Linden - 19 Verletzte – fuhr der Militärlaster zu schnell?

Aus noch zu klärenden Gründen geriet zwischen Linden und Jassbach ein Militärlastwagen von der Strasse ab und stürzte um. 19 Armee­angehörige wurden verletzt, 2 davon schwer.

Stefan Kammermann / Janine Zürcher, Thuner Tagblatt

Der Unfall ereignete sich am Montagmorgen kurz nach 7.30 Uhr: Ein Militärlastwagen, in dem 17 Rekruten und 2 Unteroffiziere von der Kaserne Jassbach nach Thun zu einer Schiessausbildung unterwegs waren, kam auf der Höhe des Kieswerks Stucki in Linden von der Strasse ab, überschlug sich und blieb seitlich im Feld liegen.

 

Armeesprecher Daniel Reist bestätigte den Vorfall: «Zwei Armeeangehörige wurden schwer verletzt, der eine am Rücken, der andere am Kopf.» Letzterer wurde von der Rega ins Spital geflogen, wie der später versendeten Medienmitteilung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zu entnehmen ist. Auch den am Rücken Verletzten flog die Rega ins Spital. «Vier weitere Armeeangehörige sind mittelschwer, die restlichen 13 leicht verletzt», sagte Reist weiter. Sie wurden mit mehreren Ambulanzen in die Spitäler Thun, Langnau und Münsingen überführt.

 

Im Einsatz standen nebst zwei Rega-Helikoptern und den Ambulanzfahrzeugen die Kantonspolizei Bern, die Militärpolizei und die Feuerwehren von Linden, Steffisburg und Thun. Die Hauptstrasse zwischen Linden und Jassbach war bis zum Mittag gesperrt, der Verkehr wurde umgeleitet.

 

«Mit hoher Geschwindigkeit»

Die Spuren des Unfalls waren vor Ort deutlich zu sehen. «Der Lastwagen geriet aufs Wiesland und machte einen Schlenker», sagte ein Einheimischer, der in der Nähe des Unfallortes wohnt. Die Erde sei dort aufgeweicht, sagte er weiter.

 

Einem weiteren Mann, der seinen Namen ebenfalls nicht namentlich in der Zeitung lesen möchte, ist schon seit längerem aufgefallen, dass Militärfahr­zeuge auf dieser Strecke jeweils mit einer hohen Geschwindigkeit unterwegs seien. Dies hatte etwa in der Vergangenheit zu Unfällen von Militärfahrzeugen geführt.

 

Unfallhergang ist noch offen

Ob der Lastwagen mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war und deshalb von der Strasse abkam, ist nicht klar. «Der Unfallhergang ist derzeit noch völlig offen und Gegenstand der laufenden Abklärungen», sagte Stefan Hofer, Mediensprecher der Armee, am Montag vor Ort.

 

Auch die Frage, ob ein Ausweichmanöver stattgefunden hat, ist derzeit nicht geklärt. Sicher ist jedoch, dass die Armeeangehörigen im hinteren Teil des Lastwagens ungesichert mitfuhren – Ladebrücken in Armeelastwagen verfügen nicht über Sicherheitsgurten (vgl. Kasten «Gurtenpflicht im Militär»).

 

Die Betroffenen, die Unfallhelfer sowie auch die weiteren Armeeangehörigen der Rekrutenschule (RS) für Elektronische Kriegsführung (EKF) in Jassbach würden bis auf weiteres psychologisch betreut.

 

RS läuft weiter

Erst vor wenigen Wochen, am 25. Juni, haben die betroffenen Rekruten ihre Funkaufklärer-Ausbildung in der Kaserne Jassbach, die rund zwei Kilometer vom Unfallort entfernt liegt, begonnen. Am Steuer des Unfallfahrzeugs sass ein Fahrer, der kurz vor Abschluss seiner RS-Zeit steht. «Er hatte die Ausbildung als Motorfahrer abgeschlossen», erklärte VBS-Mediensprecher Stefan Hofer (vgl. Kasten «Ausbildung und Ausweis»).

 

Wie Hofer weiter ausführte, wird die RS in Jassbach normal weitergeführt. Seien allfällige Konsequenzen aufgrund der laufenden Abklärungen nötig, würden diese gezogen. Stefan Hofer lobte den raschen und gut funktionierenden Einsatz der beteiligten Rettungskräfte.

 

Der militärische Untersuchungsrichter hat seine Arbeit zur Ermittlung des Unfallhergangs aufgenommen. 

 

 

Gurtenpflicht im Militär

Für den militärischen Strassenverkehr gelten die zivilen Verkehrsregeln, soweit die Verordnung über den militärischen Strassenverkehr keine Ausnahmen oder Ergänzungen vorsieht. Von den Ausnahmen darf laut Verordnung nur Gebrauch gemacht werden, «wenn militärische Bedürfnisse es erfordern und die nötigen Sicherheitsmassnahmen sowie Vorkehrungen im Interesse des übrigen Verkehrs getroffen worden sind. Dies ist jedoch ausgeschlossen auf Autostrassen und Autobahnen.» «Grundsätzlich gilt die Gurtenpflicht für sämtliche Armeefahrzeuge», sagt Armeesprecher Daniel Reist auf Anfrage. Mit einer grossen Ausnahme: «Die Ladebrücken von Armeelastwagen sind nicht mit Gurten ausgerüstet», so Reist. Auf der Ladebrücke dürften Personen nur mitgeführt werden, wenn sie durch genügend hohe Seitenwände geschützt seien. Stehen und hinauslehnen sowie sitzen auf Seiten- und Rückwänden sei verboten. Die auf der Ladebrücke mitfahrenden Personen müssten ab Kabinenstirnwand in Viererkolonnen sitzen. Und: «Wenn Sitzbänke fehlen, sind Gepäck und Material so zu verladen, dass sie der Truppe als Sitzgelegenheiten dienen». Die aufgesessenen Personen müssten dabei das Sturmgewehr zwischen den Knien (Lauf gegen unten) halten. 

Wird nun die Gurtenpflicht auf Armeelastwagen zum Thema? «Gurten auf Ladebrücken von Lastwagen stellen eine technische Herausforderung dar, deshalb ist das im Moment nicht geplant», so Reist, «wir werden die Lage aber jetzt analysieren.» Übrigens seien die Armee-eigenen Mercedes Sprinter und die revidierten Duro mit Gurten ausgerüstet. (sgt)

 

Ausbildung und Ausweis

«Wer im Militärdienst oder während der ausserdienstlichen militärischen Tätigkeit Militärfahrzeuge fährt, benötigt eine militärische Fahrberechtigung. Sie ist in den zivilen Führerausweis integriert und nur mit diesem gültig. Zivile Auflagen gelten auch für den militärischen Bereich»: Das bestimmt die Verordnung über den militärischen Strassenverkehr. Angehörige der Armee werden laut dieser Verordnung zur Ausbildung als Fahrzeugführer nur zugelassen, wenn sie unter anderem den «medizinischen Mindestanforderungen» genügen und die Eignungsprüfung für Fahrzeugführer bestanden haben. Wurde den Anwärtern der zivile Ausweis in den letzten zwei Jahren für mehr als drei Monate wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand oder unter Betäubungsmitteleinfluss entzogen, werden sie als Armeefahrzeugführer nicht zugelassen. Die theoretischen und praktischen Führerprüfungen werden von militärischen Verkehrsexperten abgenommen. Zu Beginn jeder Dienstleistung müssen die Fahrzeugführer aller Kategorien eine funktionsbezogene Repetitionsausbildung absolvieren. (sgt)


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Erstellt: 16.07.2018
Geändert: 16.07.2018
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