Michelle Zeltner: Hüfte der Mehrkämpferin wieder im Lot
Im Februar zog sich Michelle Zeltner während eines 800-Meter-Laufs eine gravierende Hüftverletzung zu, der Arzt prognostizierte der Mehrkämpferin das Karrierenende. Er irrte.
Micha Jegge, Berner Zeitung BZ
Im Kraftbereich fehlt noch etwas. «Aber nicht mehr viel», sagt Michelle Zeltner, sogleich ergänzend, sie sei «schon fast wieder so weit wie vor einem Jahr». Und: «Es fühlt sich richtig gut an.» Die Worte sprudeln über die Lippen, als die Bernerin in Magglingen ihre Geschichte erzählt.
Rasch dringt durch, dass es sich bei der im Dezember 23-jährig werdenden Mehrkämpferin um eine emotionale Athletin handelt, welche eher gebremst als getrieben werden muss. Und ein paar Minuten später sieht sich der Zuhörer mit Fakten konfrontiert, deren Kombination eine wundersame Komponente hat.
Der Leistungssprung in der RS
Es geschah Ende Februar an der französischen Hallenmeisterschaft. Zeltner war in hervorragender Verfassung; im letzten Siebenkampf des Jahres 2013 hatte die Bolligerin ihren Bestwert um 274 Punkte auf 5717 Zähler hochgeschraubt. Der Leistungssprung lässt sich auf die Spitzensport-RS zurückführen. «Ich trainierte nicht viel mehr, aber regenerierte viel besser als zuvor», hält sie fest.
In Bordeaux gelang ihr ein guter Wettkampf, vor dem abschliessenden 800-Meter-Lauf zeichnete sich ab, dass sie Simone Oberers Landesrekord im Fünfkampf aus dem Jahr 2008 übertreffen würde. Bei Rennhälfte kam es zu einer Rempelei. Zeltner verlor das Gleichgewicht, landete mit gestrecktem Bein in der Neigung der Kurve. Es knackte, sie schrie, aber nur kurz. «Ich fiel nicht hin, es kugelte mir aber den rechten Oberschenkel aus der Hüfte heraus und im falschen Winkel gleich wieder hinein. Das Labrum riss, in der Hüftpfanne spickte es Knochenteile ab, fünf Quadratzentimeter des Knorpels sind weg.»
Die erschütternde Diagnose
Aufgeben kam nicht in Frage. Zeltner beschleunigte wieder; noch waren zwei Runden zu absolvieren. «Schmerz registrierte ich keinen, aber ich konnte das rechte Bein nicht mehr kontrollieren, es scherte immer wieder aus.» An die letzten 50 Meter vermag sie sich nicht mehr zu erinnern. Das Bewusstsein kehrte erst zurück, als ihr eine Konkurrentin zu vermitteln versuchte, dass die bei den Mehrkämpfern übliche gemeinsame Ehrenrunde anstehe.
In den ersten Momenten waren die Gefühle ambivalent, hatte es doch trotz allem für den Rekord gereicht. Tags darauf, nach der MRT-Untersuchung im Berner Sonnenhofspital, kippte die Gemütslage. Der Hüftspezialist teilte ihr mit, Sport treiben sei passé; es gehe nun einzig darum, dereinst wieder gehen, einen Gegenstand vom Boden aufheben zu können. Im Anschluss traf sie sich mit Trainer Adrian Rothenbühler, «und als ich ihm erzählte, was ich gehört hatte, war es vorbei mit der Fassung. Ich brach in Tränen aus, es war irgendwie surreal».
Der staunende Arzt
Neun Monate später trainiert Zeltner ihre Hüftmuskulatur, als wäre nichts gewesen. Sie absolviert ein ähnliches Programm wie die ebenfalls von Rothenbühler betreute Ellen Sprunger, welche zur erweiterten kontinentalen Spitze gehört. Die erste Rehabilitationsphase war hart; einen Monat lang musste der Winkel zwischen Oberschenkel und Oberkörper 70 Grad betragen. «Ich konnte nichts alleine machen, manchmal drehte ich fast durch. Ohne mein Umfeld hätte ich das niemals geschafft.»
Früh erfolgten in der Unterdruckkammer Gehversuche, stetig ging es aufwärts. Auch erwähnter Hüftspezialist staunt über die Entwicklung – «er strahlt jedes Mal, wenn er mich sieht. Und als ich ihm sagte, dass ich wieder über Hürden laufe, wollte er das fast nicht glauben».
Die EM in Zürich hat Zeltner verpasst, die Qualifikation wäre in der Februarverfassung Formsache gewesen. Nun steht die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro am Horizont, wobei die 1,84 Meter grosse, mit nahezu perfekten Hebeln ausgestattete Athletin auch die WM 2015 in Peking im Auge hat. Wohl wissend, wie weit der Weg dorthin ist, welche Fragezeichen es noch auszuräumen gilt.
«Ein Siebenkampf dauert zwei Tage. Es ist unklar, wie der Körper auf die Belastung reagieren wird.» Klar ist, dass sie keine Kompromisse eingehen will. Ihren Teilzeitjob hat die KV-Absolventin gekündet. Sie bezeichnet sich als «Profi ohne Einkommen, unterstützt wird sie von ihrer Familie und der Armee. «In meinem Fall gibt es nur die All-in-Variante. Ich habe eine zweite Chance erhalten – diese will ich nutzen.»
Rasch dringt durch, dass es sich bei der im Dezember 23-jährig werdenden Mehrkämpferin um eine emotionale Athletin handelt, welche eher gebremst als getrieben werden muss. Und ein paar Minuten später sieht sich der Zuhörer mit Fakten konfrontiert, deren Kombination eine wundersame Komponente hat.
Der Leistungssprung in der RS
Es geschah Ende Februar an der französischen Hallenmeisterschaft. Zeltner war in hervorragender Verfassung; im letzten Siebenkampf des Jahres 2013 hatte die Bolligerin ihren Bestwert um 274 Punkte auf 5717 Zähler hochgeschraubt. Der Leistungssprung lässt sich auf die Spitzensport-RS zurückführen. «Ich trainierte nicht viel mehr, aber regenerierte viel besser als zuvor», hält sie fest.
In Bordeaux gelang ihr ein guter Wettkampf, vor dem abschliessenden 800-Meter-Lauf zeichnete sich ab, dass sie Simone Oberers Landesrekord im Fünfkampf aus dem Jahr 2008 übertreffen würde. Bei Rennhälfte kam es zu einer Rempelei. Zeltner verlor das Gleichgewicht, landete mit gestrecktem Bein in der Neigung der Kurve. Es knackte, sie schrie, aber nur kurz. «Ich fiel nicht hin, es kugelte mir aber den rechten Oberschenkel aus der Hüfte heraus und im falschen Winkel gleich wieder hinein. Das Labrum riss, in der Hüftpfanne spickte es Knochenteile ab, fünf Quadratzentimeter des Knorpels sind weg.»
Die erschütternde Diagnose
Aufgeben kam nicht in Frage. Zeltner beschleunigte wieder; noch waren zwei Runden zu absolvieren. «Schmerz registrierte ich keinen, aber ich konnte das rechte Bein nicht mehr kontrollieren, es scherte immer wieder aus.» An die letzten 50 Meter vermag sie sich nicht mehr zu erinnern. Das Bewusstsein kehrte erst zurück, als ihr eine Konkurrentin zu vermitteln versuchte, dass die bei den Mehrkämpfern übliche gemeinsame Ehrenrunde anstehe.
In den ersten Momenten waren die Gefühle ambivalent, hatte es doch trotz allem für den Rekord gereicht. Tags darauf, nach der MRT-Untersuchung im Berner Sonnenhofspital, kippte die Gemütslage. Der Hüftspezialist teilte ihr mit, Sport treiben sei passé; es gehe nun einzig darum, dereinst wieder gehen, einen Gegenstand vom Boden aufheben zu können. Im Anschluss traf sie sich mit Trainer Adrian Rothenbühler, «und als ich ihm erzählte, was ich gehört hatte, war es vorbei mit der Fassung. Ich brach in Tränen aus, es war irgendwie surreal».
Der staunende Arzt
Neun Monate später trainiert Zeltner ihre Hüftmuskulatur, als wäre nichts gewesen. Sie absolviert ein ähnliches Programm wie die ebenfalls von Rothenbühler betreute Ellen Sprunger, welche zur erweiterten kontinentalen Spitze gehört. Die erste Rehabilitationsphase war hart; einen Monat lang musste der Winkel zwischen Oberschenkel und Oberkörper 70 Grad betragen. «Ich konnte nichts alleine machen, manchmal drehte ich fast durch. Ohne mein Umfeld hätte ich das niemals geschafft.»
Früh erfolgten in der Unterdruckkammer Gehversuche, stetig ging es aufwärts. Auch erwähnter Hüftspezialist staunt über die Entwicklung – «er strahlt jedes Mal, wenn er mich sieht. Und als ich ihm sagte, dass ich wieder über Hürden laufe, wollte er das fast nicht glauben».
Die EM in Zürich hat Zeltner verpasst, die Qualifikation wäre in der Februarverfassung Formsache gewesen. Nun steht die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro am Horizont, wobei die 1,84 Meter grosse, mit nahezu perfekten Hebeln ausgestattete Athletin auch die WM 2015 in Peking im Auge hat. Wohl wissend, wie weit der Weg dorthin ist, welche Fragezeichen es noch auszuräumen gilt.
«Ein Siebenkampf dauert zwei Tage. Es ist unklar, wie der Körper auf die Belastung reagieren wird.» Klar ist, dass sie keine Kompromisse eingehen will. Ihren Teilzeitjob hat die KV-Absolventin gekündet. Sie bezeichnet sich als «Profi ohne Einkommen, unterstützt wird sie von ihrer Familie und der Armee. «In meinem Fall gibt es nur die All-in-Variante. Ich habe eine zweite Chance erhalten – diese will ich nutzen.»