Konolfingen - Der Überlebenskampf der Landkinos
Das Lichtspieltheater Grünegg besteht seit 1958. Hinter den Kulissen wirkt schon die zweite Generation der Familie Bigler. Technik und Filme sind ihre Leidenschaft. Aber bald zieht im nostalgischen Kino die Neuzeit ein.
Laura Fehlmann / BZ
Das Kino Grünegg in Konolfingen erinnert an die Zeit, als ein Kinobesuch noch ein festlicher Anlass war. Im Entrée gibt es eine langgezogene, ovale Bar im Design der Fünfzigerjahre. Hier serviert Renate Bigler Tee, Kaffee, kalte Getränke und Glace. Meist weiss sie, welcher Gast was haben möchte. Das Kino ist seit über fünf Jahrzehnten in Konolfingen etabliert und hat eine Stammkundschaft.
Über Rendite und Besucherzahlen spricht Renate Biglers Ehemann Kaspar nicht. Vor dem Zahnarztstudium hat er Kinooperateur gelernt und betont: «Die Anzahl glücklicher Zuschauer ist wichtig.» Zusammen mit seinem Bruder Peter Bigler führt er gegenüber dem Kino eine Zahnarztpraxis mit Tearoom. Im Kino beschäftigt er sich mit der Technik, klebt Filmstreifen zusammen und spult sie auf eine Rolle, damit der Film ohne Unterbruch läuft. Mit der Technik ist er ausgelastet. «Die Filme sehe ich mir eigentlich nie an», sagt Kaspar Bigler.
Anders sein Bruder, der programmiert und deshalb die Filme anschaut. Die Gratwanderung zwischen eigenen Vorlieben und dem, was beim Publikum ankommen könnte, fällt Peter Bigler, auch er ist Zahnarzt, oft schwer. «Aber wir wollen ja schliesslich, dass Leute ins Kino kommen.» Im Laufe der Zeit hat er gelernt, was bei den Emmentalern ankommt: Filme wie die «Herbstzeitlosen» und der «Verdingbub».
Anfangs mobil
1948 erstand Arthur Bigler, der Vater von Kaspar und Peter und ebenfalls Zahnarzt, ein sogenanntes Saalkino. Mit einer mobilen Apparatur zeigte er Filme in Sälen von Konolfingen, Walkringen und Münsingen. 1957 verlangte der schweizerische Lichtspielverband: aufhören oder professionalisieren. Arthur Bigler entschloss sich für das Zweite und liess in Konolfingen und Münsingen Kinos bauen, 1958 waren sie betriebsbereit.
Die Einheimischen und italienische Gastarbeiter füllten das Kino. Arthur Bigler betrieb das Lichtspieltheater mit seiner Ehefrau Johanna, eine der ersten Swissair-Flugbegleiterinnen. Wenn nötig, sprangen auch die Angestellten der Zahnarztpraxis ein. Die Kinder verkauften Glace.
Vater Bigler wollte mit dem Kino sich und den Angestellten eine Altersvorsorge ermöglichen. Denn damals gab es noch keine AHV. Kaspar Bigler selber arbeitete schon mit 14 als Operateur. Nach und nach stiegen er und sein Bruder ins Kino- und ins Zahnarztgeschäft ein. Der Vater starb lange vor der Mutter, die noch viele Jahre im Kino mitarbeitete. Erst letzten September, mit 102 Jahren, ist sie gestorben.
Eingespieltes Team
Kaspar Bigler und sein Bruder Peter sind im Rentenalter. Beide arbeiten aber noch voll als Zahnärzte. Sie denken nicht daran, mit dem Bohren und dem Kino aufzuhören. Im Gegenteil. Bereits haben sie die Digitalisierung der Kinotechnik eingeleitet und planen einen Umbau. Weil die Treppe nicht den heutigen Sicherheitsanforderungen entspricht, werden die Sitzplätze auf dem Balkon aufgehoben. Anstelle der Sessel werden ein Technikraum und ein Büro eingebaut.
Unten werden die vier vordersten Sitzreihen entfernt, damit mehr Platz zwischen Leinwand und Stühlen entsteht. Die über 60-jährigen, viermal aufgepolsterten Kunstledersitze werden ersetzt. Damit bleiben von 260 Plätzen nur noch 130. Umbau und Digitalisierung sind frühestens nach der Sommerpause ausgeführt. Aber in einem Punkt bleibt Kaspar Bigler hart: «3-D-Filme wird es bei uns nicht zu sehen geben. Die verschwinden sowieso bald.»
Das digitale Aufrüsten rettete einige Landkinos
Bei den Landkinos rund um Bern gibt es Gewinner und Verlierer. Das Kino in Lyss konnte die Besucherzahl fast verdoppeln. Dasjenige in Aarberg muss schliessen.In einem Punkt sind sich die befragten Kinobetreiber einig: Pathé Westside ist eine starke Konkurrenz. «Junge zwischen 18 und 25 Jahren gehen ins Westside», sagt Rolf Schorro, Besitzer und Betreiber des Kinos in Laupen. Ihm ist klar, dass die Kinos im Westside für junge Menschen ein attraktiver Treffpunkt sind. Dort gibt es billige Parkplätze und die Möglichkeit, nach dem Filmgucken mit dem öffentlichen Verkehr in die Stadt in den Ausgang zu fahren.
Bei den Landkinos rund um Bern gibt es Gewinner und Verlierer. Das Kino in Lyss konnte die Besucherzahl fast verdoppeln. Dasjenige in Aarberg muss schliessen.In einem Punkt sind sich die befragten Kinobetreiber einig: Pathé Westside ist eine starke Konkurrenz. «Junge zwischen 18 und 25 Jahren gehen ins Westside», sagt Rolf Schorro, Besitzer und Betreiber des Kinos in Laupen. Ihm ist klar, dass die Kinos im Westside für junge Menschen ein attraktiver Treffpunkt sind. Dort gibt es billige Parkplätze und die Möglichkeit, nach dem Filmgucken mit dem öffentlichen Verkehr in die Stadt in den Ausgang zu fahren.
Laupen: Mehr Besucher
Hatte Schorro vor weniger als einem Jahr über Besucherrückgänge geklagt, tönt es jetzt anders: «Seit der Digitalisierung letzten Oktober läuft es bei uns sehr gut.» Er führt dies einerseits auf ein gutes, aktuelles Filmangebot zurück, andererseits auf Spezialprogramme, die sich an ein Publikum ab 25 Jahren richten. Das Familienunternehmen Schorro hatte vorerst noch gezögert, auf digitale Filme zu setzen.
Heute sieht Rolf Schorro Vorteile: Kaum mehr Portokosten, keine schweren Filmrollen mehr und qualitativ hochwertige Filme schon kurz nach der Premiere. Dass die Umstellung auf Digital überhaupt möglich war, sei dem Bundesamt für Kultur, den Gemeinden Laupen und Bösingen sowie grosszügigen Sponsoren und Kreditgebern zu verdanken, lobt der Kinobetreiber. Die Zahlen: Besuchten früher durchschnittlich 25 Personen eine Vorstellung, sind es seit der Digitalisierung gut 40.
Nachdem das Kino Düdingen geschlossen hat, liegt Murten Laupen am nächsten. «Le cinéma Feuerwehrmagazin N° 1» hat auf Digital umgestellt. «Damit konnten wir den Abwärtstrend bremsen, der seit der Eröffnung von Westside eingetreten ist», sagt Sonja Sutter, Administratorin von «Le cinéma» in Murten.
Gewinner: Lyss und Belp
Manuel Zach betreibt sechs Cinérgie-Landkinos. Zwei in Burgdorf, je eines in Grenchen, Worb, Lyss und Belp. In Worb hat er auf den Sommer den Mietvertrag gekündigt, nachdem die Besucherzahlen von 18'000 (2006) letztes Jahr auf 5000 absackten. «Dafür läuft es in Lyss und Belp sehr gut», sagt Zach. Belp sei seit jeher gut besucht gewesen. Mit der Modernisierung und zwei Sälen ist es Zachs Spitzenreiter. Dies zusammen mit dem Kino Apollo in Lyss.
Dort haben sich die Zuschauerzahlen von 8000 (2010) auf 15'000 im letzten Jahr fast verdoppelt. Den Aufschwung schreibt Zach der Digitalisierung zu, die es erlaubt, 3-D-Filme zu zeigen und, wie er sagt, «Premiumprodukten in einer Topqualität». Auf die Frage, ob er bereit wäre, das vor der Schliessung stehende Kino Aarberg zu übernehmen, meint der Cinérgie-Besitzer: «Betreiben schon, kaufen nicht.» Ein Kauf sei mit zu hohen Investitionen verbunden. Die Liegenschaft ist für 890'000 Franken zum Verkauf ausgeschrieben.