Markus Steiner: «Früher waren wir ein wilder Haufen, heute sind wir diszipliniert»
Anfang Mai finden die Schweizermeisterschaften im Deltafliegen in Brenzikofen statt. Gestartet wird auf der Falkenfluh. BERN-OST wollte wissen, ob es Mut braucht, sich über die Fluh zu stürzen, und wie es sich anfühlt, Richtung Stockhorn zu fliegen.
Das Delta-Team Falkenflue, der Schweizerische Hängegleiter-Verband SHV, die Gemeinde und der Ortsverein Brenzikofen organisieren vom 5. bis 7. Mai die Delta Club-Schweizermeisterschaften in Brenzikofen. Markus Steiner ist Präsident des Delta-Teams Falkenflue.
BERN-OST: Markus Steiner, wie sind Sie zum Delta segeln gekommen?
Markus Steiner (71): Das ist lange her, als die Dreiecke entstanden sind. Ich habe erstmals einen Delta-Segler in den 70er Jahren im Fernsehen gesehen. Ein NASA-Ingenieur stellte einen Flieger vor, das war im Zusammenhang mit der Gemini Kapsel. Als dann die ersten aufkamen, habe ich mir einen Delta-Flieger gekauft und das probiert. Das muss um 1974 gewesen sein. Seither hat sich der Sport stark entwickelt, heute ähneln sie eher einem Segelflieger, die auch viel weiter fliegen als früher.
Die heutigen Delta Flieger sehen deutlich schlanker aus als zu Beginn.
Ja, das stimmt. Früher hatte das Segeltuch eine Fläche von 25 Quadratmetern, heute sind es noch etwa 12 Quadratmeter. Das wurde immer mehr verfeinert und entwickelt. Auch vom Material her, heute gibt es starre und flexible Flügel.
Braucht es Mut mit einem Delta-Segler von einer Klippe zu starten?
Ja, damals schon, zu Beginn brauchte es schon Überwindung, weil man nicht wusste, was das hergibt. Die ersten Flugversuche machte ich aber nicht von einer Klippe, sondern von einem kleinen Hügel. Man musste es erstmal schaffen, abzuheben und in die Luft zu kommen, das war in den Anfängen nicht einfach.
Ein Start von der Falkenfluh ist immer noch speziell, es ist ein Klippenstart, den man nicht abbrechen kann. Man muss Vertrauen haben in die Sache, ins Material.
Wie häufig fliegen Sie heute noch?
Heuer war ich noch nicht in der Luft, das Wetter passte noch nicht. Im Sommer bin ich ein- bis zweimal pro Woche am Fliegen.
Wie schwierig ist Deltafliegen?
Eine Herausforderung ist das Starten und das Landen. Das Fliegen hat gegenüber dem Gleitschirm grosse Vorteile, man kann ausweichen, hat eine starre Konstruktion. Aber das Starten und Landen ist risikobehaftet.
Was für Vorteile hat der Delta gegenüber dem Gleitschirm?
Die Geschwindigkeit! Wir sind sehr schnell, wir erreichen Geschwindigkeiten zwischen 30 und 100 km/h. Somit kann man beispielsweise einem Gewitter ausweichen. Die Konstruktion ist heute stabil, sie verhindert, dass es den Schirm zusammenlegt. Es gibt aber auch Nachteile: Die Geräte sind schwer, einen Gleitschirm trägt man am Rücken. Man kann mit dem Delta-Flieger mit der Gondel hochfahren, aber es ist schon ein wenig umständlicher als ein Gleitschirm.
Wie lange dauert ein Flug?
Das ist unterschiedlich. Wir können von der Falkenfluh bis auf 2000 Meter aufsteigen. Wobei, mein Mittel liegt so um die zwei Stunden Flugzeit. Das reicht mir, danach lande ich wieder. In dieser Zeit fliege ich von der Falkenfluh via Stockhorn, Gurnigel bis Thun. Ich habe Kollegen, die fliegen von der Falkenfluh bis zum Vierwaldstättersee und zurück.
Woran erkennen Sie, wo es Aufwind gibt?
Man kennt die Orte und weiss, wo der Aufwind ist. Das hängt von der Topografie ab, es gibt gewisse Orte, die wir kennen. Zum Beispiel über Oberdiessbach und Herbligen ist gut oder sonst beim Campingplatz, dort gibt’s Thermik. Wenn man weiter fliegt, schaut man auf die Wolken oder auf die Instrumente. Man entwickelt mit der Zeit ein «Gspüri» dafür. Wenn es nicht klappt, geht man runter und landet.
Das ist kein Problem?
Nein, es gibt viele Stellen, wo man landen kann. Meistens wird man dort von jemandem abgeholt. In den Bergen ist das schwieriger oder im Ausland auch, da muss man vor dem Start schauen, wo ein Notlandeplatz wäre.
Wie gefährlich ist Deltafliegen?
Eine falsche Einschätzung der Wetterverhältnisse, wenn es turbulent wird, kann schon gefährlich werden. Auch, wenn man das Gelände nicht kennt und keine Landemöglichkeit findet. Früher gab es Materialbrüche, heute nicht mehr. Es braucht Respekt und einen konzentrierten Aufbau vor dem Start. In dieser Hinsicht hat sich schon einiges verändert. Früher waren wir ein wilder Haufen, heute sind wir diszipliniert.
Sind Sie noch nie abgestürzt?
Ich hatte schon einen Unfall, aber fast im Stehen, ich habe mir den Arm gebrochen, als ich gegen das Gestell gefallen bin.
Am 5. Mai findet die Schweizermeisterschaft statt, wie läuft so ein Wettbewerb?
Das ist eine Clubmeisterschaft, die Flüge werden gewertet. Es gibt virtuelle Bojen, die man anfliegt, dann wird die Zeit gemessen. Man kann das mit Live-Tracking verfolgen. Der Wettbewerb steht nicht im Vordergrund, es ist eher eine Meisterschaft, um das Deltafliegen attraktiv zu machen und den Sport zu promoten.
Zum Schluss, wie fühlt es sich an, wenn Sie von der Falkenfluh Richtung Gurnigel fliegen?
Es ist schon ein Gefühl von Freiheit, einfach frei zu fliegen, man hat nichts unter sich, hängt im Kokon und fliegt wie ein Vogel. Da kommen Glückgefühle auf. Wenn man lautlos durch Wolken fliegt, das ist schon unbeschreiblich. Auch nach der Landung, wenn alles gut ging, fühlt sich das jeweils sehr gut an.
[i] Die Delta Club-Schweizermeisterschaft findet vom 5. bis 7. Mai in Brenzikofen statt. Verschiebedatum: 12. – 14. Mai 2023.