Rücktritt Gemeinderat Markus Lädrach: "Ich war kein vorbildlicher Familienvater"
Der abtretende Gemeinderat Markus Lädrach (FDP) erzählt im Interview, warum er lieber Unternehmer ist als Gemeindepräsident, bei welchen Gelegenheiten er als Gemeinderat "in den Tisch beissen" musste und warum es nicht ganz stimmt, dass er "alles unter einen Hut bringt".
BERN-OST: Herr Lädrach, als Sie vor neun Jahren im Worber Gemeinderat das Finanzdepartement übernommen haben: Was wussten Sie da über öffentliche Finanzen?
Markus Lädrach: Von meinem Vorgänger Jonathan Gimmel bekam ich die Schlüssel in die Hand gedrückt und musste selber schauen. Natürlich sind mir als Unternehmer Zahlen und Finanzen nicht fremd. Aber ich brauchte ein, zwei Jahre, um die Eigenheiten von Gemeindefinanzen zu verstehen. Ein Buchhalter bin ich immer noch nicht, sondern eher der Mann fürs Grobe, für den Überblick. Was die Details und Zahlen angeht, hatte ich immer Abteilungsleiter Jonas Weil, der mir half und alles erklärte. Das ist wie in der Firma: Meine Leute wissen oft mehr als ich.
Hätten Sie lieber ein anderes Departement gehabt?
Am Liebsten den Bau, ja. Aber Ernst Hauser hatte das damals schon viele Jahre gemacht und wollte es behalten. Da gilt das Senioritätsprinzip, dass ich Bauingenieur bin, spielte keine Rolle. Auch die Planung hätte mich interessiert, aber die ist beim Gemeindepräsidenten.
Der Worber Post haben Sie gesagt, eine Kandidatur fürs Gemeindepräsidium komme für Sie nicht in Frage. Warum eigentlich nicht?
Das war zu allen Wahlen wieder Thema. Bei uns in der FDP wäre ich sicher eine geeignete Person, um das Präsidium anzugreifen. Ich habe aber immer abgesagt. Ich bin Unternehmer und habe dort viel Freiheit, kann auch einmal ein Risiko eingehen. In der Politik geht mir vieles zu langsam. Ich sage nicht, das sei nicht gut, Das ist halt die partizipative Demokratie. Aber ich persönlich musste schon als Gemeinderat oft „in den Tisch beissen“ und würde mich als Präsident eingeengt fühlen. Aber ja, ich hatte schon immer auch ein Auge auf den Planungsgeschäften und musste zuschauen, wie einiges immer mehr in "Hinderlig" geriet.
Ist das eine Kritik an Gemeindepräsident Gfeller?
Die Langsamkeit ist sicher im System begründet, aber schon auch in der aktuellen Führung. Das eine oder andere hätte ich anders gemacht.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Zum Beispiel im Worbboden. Den hat der Kanton als Enwicklungsschwerpunkt definiert, man redete von ein paar Tausend Arbeitsplätzen, die dort entstehen sollten. Passiert ist kaum etwas. Für den Kanton hatte Worb wohl keine Priorität, Worb dagegen hat sich auf den Kanton berufen und abgewartet. Da wäre ich aktiver vorgegangen, hätte mehr Bewegung oder Zugeständnisse vom Kanton eingefordert und den Kontakt gesucht zu Unternehmen. Ansiedelung erfolgt nicht von allein, das muss man aktiv angehen.
Sie mussten als Finanzvorsteher oft gegen Ihre Partei FDP argumentieren, etwa Defizite verteidigen oder die Steuern anheben. Hat die Arbeit als Gemeinderat Ihre politische Haltung verändert? Ich denke dabei zum Beispiel gerade an die Steuerpolitik.
Was sich verändert hat, ist meine Einstellung der Verwaltung gegenüber. Mittlerweile weiss ich, dass die meiste Arbeit dort auf „Bestellung“ aus der Politik erfolgt. Es sind meistens Wünsche aus der Bevölkerung und von den Parteien, die umgesetzt werden. Oft sogar die Wünsche von denen, die dann über die ineffiziente Verwaltung schimpfen. Da muss ich die Leute schon in Schutz nehmen.
Diese Diskussion führte ich etwa im Gewerbeverein immer wieder. Wenn ein neues Reglement her muss, muss das natürlich in jeder Hinsicht „verhäbe“, das braucht Zeit und Ressourcen und geht eben nicht so leichtfüssig, wie man sich das vielleicht vorstellt. Wenn es um Steuerpolitik geht, bin ich immer noch in erster Linie Unternehmer und stimme entsprechend ab. Ich schaue mir aber genau an, wer von Steuererleichterungen profitiert oder durch Verschärfungen benachteiligt wird, ob es nur die ganz grossen Firmen betrifft, oder auch die KMU.
Sie haben vorhin erzählt, was Sie geärgert hat und was schwierig war als Gemeinderat. Was war das Schöne?
Die Aufgabe als solche, die Zusammenarbeit im Gemeinderat, die fast immer konstruktiv war, das nah dran sein an Informationen, die Herausforderungen auch und das Mitgestalten. Ein schönes Budget zu präsentieren ist natürlich angenehm. Aber ein Budget ist nicht wegen mir gut oder schlecht. Mich hat immer das Ganze interessiert.
Sie haben bei Ihrem Abschied im Grossen Gemeinderat und in der Worber Post von „Work-Life-Balance“ geredet. Von Ihrem Kollegen Michael Suter wurden Sie gelobt als einer, der alles unter einen Hut kriegt. Wie gut ging das wirklich? Wie oft haben sie etwa Ihre Kinder gesehen?
Als ich Gemeinderat wurde, waren sie schon erwachsen. Aber ja, für mich hatten Arbeit und Politik immer einen hohen Stellenwert und da hat die Familie darunter gelitten. Wir haben heute ein gutes Verhältnis, aber ich bin sicher nicht der präsente, vorbildliche Familienvater, von dem man später schwärmt.
Machen Sie auch deshalb nicht mehr weiter als Gemeinderat?
Nein, das ist nicht der Grund. Ich war in meinen Entscheidungen schon immer recht egoistisch und habe wenig Rücksprache genommen mit meiner Familie. Es ist eher so, dass ich schon letztes Mal contre coeur nochmal kandidiert habe. Ich bin jetzt 60-jährig, spüre den körperlichen und pychischen Verschleiss und freue mich darauf, etwas freier zu sein, vielleicht mal wieder am Samstagmorgen nach Bern auf den Markt zu gehen.
Bei Ihrem Abschied haben Sie gesagt, sie wollten wieder fitter werden. Sie wirken schon jetzt recht sportlich. Wie fit wollen Sie denn werden?
Ich bin früher Marathons gelaufen, war ein sehr aktiver Hobbysportler. Darum geht es jetzt weniger. Ich habe keine sportlichen Ziele. Aber meine Gelenke bocken und ich möchte wieder beweglicher werden und gesund bleiben. Meinem besten Freund habe ich versprochen, ab Januer wieder regelmässig ins Fitness zu gehen.
Also keinen Marathon mehr?
Nein, alles hat seine Zeit, und die ist wohl vorbei.
Haben Sie eine Abschiedsbotschaft an die Worber:innen?
Ja, die habe ich. Ich wünsche mir, dass sich mehr Leute politisch engagieren. Zum Beispiel hat der Grosse Gemeinderat sich gegen seine Verkleinerung ausgesprochen. Es ist aber immer schwierig, Leute zu finden für GGR und Kommissionen, vor allem solche, die sich längerfristig engagieren.
Werden Sie sich weiter engagieren?
Zurzeit mehr für die Branche als für die Politik, dort bin ich in der Ausbildung und in Verbänden aktiv. Weitere Posten suche ich nicht. Da werden Angebote kommen, aber es muss dann schon richtig passen.