Konolfingen - Seit 38 Jahren lässt er sich sein Blut abzapfen
Roger Gautschi: Der Konolfinger hat 250-mal Blut gespendet - das ist ein Rekord. Dafür wird er diese Woche von der Fondation Sana ausgezeichnet.
Von Leistungsstreben hält Roger Gautschi nicht viel. Sportlich ist er nicht ambitioniert. Aber er ist Rekordhalter - im Blutspenden. Vergangene Woche hat er zum 250. Mal Blut gespendet. Im Laufe der letzten 38 Jahre hat er, umgerechnet, über 135 Liter Blutprodukte gespendet - 25-mal seine gesamte Blutmenge oder mehr als sein doppeltes Körpervolumen. Das ist nicht nur im Kanton Bern, sondern höchstwahrscheinlich gesamtschweizerisch absolute Spitze.
Etwa zweimal pro Monat fährt Roger Gautschi zur Plasmaspende von Konolfingen nach Bern. Sein Blut ist vor allem deshalb gefragt, weil es Blut der seltenen Blutgruppe AB ist und sein Plasma deshalb universal für jede Blutgruppe einsetzbar ist. «Laut Statistik gehören nur vier Prozent der Menschen zu dieser Blutgruppe», sagt er, «weshalb ich es als meine Aufgabe betrachte, mein Blut zur Verfügung zu stellen.» Gesundheit betrachte er «als Geschenk Gottes». Mit seinen Blutspenden könne er «Gott dafür danken». Es gebe ihm Freude und Befriedigung, dieses Geschenk «mit andern Menschen zu teilen - mit Menschen, die auf diese Blutprodukte angewiesen sind».
Er schätze es, dass die Blutempfängerinnen und -empfänger für ihn anonym sind, ihm gegenüber also zu keinem Dank verpflichtet sind. Ihm genüge das Gefühl, mit seiner Blutspende diesen unbekannten Menschen «Hoffnung auf Gesundheit und Hoffnung auf eine Lebensverlängerung» geben zu können. Dass er damit Leben rette, behaupte er nicht: «Nein - sterben müssen wir alle einmal. Aber wenn ich mit meinem Blut andern zu einem weiteren Stück Leben verhelfen kann, ist das doch wunderbar. Das gibt mir Freude und Befriedigung. Und ich hoffe, dass sich mehr Menschen als Blutspender zur Verfügung stellen.»
Entschädigt wird er für sein Engagement als Blutspender nicht, er erhält bloss einen Zustupf an die Fahrspesen, eine kleine Verpflegung und hin und wieder ein Jubiläumsgeschenk. Dies findet er gut und sinnvoll, da man so eine hohe Qualität des gespendeten Bluts gewährleisten könne: «Für mich ist es in Ordnung, meine Zeit, meinen Körper und mein Blut kostenlos zur Verfügung zu stellen.»
Körperlich sei das Blutspenden für ihn «absolut kein Problem». Er sei gesund, rauche nicht, trinke keinen Alkohol («ganz einfach, weil ich ihn nicht gern habe»), ernähre sich «einigermassen ausgeglichen», lese viel - und schaue, dass er zwischenhinein auch immer ein bisschen in Bewegung bleibe - «etwa, wenn ich zusammen mit meiner Frau wandere oder mit dem E-Bike unterwegs bin». Und er sei sicher, dass er «sauberes und gesundes Blut» weitergebe. «Gesundheit», sagt er, «ist ein höchst wertvolles Gut. Deshalb trage ich Sorge dazu.»
Zum Blutspenden animiert wurde er durch seine Eltern, die auch schon treue Blutspender waren. Erstmals stellte er sich im September 1974 mit 18 Jahren als Spender zur Verfügung. Seither, also seit 38 Jahren, ist er «dran geblieben», wie er sagt. Zuerst spendete er zweimal jährlich Vollblut, liess sich dies Blut «von den mobilen Equipen im Dorf» abzapfen. Später wurde er dreimal pro Jahr aufgeboten. 2002 ermunterte ihn ein Arzt zur Spende von Transfusionsplasma. Seither stellt er sich jährlich etwa 20-mal dafür zur Verfügung. Und seit etwa zweieinhalb Jahren werden aus seinem Blut auch Blutplättchen, Thrombozyten, gewonnen, die vor allem bei Leukämie- und Chemotherapien, in der Onkologie und bei grossen Operationen benötigt werden.
«Wenn ich schon von Konolfingen zur Blutspende ins Apheresezentrum im Berner Inselspital fahre», sagt Gautschi, «spielt es keine Rolle, ob ich mich nur eine Viertelstunde für eine gewöhnliche Blutspende zur Verfügung stelle, oder anderthalb Stunden oder mehr für eine Apheresespende.» Dabei wird das Blut während der Spende maschinell in seine Bestandteile getrennt (Thrombozyten und Plasma). Die nicht benötigten Blutbestandteile werden im gleichen Arbeitsgang dem Spender wieder zurückgegeben. «Die Blutspenden schwächen mich in keiner Weise», sagt Roger Gautschi, «das Blut, das man mir abnimmt, wird jeweils rassig regeneriert.»
Prix-Sana-Preisträger
Roger Gautschi, 56-jährig, Buchdrucker und Offsetdrucker aus Konolfingen, verheiratet und Vater dreier erwachsener Kinder, ist einer von etwa 200 000 Schweizer Blutspenderinnen und Blutspendern. Gesamtschweizerisch werden täglich rund 1250 Blutspenden benötigt - dazu pro Jahr rund 60 000 Plasmaspenden und 34 000 Thrombozytenkonzentrate.
Für sein Engagement und seine Ausdauer als Blutspender wird Roger Gautschi nächsten Donnerstag in Bern geehrt. Er gehört zu den drei Preisgewinnern des diesjährigen Prix Sana, der von der Fondation Sana, einer gemeinnützigen Stiftung im Gesundheitsbereich, vergeben wird. Mit dem Prix Sana werden Personen ausgezeichnet, die sich «im Stillen uneigennützig für das Wohl kranker Mitmenschen einsetzen».
Weitere Nominierte sind der Tetraplegiker Alexander Raouzeos, der unermüdlich Geld für gemeinnützige Institutionen sammelt und Waisenkinder in Kosovo unterstützt. Und das Ehepaar Jean Paul und Nicole Wettstein, das fünf behinderte Kinder aus Indien adoptiert hat. Nicole Wettstein ist vor sechs Jahren selber schwer erkrankt.