Landiswil - Vom Mont-Blanc nach Landiswil

Normalerweise wird in der Kiesgrube Chratzmatt oberhalb von Landiswil Kies abgebaut. Doch der Ort hat auch in biologischer und geologischer Hinsicht einiges zu bieten. Dies zeigte eine Exkursion am letzten Freitag.

Adrian Schmid, Wochen-Zeitung
Oberhalb von Landiswil auf rund 900 Metern über Meer liegt die Kiesgrube Chratzmatt. Bei einem Blick in die Kiesgrube hinein erkennt man sofort die unterschiedlichen Gesteinsschichten. «Das sind Deltaablagerungen, wie wir sie auch bei der Mündung der Kander in den Thunersee vorfinden», kommentiert Professor Christian Schlüchter von der Universität Bern. Ergo musste es auch hier einst einen See gegeben haben. Ein See zuoberst auf einem Emmentaler Hügel? Vorstellen kann man sich das aus heutiger Sicht nur schwer. Schlüchters Erklärungen, wie es während der grössten Eiszeit vor rund 780'000 Jahren zur Bildung eines sogenannten Eisrandsees kam, sind aber äusserst spannend und plausibel. Nördlich und südlich gab es damals zwei grössere Gletscher. Dazwischen bildete sich ein Staussee. Die Schmelzbäche brachten Sedimentgesteine in den See. Irgendwann verschwand jedoch auch der See unter den Eismassen. Dies verdeutlicht die Grundmoräne, welche heute ganz zuoberst in der Grube erkennbar ist. Am Ende war die Eisdecke über der gegenwärtigen Chratzmatt bis zu 300 Meter dick. In der Region ragte gerade noch der Napf aus dem Gletscher empor.

Rhone-Gletscher im Emmental

Die Eismassen stammten, und das ist für den Laien wiederum erstaunlich, vom Rhone-Gletscher. Schlüchter kann dies auch gleich vor Ort beweisen. Der Geologe zeigt Findlinge, also grössere Gesteinsbrocken, welche vom Gletscher mittransportiert wurden. So gibt es in der Chratzmatt Mont-Blanc-Granite oder Brocken aus dem Mattertal.

Die Kiesgrube ist aber nicht nur für Geologen ein Paradies. Auch der Biologe ist hier in seinem Element. Vor allem für Amphibien ist dieser Ort ein idealer Lebensraum. So erstaunt es nicht, dass ausgerechnet in der Chratzmatt eine der grössten Populationen der seltenen Geburtshelferkröte, welche im Volksmund auch Glögglifrösch genannt wird, zu finden ist.

Die Männchen rufen den Weibchen

«Im Emmental gibt es nur drei Orte, wo man über zwanzig verschiedene Männchen hören kann. Die Chratzmatt ist einer davon», erklärt Beatrice Lüscher von der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (KARCH), währenddessen im Hintergrund der natelartige Rufton des Glögglifröschs deutlich zu hören ist. «Es rufen nur die Männchen. Damit locken sie die Weibchen an», so Lüscher weiter. Die Kiesgrube beheimatet aber auch andere Amphibien wie Erdkröten oder Grasfrösche.

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Erstellt: 01.05.2003
Geändert: 01.05.2003
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