Landiswil - Samuel Wittwer kämpft gegen den Anti-Stadt-Reflex
Der Gemeinderat von Bowil will vom Verwaltungskreis Bern-Mittelland ins Emmental wechseln. Sein Pendant in Landiswil sieht dies fundamental anders. Wieso eigentlich?
Aber der Friedensvertrag vom Murifeld erwies sich als Papiertiger. Wenige Wochen später wurde Leuenberger verraten und nach Bern ausgeliefert. Dort erhielt der «Emmentaler Bauernkönig» sein Todesurteil. Vierteilung: die Hinrichtungsmethode für Hochverrat. Die Stadtherren liessen seine Körperteile vor den Toren Berns aufhängen — als Mahnmal.
Land versus Stadt
Verraten wurde Leuenberger der Legende nach auf Landiswiler Gemeindeboden. Noch heute erinnert ein Gedenkstein an den Helden alter Tage. Für Samuel Wittwer (parteilos), Gemeindepräsident von Landiswil, hat Leuenbergers Geschichte noch immer ihre Aktualität. «Der Anti-Stadt-Reflex ist nach wie vor in den Köpfen», sagt Wittwer nachdenklich. «Ich beobachte diese Vorbehalte gegenüber der Stadt nirgends so stark wie im Emmental.»
In Zürich höre man die Landgemeinden selten über die Stadt klagen. In Bern hingegen sei dies Volkssport. Und glaubt man Wittwer, ist diese Abwehrhaltung auch der Nährboden, welcher momentan die «Wechselgelüste» der Nachbargemeinde Bowil begünstigt.
Letzte Woche wurde bekannt, dass eine Mehrheit der Bowiler Bevölkerung vom Verwaltungskreis Bern-Mittelland ins Emmental wechseln will. 83 Prozent folgen damit der Empfehlung ihres Gemeinderats. Als Kleingemeinde werde man im Gremium der Regionalkonferenz nicht ernst genommen, und das Geld werde überall dort ausgegeben, wo es einem nichts bringt: So argumentierte Bowils Gemeinderatspräsident Moritz Müller (SVP) an einem Infoabend.
Samuel Wittwer widerspricht dieser Aussage fundamental: «Es gibt keine namhaften Gründe, die für einen Wechsel sprechen.» Dafür viele Argumente dagegen. «Jene Gemeinden, die uns am nächsten stehen, sind alle Teil des Verwaltungskreises Bern-Mittelland», sagt Wittwer und beginnt aufzuzählen: «Die Kirchgemeinde teilen wir mit Biglen, beim Sozialdienst und bei der Spitex sind wir Konolfingen angeschlossen, die Oberstufe geht in Arni in die Schule, und auch die Feuerwehr haben wir gemeinsam mit drei Gemeinden aus dem ehemaligen Amt Konolfingen. Ein Bruch würde diese Zusammenarbeit unnötig erschweren.»
Wittwer erwähnt es immer wieder: das ehemalige Amt Konolfingen. «Mit diesen Gemeinden verbindet uns wahnsinnig viel.» Orte wie Konolfingen oder Grosshöchstetten orientieren sich Richtung Bern. Bestes Beispiel: die Pendlerzüge am Morgen. Ein Sonderzug à la Bowil zu fahren, kommt für Wittwer deshalb nicht infrage: «Wir sollten stolz sein, Mitglied dieses Wirtschaftsraums Bern zu sein.» Nur wenn Stadt und Land am selben Strick ziehen, kann der ganze Kanton Bern vorwärtskommen, ist Wittwer überzeugt.
Im Herzen Emmentaler
Ihre Identität verleugnen müssen die Landiswiler deshalb nicht. «Mental und topografisch sind wir Emmentaler», stellt Wittwer klar. Aber welchem Kreis sich eine Gemeinde anschliesse, sei lediglich ein verwaltungstechnischer Belang, so Wittwer. «Für den Bürger ändert sich nichts. Ein Wechsel würde nur Kosten verursachen. Wir haben wichtigere Probleme zu lösen.» Bevölkerungszahl, Bildung, Infrastruktur: Das sind die kritischen Punkte für die Gemeinde. «Für diese Herausforderungen brauchen wir starke Partner.» Diese Partner will sich Landiswil im Westen, Richtung Stadt, suchen.
Die Wechselwilligen
In Bowil ist die Marschrichtung klar: Raus aus dem Verwaltungskreis Bern-Mittelland, hinein ins Emmental. Federführend ist Gemeinderatspräsident Moritz Müller. «Wir diskutieren nicht auf Augenhöhe, werden nicht als gleichwertiger Partner wahrgenommen», sagt Müller zu den Gründen.
Ins gleiche Horn geblasen wird in der südlichen Nachbargemeinde Bowils, in Linden. Sie wollen in den Verwaltungskreis Thun wechseln. Auch in Landiswil gibt es Exponenten, die mit einem Wechsel symphatisieren. Der Prominenteste: SVP-Grossrat Werner Moser.
«Wir müssen uns Gedanken machen, was für den einzelnen Bürger am besten ist», so Moser. Er und andere Befürworter spekulieren, dass ein Kreiswechsel auch eine Umteilung bei der Krankenkassen-Prämienregion mit sich zieht. Nachfragen beim zuständigen Bundesamt für Gesundheit zeigen aber, dass diese Hoffnung auf wackeligen Beinen steht.