Konolfingen - Pulte gehen, Pulte kommen, Rituale bleiben
Drei Lastwagen, 650 Tische und das Ende eines alten Bekannten: Am Konolfinger Oberstufenzentrum Stockhorn ist neues Mobiliar eingetroffen – das Pult von einst hat ausgedient.
Das Schuljahr biegt in die Zielgerade ein. Noch ein Monat. Dann gibts Zeugnisse, Abschiedsreden, vielleicht ein Theater – die alten Rituale eben. Vermutlich bereitet sich die Schülerband auf das alljährliche Medley an der Abschlussfeier vor – manche Rituale überdauern eben. Selbst in Konolfingen, wo seit geraumer Zeit der «Wind of Change» durch die Schulen weht.
Montag, Oberstufenzentrum Stockhorn. Der Wandel kam am Morgen früh in Konolfingen an. Geliefert von drei Sattelzügen aus Deutschland: 650 Stühle und Pulte der neusten Generation. Den ganzen Morgen luden Schülerinnen und Schüler das Material aus, schleppten es in die Schulzimmer.
Pestalozzi ist vorbei
Der «Wind of Change»: In Konolfingen ist er knallharte Lokalpolitik. Zukunftsorientiert zwar, aber nichts für Nostalgiker. Erst jüngst segnete das Stimmvolk die Basisstufe ab: Kinder zwischen vier und acht Jahren werden bald gemeinsam unterrichtet. Darüber hinaus läuft die Schulraumplanung. Heikle Themen – gerade in ländlicheren Gemeinden.
Da ist es mit den Pulten wesentlich simpler. Die Holzungetüme mit den grossen Klappen, die unzählige Hausaufgaben, Klausuren und Liebesbriefe geschluckt und wieder ausgespuckt haben. Sie kommen weg, die klapprigen Stühle gleich mit. Leichte Tischchen und Bürostühle, allesamt auf Rollen, ersetzen sie. Konolfingen rüstet sämtliche Schulhäuser auf. Auch die Kindergärten und Tagesschulen. Die Schulverantwortliche sehen darin eine «Weichenstellung», den ersten Schritt auf dem Weg, den Lehrplan 21 umzusetzen. Mehr «eigenverantwortliches Arbeiten», mehr «individualisierte Lernformen».
Weshalb das nur mit leichten Pulten und Plastikbürostühlen zu bewerkstelligen ist? Bernhard Bacher, Abteilungsleiter Bildung in Konolfingen, erklärt: «Die Zeiten, als die Schülerinnen und Schüler in Reih und Glied sassen, sind vorbei.» Diese Idee stamme aus der Pestalozzi-Ära.
Leicht, stapelbar, Stauraum?
Die Gemeinde stellte vor einiger Zeit eigens eine Projektgruppe zusammen. Auch Bacher war Teil dieser Gruppe, die abklären sollte, wie das Klassenzimmer der Lehrplan-21-Ära aussehen soll. «Wir haben uns gefragt: Welches Mobiliar unterstützt den künftigen Unterricht?» Die Antwort darauf ist seit gestern in Konolfingen zu sehen: Leichte Tische, stapelbar, ohne Stauraum – dafür sind Kisten in den ebenfalls angelieferten Regalen da. Die Sitze? Bequem, pflegeleicht, angeblich besser für den Rücken. Ebenfalls neu sind Lehrerpulte sowie Sitzecken. Alles ist ausgelegt auf Schüler, die selbstständig arbeiten und dafür auch mal ihre Arbeitsfläche verschieben.
Es bleibt die Erinnerung
Für die Aufrüstung seiner Schulen griff Konolfingen tief in die Tasche: Über 400 000 Franken kostet die Neumöblierung. Ursprünglich sollten es gar 600 000 sein. Die Gemeinde hatte das Geschäft öffentlich ausgeschrieben. Das Interesse der Anbieter war laut Bernhard Bacher sehr gross: «Das drückte den Preis.» Den Auftrag erhielt schliesslich ein deutsches Unternehmen.
Bleibt die Frage: Wohin mit dem alten Mobiliar? Ursprünglich wollten es die Verantwortlichen spenden, es in Entwicklungsländer schicken – zu kompliziert. Auch weil die Pultungetüme – welch Ironie – zu sperrig waren dafür, sie zu verschiffen. Immerhin profitieren nun umliegende Gemeinden. Sie übernehmen einen Teil des neueren Mobiliars. Ein paar Lastwagen voll gehen nach Osteuropa. Konolfingen bleibt die Erinnerung an unbequeme Stühle und zerkratzte Pulte.
Trost finden Nostalgiker an der Abschlussfeier des Oberstufenzentrums Stockhorn (6. Juli, ab 16 Uhr). Denn ja, es gibt ein Konzert.