Konolfingen - Gepredigt wird nicht mehr von oben herab

In der reformierten Kirche in Konolfingen ist alles neu. Es gibt nicht nur einen neuen Boden und neue Kirchenbänke. Nein, die Bänke stehen anders. Und der Pfarrer soll in Zukunft auf seine Kanzel verzichten.

cng, Berner Zeitung BZ

Eine Kirche mit einer Bankreihe links, einer solchen rechts, und vorne der Pfarrer auf der Kanzel. Das war einmal. Jedenfalls in Konolfingen. Die neuen Bänke sind aus hellem Buchenholz und haben eine moderne Form. Im vorderen Bereich der Kirche, dort wo eine teiltransparente Holzglaswand den Saal von der Kirche trennt, stehen die Bänke auf der Längsachse des Kirchenschiffs.

Gottesdienstbesucher und -besucherinnen sitzen einander gegenüber. Der gemütliche Sonntagmorgenschlaf während der Predigt wird also nicht mehr unbemerkt bleiben. Der Pfarrer steht in der Mitte an einem runden hellen Holztisch. «Wir wollten ein Klima der Nähe schaffen», sagte Architekt Patrick Thurston auf seinen Führungen, denen am Samstag erstaunlich viele Leute folgten. Die Kirchgemeinde liess sich den Umbau 1,7 Millionen Franken kosten.

Und doch eine leise Kritik

Auf den Einwand einer Besucherin, dass sich Trauernde an einer Beerdigung mit dieser «komischen Sitzordnung» ausgestellt vorkommen werden, entgegnete Thurston: «Sich zeigen, ist auch ein Motto gewesen beim Umbau.» Und das soll die neue Ordnung in der Kirche erlauben. «Wir werden mit der Trauer nicht alleine gelassen», erklärte er seine Überlegungen. «Wir werden sehen, wie das geht, vor allem auch an Beerdigungen», sagt der Konolfinger Pfarrer Samuel Burger.

Sollten sich Trauernde wirklich gestört fühlen, ist für einen Ausweg gesorgt: Die alte Bankordnung ist leicht wieder herzustellen, die technische Vorrichtung ist bereits im Holzboden angelegt. Doch Samuel Burger ist vom Konzept überzeugt. «Wir haben während der Umbauzeit im Kirchgemeindehaus bereits Gottesdienste mit dieser Bankordnung abgehalten.»

Dürrenmatt und Sterchi

Sowohl der Konolfinger Friedrich Dürrenmatt als auch der Autor Beat Sterchi haben in der Kirche einen Platz in der Mitte. Das Dürrenmatt-Fenster mit dem Namen «Apokalypse», das nach einer Federzeichnung des Schriftstellers entstanden ist, ist genau in der Mitte des Kirchenschiffs. Die Holz-Glas-Schmuckwand, aus der Autor Beat Sterchi mit 1800 Buchstaben eine «Wortwand» gemacht hat, trennt die Kirche in der Mitte in zwei Räume. Sie kann hochgeschoben werden, sodass ein riesiger Raum aus hellem Holz und viel Licht entsteht. «Traditionelles und Neues ist möglich», sagte Thurston auf seinen Führungen.

Die Konolfinger Kirche wurde am Wochenende mit einer Kirchennacht, einem Festgottesdienst und einen Orchesterkonzert eingeweiht.


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Erstellt: 16.11.2015
Geändert: 16.11.2015
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