Konolfingen - "Jeder Baum ist eine Persönlichkeit"
In diesen Tagen gehen die Feuerbrandkontrolleure wieder auf ihre Runden. Zurzeit scheint die Gefahr der gefürchteten Krankheit gebannt zu sein.
Veruschka Jonutis, Wochen-Zeitung
«Bei diesem schönen Quittenbaum haben wir kein Problem. Der ist kerngesund», sagt Christian Moser zufrieden und streicht dem alten Baum kurz über die Rinde. «Gerade Quittenbäume sind hochanfällig für den Feuerbrand», erklärt er. Christian Moser kontrolliert seit zwölf Jahren für die Gemeinde zirka 900 Parzellen im überbauten Zentrum von Konolfingen. Er kennt fast jede Pflanze persönlich. «Interessanterweise sind es oft die gleichen Pflanzen, die immer wieder krank werden; diese schaue ich jedes Jahr besonders gut an.» Christian Moser kennt seine Routen genau und hat sich dafür einen Begehungsplan gemacht: «Es gibt zum Teil sehr steile und stark zugewachsene Parzellen. Vielerorts muss ich über Zäune klettern, um zu den einzelnen Grundstücken zu gelangen», erklärt der 72-Jährige und macht sich zügig an den Aufstieg über eine lange Treppe in den nächsten Garten.
Viele ähnliche Krankheitsbilder
Für die Gemeinden Konolfingen, Freimettigen und Niederhünigen sind nebst Christian Moser vier weitere Kontrolleure zuständig. «Wir treffen uns regelmässig und tauschen Erfahrungen und Wissen aus. Denn es gibt viele Krankheiten, die einen Baum oder Strauch befallen können – und oftmals sehen sich die Symptome sehr ähnlich», erklärt Christian Moser. Kritisch betrachtet der Kontrolleur einen Apfelbaum. Er zieht einen Zweig mit verfärbten Blättern und abgestorbener Blüte zu sich herab. «Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Baum sei vom Feuerbrand befallen. Bei genauer Betrachtung sieht man aber, dass es sich um eine andere Krankheit handelt.» Der grosse Apfelbaum ist von einem Pilz befallen, mit dem sich die Feuerbrandkontrolleure stark konfrontiert sehen. «Hier handelt es sich um die Pilzgattung Monilia. Der Pilz befällt die Blüten oder auch Früchte. Ähnlich wie beim Feuerbrand verdorren die Blätter und später auch die Triebe, da der Saftfluss im Trieb abgewürgt wird.» Die infizierten Früchte bleiben als so genannte Fruchtmumien im Herbst im Baum hängen. So überwintert der Monilia-Pilz direkt im Wirtsbaum. Monilia ist im Gegensatz zum Feuerbrand nicht meldepflichtig. Dieses Jahr sind die Monilia-Infektionen wegen des nassen Wetters weit verbreitet.
Weiterhin Kontrollen nötig
Ein Donnergrollen kündet ein Gewitter an, und trotz der drückenden Hitze will sich Christian Moser noch ein paar Felsenbirnenbäume anschauen. Auf dem Weg dorthin bleibt der Kontrolleur plötzlich stehen. Mit einer Handbewegung deutet er auf einen Baumstumpf, dicht über dem Boden abgeschnitten. «Hier stand ein Weissdorn, ein alter, schöner Baum» sagt Moser nachdenklich. «Er war so stark vom Feuerbrand befallen, dass wir ihn komplett roden mussten. Solche Aktionen tun mir immer weh, denn jeder Baum ist wie eine Persönlichkeit.»
Von Amerika nach Europa
Im Jahr 2007 brach in der Region der gefürchtete Feuerbrand grossflächig aus. «Damals hatten wir auf einen Schlag 400 Fälle. Wir waren komplett überrumpelt und haben bis zu Weihnachten gerodet. Wir hatten auch kaum praktische Kenntnisse über die Krankheit, da wir bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Fall von Feuerbrand hatten», erinnert sich Christian Moser.
Die Krankheit stammt ursprünglich aus Amerika und gelangte in den fünfziger Jahren nach England. Durch die Einfuhr von infizierten Pflanzen verbreitete sich die hochansteckende Krankheit rasch über ganz Europa. Der Wirtspflanzenkreis des Feuerbranderregers umfasst etwa 174 Arten aus 40 Gattungen in der Familie der Rosengewächse (Rosacea). Besonders anfällig ist die Unterfamilie der Kernobstgewächse (Pyrinae); sie gilt als Hauptwirtspflanzengruppe, denn nur auf diesen Arten kann der Erreger überwintern.
Kernobstbäume triffts häufig
Befallen werden vor allem Kernobstbäume (Apfel, Birne, Quitte), Zier- und Wildgehölze wie Weissdorn, Eberesche, Mispel, Feuerdorn, Feuerbusch oder alle Arten von Cotoneaster. Das Erregerbakterium kann sich über Insekten, Vögel und Kleintiere verbreiten. Aber auch Wind und Regen und der Mensch tragen zu der Verbreitung des Feuerbrands bei. In der Hauptinfektionszeit im Frühling dringt der Erreger vorzugsweise über die Blüten in die Pflanze ein. Zudem ist jede andere Verletzung der Pflanze eine Eintrittspforte für das Bakterium, nach einem Hagelschlag ist die Infektionsgefahr sehr gross. Dass die Pflanze befallen ist, zeigt sich an den verwelkenden Blüten und Blätter. Später vertrocknen ganze Äste und dann die gesamte Pflanze. Die befallene Pflanze sieht aus wie verbrannt.
Gewissenhaft notiert Christian Moser die Ergebnisse des Rundgangs in seinen Unterlagen. Dass in diesem Jahr im Kanton Bern noch kaum Fälle von Feuerbrand gemeldet wurden, ist den sorgfältigen und strengen Kontrollen in den Vorjahren und der kühlen Witterung in der Blütezeit zu verdanken. Auch die Sensibilisierung der Bevölkerung trage einen grossen Teil zur Eindämmung des Erregers bei, sagt der Kontrolleur. «Wenn wir das Bakterium weiterhin so gut unter Kontrolle halten können, dann haben sich alle Mühen gelohnt. Wir werden aber nie mehr infektionsfrei sein.» Zufrieden rückt er seine Brille zurecht und macht sich rasch auf den Heimweg. Denn bei einem Gewitter soll man sich ja bekanntlich nicht unter Bäume stellen.
Feuerbrandverdacht – was tun?
Bis jetzt ist bei der Fachstelle für Pflanzenschutz des Kantons Bern je ein Fall von Feuerbrand in Riggisberg und Belp gemeldet worden. «Wichtig ist, dass sich die Bevölkerung bei einem Verdachtsfall bei der Gemeinde meldet. Die schickt ihren ausgebildeten Kontrolleur vorbei. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wird der Kontrolleur eine Meldung bei uns machen und die nötigen Massnahmen ergreifen», erklärt Regula Schwarz von der Fachstelle für Pflanzenschutz des Kantons Bern auf Anfrage. Prävention sei trotz Rückgang des Erregers wichtig. Nur so könne das hochansteckende Bakterium weiterhin eingedämmt werden. So tragen die Kontrolleure bei ihren Rundgängen Kleidung, die sie nur für diese Arbeit verwenden. Auch werde das Schneidewerkzeug nach jeder Pflanze desinfiziert. «Wir sind auf die seriöse Arbeit der Kontrolleure angewiesen. Diese Zusammenarbeit, die wir seit den starken Befällen im 2007 führen, hat sich bestens bewährt. In diesem Frühling mussten wir keine Antibiotika einsetzen», sagt Regula Schwarz.