Konolfingen - Wie sich das Handwerk verändert

Auf dem zweiten Dorfspaziergang stand das Handwerk von einst und jetzt im Zentrum. Drei Betriebsleiter informierten dabei über den Wandel in ihrem Berufsleben.

Kathrin Schneider, Berner Zeitung BZ

Aenni Kilchenmann lebt seit über 30 Jahren in Ursellen bei Konolfingen. Nach der Pensionierung wollte die Psychiaterin «noch etwas machen, das mir Freude bereitet». Aus diesem Antrieb wurde letztes Jahr der erste Dorfspaziergang durchgeführt. «Anhand einer Liste von 1940 besuchten wir alte Ladenlokale in Konolfingen. Bitter kalt war es», erinnert sie sich, und einige Anwesende nicken. Dafür sei die Gruppe der Spaziergänger um einiges grösser gewesen. Nach einführenden Worten zur Bedeutung des Handwerks als Produkt einer Verbindung zwischen Kopf und Hand setzt sich die kleine Schar in Bewegung. Ziel ist das Vorhangatelier von Sylvia Trüssel.

Immer noch Handarbeit

Sylvia Trüssel schwärmt in ihrem Laden von der Arbeit mit den unterschiedlichen Stoffen. Während ihre Hand über zarte Vorhangmuster streicht, erzählt sie über den Wandel in ihrem Gewerbe. «Heute sind Staubfänger wie Volants oder verspielte Dekorationen weniger gefragt.» Geblieben sei aber die Freude an der Kreativität und neuen Herausforderungen. «Wir arbeiten heute auch mit lichtundurchlässigen, schwer entflammbaren und klanghemmenden Stoffen.» Ganz allgemein seien die Stoffe immer feiner und dünner geworden, Modeströmungen beeinflussten die Kunden immer wieder und zwangen zu laufender Weiterbildung. «Mein Beruf Tapezierer-Näherin hat sich wegen der Mechanisierung seit meiner Lehre vor knapp 50 Jahren stark verändert.» Die Gruppe wandert weiter zu Walter Kindler, dem Antikschreiner an der Emmentalstrasse. Der gelernte Möbelschreiner ist spezialisiert auf das Restaurieren alter Möbel oder Einrichtungen. «Viele Aufträge erhalte ich über die Denkmalpflege.» So musste er während der Umbauarbeiten im Bundeshaus die WC-Türen neu anpassen.

«Das Holz arbeitet»

Man spürt Kindlers Begeisterung für das Material und dessen Lebendigkeit. «Das Holz arbeitet. Gerade wegen der modernen Heizungen haben viele alte Holzmöbel gelitten.» Das Fertigen neuer Möbel sei aber zu aufwendig und teuer geworden. «Früher wurden ganze Aussteuern bestellt, heute sind Designerstücke oder Billigmöbel im Trend.» Nach einem Abstecher in Kindlers Sarglager erreichen die Wanderer die Rimo Druck und Werbe AG an der Niesenstrasse. Hier präsentiert Hanspeter Mosimann seine original Heidelberger Druckmaschine, ein schwarzes Ungetüm aus der Hochblüte des maschinellen Buchdrucks. «Und immer noch im Einsatz», sagt er stolz und demonstriert es dem faszinierten Publikum.

Wissen geht verloren

Mosimann befürchtet, dass mit seiner Generation auch viel Wissen über traditionelle Druckverfahren verloren gehen wird. «Der Beruf, den ich vor gut 40 Jahren gelernt habe, ist verschwunden», bemerkt er. Er habe damals nach dem Buchdruck noch Offset-, Sieb- und Tiefdruck gelernt. Heute werde praktisch alles über Computer gemacht, deshalb brauche es auch ständig die neusten Modelle. Der Betrieb beschäftigt sieben Festangestellte sowie Aushilfen. «Im Moment bedrucken wir 17 000 T-Shirts für den Frauenlauf, alles Handarbeit und beidseitig», sagt Mosimann.


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Erstellt: 11.05.2015
Geändert: 11.05.2015
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