Landiswil - Eine Landiswilerin schaut vorwärts

Wie Verena Brönnimann ihr Schicksal im Rollstuhl meistert, beeindruckt viele. Sonst wäre sie kaum zur Querschnittgelähmten des Jahres gewählt worden. Die 54-Jährige glaubt indes nicht, etwas Besonderes geleistet zu haben.

Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
Verena Brönnimann weiss nach wie vor nicht, wem genau sie diesen Titel zu verdanken hat. Zwar ist offensichtlich, dass in den vergangenen Tagen sehr viele Leute per Telefon und Internet die Stimme für sie abgegeben haben müssen. Warum aber sie es überhaupt in den Kreis der Nominierten geschaffft hatte, bleibt ihr ein Rätsel. «Sie wollen mir einfach nicht verraten, wer mich angemeldet hat», stellt sie schmuzelnd fest.

Woher all die Kraft?

Ihre Freude vermag dies aber nicht zu schmälern: Am Wochenende ist die 54-jährige Bäuerin, die auf der Ätzlischwand hinter Landiswil zu Hause ist, zur Querschnittgelähmten des Jahres 2008 gewählt worden. Auf die Art ehrt die Schweizerische Paraplegikerstiftung, so steht es im Internet, «Menschen im Rollstuhl, die Aussergewöhnliches geleistet haben.»

Ob ihr solches tatsächlich gelungen ist? Verena Brönnimann zweifelt. Doch vielleicht hat just die Art, wie sie die vielen kleinen alltäglichen Dinge bewältigt, so viele beeindruckt. «Ich werde immer wieder gefragt, woher ich eigentlich all die Kraft nehme», erzählt sie. Um gleich bestimmt anzufügen: «Man darf nicht rückwärts schauen. Sondern nur vorwärts.»

Dass sie dies noch heute, 22 Jahre nach dem Unfall, nicht immer gleich gut kann, sagt sie offen. «Es gibt nach wie vor Momente, in denen ich hadere, in denen ich in ein Loch falle.»

Unfall mit dem Mäher

Trotzdem hat sie nie aufgegeben, gerade auch in der ersten, schweren Zeit als 32-jährige junge Frau im Rollstuhl nicht. Noch heute erinnert sie sich gut an den Tag, an dem es passiert ist, an das «wunderschöne Wetter», das damals herrschte. Sie war auf dem stotzigen Heimet ihrer Eltern am Arbeiten und dabei, den Motormäher zu wenden. «Da muss der Gang herausgefallen sein» – auf alle Fälle merkte sie plötzlich, wie sie die Herrschaft über die Maschine verlor und talwärts gerissen wurde. Nach ein paar schier endlosen Minuten blieb sie schwer verletzt liegen.

Dieser Schicksalsschlag hatte nicht nur für sie persönlich Folgen, sondern für die ganze Familie, zu der auch drei Kinder von damals 5, 7 und 10 Jahren gehörten. «Die Zukunft unseres Betriebs hing an einem Faden», blickt sie zurück. Doch dann stellte sie sich mit ihrem Mann der Herausforderung.

Gemeinsam bauten die beiden das – zum Glück – grosszügige Bauernhaus so um, dass fortan alle Zimmer ebenerdig und mit dem Rollstuhl zu erreichen waren. Dazu kam, dass ein Bauernbetrieb noch etwas mehr abwarf als heute. Ob sie es bei den aktuellen Milchpreisen und bei den aktuellen Subventionen auch gewagt hätten? Verena Brönnimann zweifelt offen.

Vom Umfeld getragen

Immerhin war es, so fährt sie fort, mit dem Umbau des Hauses nicht getan. Schmerzlich bemerkbar machte sich auch der Wegfall ihrer Arbeitskraft. «Wir mussten deshalb in der ersten Zeit jeweils im Sommer jemanden anstellen», sagt sie. Wenigstens liess sich diese Saisonstelle, den damals noch besseren Zeiten in der Landwirtschaft sei Dank, aus dem Betrieb einigermassen finanzieren.

Von ihrem Umfeld wusste sie sich bei alledem getragen. Allen voran von ihrem Mann, der ihr, der ausgebildeten Gärtnerin, ein Treibhaus baute, in dem sie ihre Setzlinge auch als Rollstuhlfahrerin selber ziehen konnte. Von ihren Eltern, die sich einige Jahre nach dem Unfall pensionieren liessen, in die Nähe zogen und ihr wo immer möglich zur Hand gingen. Von den Lehrern, die in den Klassen das Geschehene besprachen und so bei den Gspänli ihrer Kinder das Verständnis für sie als behinderte Mutter weckten. Von den Jodlerkollegen ihres Mannes, bei deren Theater sie eine Zeitlang die Regie führte. Und von den Landfrauen, für die sie nun sogar noch intensiver arbeitete.

Sie engagierte sich als Sekretärin im Vorstand und half mit, die Altersnachmittage zu organisieren. Dass diese in der neuen, bereits behindertengerecht erbauten Mehrzweckhalle stattfinden, kam ihr sehr entgegen.

Nun Rückenprobleme

Auch im Betrieb legte Verena Brönnimann ein Schwergewicht auf die Schreibarbeiten, die in der Landwirtschaft immer wichtisich wurden und sich vom Rollstuhl aus gut erledigen liessen. Daneben gratuliert sie unter dem Kürzel «vbo» den Jubilaren aus ihrer Gemeinde in der Zeitung zum hohen Geburtstag. Ohnehin zwingen Rückenprobleme sie zur Zeit zu einer etwas gemächlicheren Gangart. Diese seien späte Folgen des Unfalls: «Ich habe mich in der ersten Zeit im Rollstuhl wohl etwas übernommen.»

Ein Artikel aus der

www.landiswil.ch

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Erstellt: 09.12.2008
Geändert: 09.12.2008
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