Konolfingen - "Deswegen wird kein Jugendlicher auf der Strasse stehen"

Die kantonalen Sparmassnahmen betreffen auch das Berufsvorbereitende Schuljahr. Klassen müssten geschlossen werden und der Standort Konolfingen wäre gefährdet.

Silvia Ben el Warda-Wullschläger, Wochen-Zeitung

Beim Berufsvorbereitenden Schuljahr (BVS), auch 10. Schuljahr genannt, droht den kleinen Standorten wie Konolfingen, Zollikofen und Huttwil die Schliessung. Über das Sparpaket des Regierungsrates wird der Grosse Rat in der November-Session entscheiden. Die Regierung geht von einem Sparpotenzial von einer halben Million Franken aus. Zudem sollen über den ganzen Kanton verteilt in den nächsten drei Jahren fünf Klassen weniger geführt werden als bisher, womit nochmals eine Million Franken gespart werden sollen. Aktuell bestehen 106 Klassen. Trotz dieser Kürzungen «ist der Kanton überzeugt von den Brückenangeboten», sagt Berufsschulinspektorin Simone Grossenbacher.

 

Die vorgeschlagenen Massnahmen seien vertretbar, meint sie und führt gleich mehrere Gründe dafür an. In der Volksschule seien die Schülerzahlen seit längerem rückläufig, dieser Trend wirke sich nun auch auf das BVS aus. «Weiter verfügen wir über eine gute und stabile Lehrstellensituation, meist übersteigt das Angebot die Nachfrage.» Für schwächere Schüler seien in den letzten Jahren zusätzliche Ausbildungsangebote geschaffen worden wie die Attestausbildung, womit das BVS entlastet worden sei. «Schliesslich greift nun auch das Berufswahlkonzept in der Volksschule. Je besser dieses umgesetzt wird, desto eher finden Schüler eine Lehrstelle», erklärt Simone Grossenbacher.

 

Positive Nähe zur Berufsschule
 

Wird das BVS in Ursellen, Gemeinde Konolfingen, tatsächlich geschlossen, müssten die 70 Schüler dort auf die anderen zwei Standorte im Emmental – Langnau und Burgdorf – verteilt werden. Diesen Umstand wertet Simone Grossenbacher nicht negativ. «Die BVS sind Teil der Berufsschule und gehören deshalb auch dorthin und nicht an einen eigenen Standort. Sind die Brückenangebote in der Berufsschule angesiedelt, wird die Durchlässigkeit gefördert, so dass zum Beispiel ein Wechsel möglich ist.» Zudem werde der Austausch zwischen den Auszubildenden und den Lernenden der BVS sowie unter den Lehrpersonen gefördert. Ob das Emmental auch von den Klassenschliessungen betroffen sein wird, sei noch nicht entschieden, sagt die Berufsschulinspektorin. Sicher würden nicht alle fünf Klassen in einer Region geschlossen. «So oder so wird deswegen kein Jugendlicher auf der Strasse stehen.»

 

Verlust für Raum Konolfingen
 

Keine Freude an den Sparmassnahmen hat Samuel Schüpbach, Abteilungsleiter Brückenangebote an der Berufsfachschule Emmental. Werde das BVS in Ursellen geschlossen, gehe für den Raum Konolfingen ein wichtiges Bildungsangebot verloren, die Gefahr der Abwanderung nehme zu. Weiter würden die Schüler heute von kurzen Wegen profitieren, was ökologisch und ökonomisch sinnvoll sei. Aber auch die relativ kleine Struktur und die Lage abseits des Zentrums bedeuteten Vorteile, die sich nicht direkt in Zahlen niederschlagen würden. So blieben die meisten Schüler am Mittag im Schulhaus, das fördere die Teambildung. Gerade für die Integrationsklasse sei dies ein grosser Vorteil. «Zudem ist alles übersichtlicher und persönlicher, Probleme können früher angegangen werden.» Samuel Schüpbach befürchtet, dass nicht nur Ursellen geschlossen werden könnte, sondern auch Klassen im Emmental. «Wir haben in Burgdorf und Langnau nicht Platz für 70 zusätzliche Schüler.» Dies, obwohl letztes Jahr aufgrund mangelnder Anmeldung in Langnau bereits eine Klasse geschlossen wurde. «Den Platz haben wir für die Berufsschule gebraucht.»  

 

Anmeldetermin wird verschoben
 
Wie viele 9. Klässler sich in den nächsten Jahren fürs BVS anmelden werden, ist schwierig abzuschätzen. Berufsschulinspektorin Simone Grossenbacher rechnet damit, dass die Zahl weiter sinken wird. Dies auch deshalb, weil ab 2014 der Anmeldetermin nach hinten verschoben wird. Musste eine Anmeldung bisher bis Mitte Februar erfolgen, wird dies neu erst ab Mitte April möglich sein. Damit will der Kanton die Jugendlichen motivieren, länger eine Lehrstelle zu suchen. Und auch die Eltern stehen in der Pflicht. «Wenn Eltern ihrem Kind schon in der 7. Klasse sagen, es gehe dann ins ‹10. Schuljahr›, ist dies der Motivation, eine Lehrstelle zu suchen, nicht zuträglich. Das BVS soll jenen Schülern Platz bieten, die tatsächlich Unterstützung und Förderung brauchen.»
 
Neue Triagestelle

Der Kanton Bern bietet Brückenangebote für Jugendliche, die keine Anschlusslösung für die Zeit nach dem 9. Schuljahr gefunden haben. Dabei handelt es sich um das Berufsvorbereitende Schuljahr BVS, die Vorlehre, das Motivationssemester sowie Beschäftigungs- und Integrationsangebote.

Jährlich finden ungefähr 80 Prozent aller Schulabgängerinnen und Schulabgänger im Kanton Bern eine Lehrstelle oder beginnen das Gymnasium. Weitere 16 Prozent besuchen im kantonalen Durchschnitt ein Berufsvorbereitendes Schuljahr oder eine Vorlehre. Für die verbleibenden vier Prozent werden ab dem März 2014 regionale Triagestellen angeboten. Fachpersonen helfen diesen Jugendlichen, eine Anschlusslösung zu finden.

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Erstellt: 07.11.2013
Geändert: 07.11.2013
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