Konolfingen - Lebensretter-Ehrenmedaille für einen „Stüueler“

Hohe Auszeichnung für Ernst Stucki aus Stalden bei Konolfingen: Die von Bundespräsident Pascal Couchepin präsidierte Carnegie-Stiftung für LebensretterInnen hat dem 69-jährigen Rentner die Silberne Ehrenmedaille verliehen. Ernst Stucki ha

Martin Christen, martinchristen@gmx.ch
Die Carnegie-Stiftung zeichnet seit 1912 Lebensretterinnen und Lebensretter aus, die laut Statuten „im entscheidenden Moment mit heldenmütigem Charakter das Richtige getan haben“. In Bern wurden Ernst Stucki und 32 andere Schweizerinnen und Schweizer für lebensrettenden Handlungen im vergangenen Jahr ausgezeichnet.

Ernst Stucki nennt sich „Stüueler“, das heisst: Er wohnt in Stalden bei Konolfingen, mit seiner Frau, in der Nachbarschaft der Familie seines Sohnes. Ernst Stucki war Berufschauffeur, selbständiger Bahn-Cammioneur und arbeitete in einer Konolfinger Werkstatt. Trotz Rückenproblemen und zwei Herzinfarkten ist er auch vier Jahre nach seiner Pensionierung weiterhin aktiv: Als Jäger, Jagdaufseher und Fischer.

An den 4. Oktober 2002 errinnert er sich, wie wenn es gestern gewesen wäre. Er schildert den Tagesablauf bis ins kleinste Detail. Den Tag wird er nie mehr vergessen.

Ernst Stucki begleitete als Beifahrer einen 71-jährigen Konolfinger Kollegen ans kantonale Schützenfest nach Interlaken. Dieser Kollege hatte – wie er selbst – bereits zwei Herzinfarkte hinter sich und war von der Gurtentragpflicht dispensiert.

Die Heimfahrt schildert Ernst Stucki so: „Auf der Autobahn A 6 kurz nach dem Thuner Allmend-Tunnel stellte ich plötzlich fest, dass mein Kollege voll auf das Gaspedal drückte und auf der Ueberholspur fuhr, ohne dass sich ein Auto vor uns befand. Unser Auto berührte schon fast die Büsche auf dem Mittelstreifen, als ich sah, dass mein Kollege den Kopf schräg nach hinten gelegt hatte. Ich ergriff spontan das Steuer und zog die Handbremse. Gleichzeitig fiel mein Kollege nach vorn. Weil mein regungsloser Kollege auf dem Fahrersitz nach unten rutschte, war das Gaspedal voll durchgedrückt. Ich drehte den Zündschlüssel und versuchte vom Nebenfahrersitz aus, das Auto auf Spur zu halten, obwohl mein Kollege plötzlich auf mich fiel. Nach rund 500 Metern gelang es mir, das Auto auf dem Pannenstreifen zum Stillstand zu bringen.“

Ernst Stucki erzählt weiter: „Nach dem Anhalten stellte ich fest, dass mein Kollege keine Reaktion zeigte. Ich machte Autostopp, eine anhaltende Autofahrerin avisierte via Natel Polizei und Ambulanz, die nach wenigen Minuten eintrafen und Wiederbelebungsversuche machten. Kurz darauf landete ein Rega-Helikopter unmittelbar neben uns auf der inzwischen abgesperrten Autobahn. Der mitfliegende Arzt konnte leider nur noch den Tod meines Kollegen feststellen.“

Mit der Carnegie-Ehrenmedaille wurde Ernst Stucki ausgezeichnet, weil er mit seiner Tat verhindert hatte, dass das führerlose Auto unter dem Mittelstreifen-Drahlseil hindurch in voller Fahrt auf die Ueberholspur der Gegenfahrbahn geriet: „Kaum vorstellbar, was hätte passieren können“, sagt Ernst Stucki.

Der Rentner aus Stalden machte genau das, was die Carnegie-Statuten postulieren: „Im entscheidenden Moment das Richtige tun“. Warum tat er das Richtige: „Ich weiss es nicht, ich hatte keine Zeit zum Denken, ich tat es einfach“.

Ernst Stucki ist nachdenklich: „Im Moment hat mir alles nichts ausgemacht.“ Danach aber konnte der „Stüueler“ acht Tage lang nichts essen: „Die Gedanken an das Geschehen, die Vorstellung, welch schreckliches Unglück hätte passieren können, der Tod meines Kollegen – das hat mich mitgenommen“.

www.carnegie.ch
www.konolfingen.ch

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Erstellt: 08.06.2003
Geändert: 08.06.2003
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