Konolfingen - Auf dem wilden Pflanzenmärit

Vielfältig und ungewohnt war das Marktangebot, das die wilden Märitleute am Ufer der Chise anboten.

Gertrud Lehmann, Wochen-Zeitung
Unkräuter sind Heilkräuter – und vielfach in ihrem Fortbestehen bedroht. Doch lieber schlucken die Menschen Pillen, und rücken der Natur-Apotheke vor ihrer Tür mit Gift und Hacke zuleibe. Gleichzeitig zerstören sie die Lebensgrundlage für Hunderte von Tierarten. Ist denn ein stereotyper Rasen, umrandet von importierten Büschen und sauber gepflegten Rabatten, wo in Reih und Glied angesetzte Kulturblumen blühen, wirklich schön?

Es gibt kein Unkraut

Der wilde Märit in Konolfingen trumpft nicht mit Blütenpracht und leuchtenden Farben auf. Er ist beschaulich, und man muss stehen bleiben und genau hinschauen. Da werden Pflanzen, die an jedem Wegsaum und Waldrand wuchern, zum Verkauf angeboten: Distel, Schafgarbe, Waldmeister, das als «Stritte» bekannte Immergrün, Geissbart und Bärlauch. Doch den Märitleuten geht es eher um Information, denn ums grosse Geschäft. Gärtnern ist ihr Hobby, nicht Beruf, aber die Natur ein Anliegen. Gerne geben sie Auskunft: Viele der als «Gjät» verschrienen Wildpflanzen sind nämlich nicht nur schön, sondern gleichzeitig heilsam. Sie können zu Tee, Salbe oder Umschlägen verarbeitet Krankheiten lindern und Schmerzen stillen. Sie sind reich an Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen, also verdienten sie einen Platz auf unseren Tellern. Dazu sind zahlreiche Kleintiere, Nützlinge und Insekten, allen voran der Schmetterling, auf Wildpflanzen angewiesen. Dabei stellt Pusch (Praktischer Umweltschutz Schweiz) fest, dass die Hälfte der Wildpflanzen vom Aussterben bedroht und jede sechste der 130 Arten in der Schweiz bereits verschwunden ist. Unkraut ist eigentlich ein Unwort, es auszurotten aber ist eine Untat.

Bücher und Büffel

Auf dem wilden Märit kann man sich informieren über richtige Baumpflege, über Kompostbearbeitung, naturnahe Gartengestaltung, Natur- und Vogelschutz. Am Bücherstand finden sich Sachbücher über alle möglichen Tier- und Pflanzenarten. Ruth und Hans-Peter Steffen aus Hilterfingen bieten Samen an für 290 verschiedene Wildblumen und Gräser, einzeln oder als Mischung. Jeder Kunde wird beraten, denn diese Pflanzen sind wählerisch und gedeihen nur an ihnen zusagenden Standorten. Entweder muss der Boden sumpfig, sandig oder sauer sein, der Platz sonnig oder schattig, und düngen ist verpönt. Zur weiteren Bereicherung des Marktes tragen regionale Produzenten bei. Darum können sich die Kinder an der Wasserbüffelkuh mit Kälbchen, den rosigen Ferkeln im Stroh und dem Kaninchen erfreuen. Naturnahe Künstler zeigen Körbe und Flechtkunst, Keramik und Raku und Steinhauerei. Weil zu einem richtigen Märit ein Beizli gehört, wird man auf dem Chisebrüggplatz mit Wildpflanzen-Küche und einheimischem Bier verwöhnt.

Bays Paradies

Der Initiator des wilden Pflanzenmärits, Fritz Bay, zeigte sich glücklich über die vielen Marktbesucher. Nach Bern und Thun sei das hier in Konolfingen der erste Versuch. Auf einem Plakat am Informationsstand stand die Frage: «Soll der wilde Pflanzenmärit auch 2005 stattfinden?» – «ja gerne», «ja natürlich», «e gueti Sach», «hoffentlich» und ähnliches waren die Antworten. Als Anwohner des Marktplatzes lud der Naturfreund Bay alle Gäste zu einem Rundgang durch seinen naturnahen Wildgarten ein. Hier wuchert es wie im Urwald, Dornenranken, Asthaufen und Baumstrünke dient gleichermassen als Kunstwerk wie als Unterschlupf für Tiere. Es zirpt, summt und tiriliert denn auch aus allen Ecken. Niemand hätte es gewagt, Bay unordentlich zu schimpfen, manche verliessen still und nachdenklich dieses Paradies.

www.wochen-zeitung.ch
www.konolfingen.ch

Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 27.05.2004
Geändert: 27.05.2004
Klicks heute:
Klicks total: