Leichtathletik - Urech sieht nun Perspektiven

Die Stettler Hürdensprinterin hat sich nach ihrer Hüftoperation wieder aufgerappelt.

Jörg Greb / Der Bund
Gestern musste sich Lisa Urech ans Gehen mit Krücken erinnern, sich zurückversetzen in die Zeit nach der Operation und demonstrieren, wie sie sich damals bewegte. «Mega fies», sagte sie und lachte. Die Hürdensprinterin und beste Schweizer Leichtathletin hatte zu einem Medientermin in den Laufkorridor des Berner Wankdorfstadions geladen. Sie wollte über ihre Gefühle in den letzten Monaten, ihr Tun auf dem Weg zurück und ihr aktuelles Befinden informieren.

Rückblende in die letzte Sommersaison. Da begleiteten Lisa Urech nicht nur Glanzresultate und ein grandioser Rekordlauf von 12,62 Sekunden in die Weltklasse. Da waren auch ständige Schmerzen, und diesen wollte die 22-Jährige entgegentreten. Sie entschied sich für einen operativen Eingriff. Am 11. Oktober nahm sich Vertrauensarzt Roland Biedert des Labrumrisses an, diesem faserknorpligen Rand, der die Hüftgelenkspfanne umgibt.

Gebremster Bewegungsmensch

Als «schlimm» empfand sie die ersten Wochen nach der Operation. «Alles schmerzte, und ich konnte nicht einmal die Socken selber anziehen», sagt Lisa Urech. Sie habe einfach «nid möge». Die Krücken waren ständige Begleiter. Sie, der Bewegungsmensch, verwünschte diese nicht selten. Aber ihr Befinden besserte sich. Und im engen Dialog mit Verbandsphysiotherapeut Daniel Troxler (er betreut auch Viktor Röthlin) widmete sie sich der Rehabilitation. «In den Wochen 1 bis 6 war ich nur mit den Krücken unterwegs», erinnert sie sich. Behutsam tastete sie sich wieder an Bewegungsabläufe heran. Schritt für Schritt ging es vorwärts.

Bis Schmerzstufe 3

«Du darfst die Schmerzstufe 3 in einer Skala von 0 bis 10 nie überschreiten», sagte Troxler. Urech hielt sich strikt daran. Dreimal pro Woche fuhr sie nach Biel zu Troxler, täglich übte sie selbstständig. Stunden summierten sich. Aber sie empfand keinen Stress. Gedanklich und terminlich hatte sie sich die Zeit freigeschaufelt. Und immer öfter fand sie Gelegenheit für das, was in ihrem Spitzensportleralltag verloren geht: daheim sein (in Stettlen bei Bern), die Familie, Freunde treffen, am Tisch sitzen und diskutieren, sich erholen, eine TV-Serie gucken, ein Buch lesen, Guetsli backen.

Sportlich machte sie die gewünschten Fortschritte. Viele Übungen zielten darauf ab, die Körperstabilität vor allem im Rumpfbereich zu verbessern. «Indem ich die Muskulatur auf die nächsten Herausforderungen vorbereitete, gewann ich Sicherheit», sagt sie. Ab Woche 7 wagte sie erste Schritte ohne Krücken. Unter dem geschulten Auge Troxlers ging es darum, das Gewicht auf die Hüfte stetig zu steigern, gleichzeitig aber jegliches Wanken und/oder Ausweichen zu vermeiden. «Wir mussten auch zurückbuchstabieren, weil die Reaktionen zu gross waren», sagt Troxler. Anspruchsvolle Übungen auf beweglichen Unterlagen (Balancebrett) folgten. Und Troxler staunte: «Sehr, sehr konsequent ist Lisa an der Arbeit.» Sprünge, vor-, seit- und rückwärts gehören mittlerweile ebenso zum Aufbauprogramm wie Jogging auf dem Laufband (zweieinhalb bis fünf Minuten). Es handelt sich um intensive körperliche Arbeit mit möglichst differenzierten Reizen. «Jetzt ist das Fundament wieder aufgebaut, jetzt kommen wir dem hürdenspezifischen Training immer näher», sagt Troxler. Wieder intensiver geworden ist dadurch der Kontakt zu Urechs deutschem Trainer Sven Rees. Regelmässig tauschen Troxler und Urech ihre Empfindungen und Erfahrungen mit Rees aus.

Olympia im Blickfeld

«Wenn es auch in den kommenden Wochen optimal aufwärtsgeht, kann Lisa im Februar mit einem normalen Aufbau beginnen», sagt Troxler. Das motiviert Lisa Urech. Sie strahlt. «Die Olympischen Spiele in London sind zurück in meinem Blickfeld», sagt sie. Und der Gedanken an Olympia scheint realistisch. «Lisa hat Zeit, da besteht kein Zeitdruck», sagt Troxler. In sechs Monaten und einer Woche haben die Spiele begonnen. Und etwas ist bereits erreicht. Troxler ist überzeugt: «Die Investitionen in die Stabilisation bietet eine zusätzliche Chance.»

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Erstellt: 21.01.2012
Geändert: 21.01.2012
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