Lindental/Boll - Eine Brücke trennt Welten

Für 28 Vorstellungen wird in Lindental ein Waldrand jeweils zur Bühne für eine Freilichtaufführung des Theaters Chardonnez. Bei der Inszenierung von «Hin und Her» geht es um Landes- und andere Grenzen, um Vorschriften – und um die Liebe.

Ursula Grütter, Berner Zeitung BZ

Ein Stückchen Schweden mitten im Lindental: Das findet man bei Peter Glatz. Der Schreiner und Schauspieler ist ein grosser Fan von skandinavischem Ambiente und hat sich vor Jahren ein Blockhaus auf sein Grundstück am Waldrand geholt. «Es stand im Entlebuch zum Verkauf, und da musste ich einfach zugreifen», sagt er dazu. Seit kurzem steht auf der Fläche beim Bach nicht nur das kleine Haus, der Ort ist zum Grenzübergang zwischen Schweden und Norwegen mutiert: in der Freilichtaufführung des Theaters Chardonnez. Die beiden anwesenden Grenzwächter schreiben das Jahr 1954 in ihre dicken Kontrollhefte. Vorschriften werden hüben und drüben strengstens eingehalten, zumindest wenn sie nicht gerade persönlichen Anliegen im Wege stehen.

Disput an der Grenze

«Die Grenze kann sich auf mich verlassen», sagt denn auch Grenzwächter Malte Ingvarsson am Samstagabend. Gespielt wird er von Laurenz Suter. Das 120-köpfige Publikum hört ihm gespannt zu. Hier, in der Nähe des Waldes, ist von der Hitze weniger zu spüren. Dazu trägt auch der unter der Zuschauertribüne durchführende Bach bei. Und hier zeigt sich, dass das Ensemble Chardonnez mehr als eine Gruppe schauspielfreudiger Fantasten ist. Über siebzig Helferinnen und Helfer haben mitgewirkt, um aus dem Platz ein Freilichttheater zu machen. Unter anderem wurden 36 Baumstämme zu einer Tribüne zusammengefügt. Selbst ein eigenes Bier können die Veranstalter anbieten, das «Hogli-Ol».

Berndeutsch in Reinform

Ein Bier kann zwar die harten Plätze auf den bereitgestellten Kirchenbänken etwas weicher erscheinen lassen, eine gute Darbietung macht es indes noch nicht aus. Den Applaus holen sich die acht Darsteller am Samstag durch ihre überzeugende Gesamtleistung. Es sind gestandene Laiendarsteller, die das Publikum nicht zuletzt wegen ihres Umgangs mit der Sprache in ihren Bann ziehen. Zwar hat der Autor Ödön von Horváth das Stück «Hin und Her» in Deutsch geschrieben. Gesprochen wird jedoch in einem behäbigen, ländlichen Berndeutsch. Darauf legte neben Regisseur Dominique Saner auch das ganze Schauspielteam Wert. «Dieses rau klingende Berndeutsch passt perfekt zum ländlichen Ort im Stück», sagt Peter Glatz. Zurück zu den Bewohnern des Grenzortes. Die Fahnen sind gehisst, und auf der Brücke zwischen den beiden Ländern steht Finn Hogli, dargestellt von Peter Glatz. Der Mann soll aus Schweden ausgeschafft werden, dies nachdem er über dreissig Jahre in diesem Land gearbeitet und Steuern bezahlt hat. Das hält er den Grenzbeamten und dem Polizeikommandanten vor. Doch jetzt ist er mit seiner Drogerie pleitegegangen. Und da sei nun halt der Staat zuständig, in dem man geboren sei, Leben hin oder her, lässt man ihn wissen. Stimme so nicht ganz, kontert der Grenzbeamte auf der norwegischen Seite und unterstreicht dies mit fein säuberlich niedergeschriebenen Vorschriften. Hogli bleibt im Niemandsland auf der Brücke stecken und wird von Waldgeistern und einer Wirtin betreut. Während die Grenzbeamten in ihm ein Subjekt sehen, wird er zum Liebesbrief auf Füssen, gerät in einen Familienkonflikt, wird aber als Mann auch heiss begehrt.

Leichtfüssig und emotional

«Hin und Her» in der berndeutschen Fassung von Laurenz Suter ist eine leichtfüssige Geschichte zu einem hochemotionalen Thema. Es ist ein Stück zum Lächeln, ein Stück geprägt von träfem Humor. «Ich dementiere», sagt der Ministerpräsident, «Ich weiss von nichts», der Grenzwächter.

[i] «Hin und Her» wird noch bis am 8. August gespielt (25 Aufführungen). Informationen unter www.theater-chardonnez.ch.
[i] Vorverkauf: Gemeinde Vechigen, dazu Abendkasse vor Ort.


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Erstellt: 06.07.2015
Geändert: 06.07.2015
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