Laufsport - In Röthlins Spuren

Maja Neuenschwander will am Tokio-­ Marathon am Sonntag neuerlich Schweizer Rekord laufen. Die Wahl der Des­tination hat mit einem überaus erfolgreichen Landsmann zu tun.

Micha Jegge, Berner Zeitung BZ

Langstreckenlaufen in Japan ist wie Langlaufen in Norwegen. Die Wettkämpfe locken die Massen aus den Häusern, die besten Athleten werden verehrt. Bietet sich den Hobbysportlern die Chance, aktiv am Geschehen teilzunehmen, wird diese genutzt. Wie hoch das Interesse ist, offenbart das Beispiel des Tokio-Marathons vom Sonntag: 36 500 Startplätze wurden von den Organisatoren vergeben, auf rund 300 000 bezifferte eine Tageszeitung die Anzahl der Bewerber.

Maja Neuenschwanders Reise nach Fernost hat nur bedingt mit Dimension und Anziehungskraft der Veranstaltung zu tun. Hauptgründe seien der frühe Zeitpunkt und der schnelle Parcours, hält die Bernerin fest. So bleibt ihr nach der Rückkehr aus Tokio genügend Zeit für Regeneration und Wiederaufbau im Hinblick auf Europameisterschaft und Olympische Spiele. Der Beleg für Punkt zwei findet sich in den Rekordlisten von Swiss Athletics. Viktor Röthlin stellte seine Bestmarke von 2:07:23 Stunden im Februar 2008 auf, als er in Tokio triumphierte, den prestigeträchtigsten Erfolg fernab internationaler Titelkämpfe realisierte.

Ohne Tempomacher

Es war denn auch der Obwaldner, welcher Neuenschwander mit den Eigenheiten japanischer Marathons sowie der Charakteristik der Strecke vertraut machte. So erfuhr die 36-Jährige aus Rubigen, dass ihr während des gesamten Aufenthalts ein ausschliesslich ihr zugeteilter, Englisch sprechender Helfer zur Verfügung steht. Was die Strecke anbelangt, gilt es die ersten wie die letzten fünf Kilometer zu beachten. Beginne das Rennen mit leichtem Gefälle, werde sie «am Schluss beissen müssen»; im letzten Abschnitt gibt es mehrere Brücken zu passieren.

Ziel sei, ihren Bestwert zu unterbieten, erwidert Neuenschwander auf die entsprechende Frage. Es handelt sich um eine überaus offensive Vorgabe, hat die Bernerin doch erwähnte Marke vergangenen Herbst in Berlin bereits um fast drei Minuten gesenkt. Sie wurde in 2:26:49 Stunden gestoppt, darf sich seither Landesrekordhalterin nennen. Kommt dazu, dass Neuenschwander erstmals einen grossen Stadtmarathon ohne persönlichen Tempomacher bestreiten wird. Japan ist nicht Europa, die Reise lang und intensiv. Da fällt es schwer, geeignete Athleten zu finden – zumal diese fähig sein müssen, die 42,195 Kilometer mit dem nötigen Tempo zurückzu­legen.

Mit Startgeld

Begleitet wird die schnellste Schweizerin von Beat Aesch­bacher, dem Mann der ehema­ligen 800-Meter-Spezialistin Sandra Gasser; das Ehepaar hat aus Neuenschwander eine Athletin von erweitertem Weltklasseformat gemacht. Unkosten fallen keine an, dem Auftritt in Berlin sei Dank. Die Bernerin hat, weil sie das Ziel unter 2:28 Stunden erreichte, das Gold-Label des Weltverbandes erhalten. Flug und ­Hotel werden für zwei Personen offeriert, dazu gesellt sich ein Startgeld im tiefen fünfstelligen Bereich. Für helvetische Leichtathletikverhältnisse ist das eine schöne Summe. Neuenschwander, die im 50-Prozent-Pensum als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesamt für Sport arbeitet, sagt denn auch, sie sei froh, komme mal etwas ­zurück.

Japan ist Neuland, Maja Neuenschwander darob keineswegs nervös. Sie wirkt gelassen, sagt, die Leistung von Berlin habe ihr Sicherheit verliehen. Die Massen am Strassenrand werden sie kaum beeindrucken, jene auf der Strasse trotz fehlender persönlicher «Schutzschilder» kaum beeinträchtigen. Röthlin betonte oft den Anstand der Asiaten und hielt gegen Ende seiner Karriere fest, er sei nirgendwo in so wenige Rempeleien verwickelt worden wie in Japan.


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Erstellt: 23.02.2016
Geändert: 23.02.2016
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