
Geändert: 19.06.2014
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