Zum Glück gibt es sie noch: Lockdown beschert Dorfläden mehr Kundschaft

Immer wieder wird das Lädelisterben in der Region Bern-Ost beklagt. Derzeit sind aber viele Leute froh, dass es die kleinen Geschäfte noch gibt. Das legt zumindest die Tatsache nahe, dass viele Dorfläden seit dem Lockdown mehr Kundschaft verzeichnen. So zum Beispiel die Oberdiessbacher Bäckerei Wegmüller und die Metzgerei Nussbaum in Wichtrach.

Isabelle Berger, isabelle.berger@bern-ost.ch

"Ja, uns dünkt, die Leute gehen derzeit weniger zum Grossverteiler", sagt Bäcker und Geschäftsinhaber Walter Wegmüller. Wie bei ihnen tauchten in Oberdiessbach auch in der Chäsi und in Bläuer's Hofladen viele unbekannte Gesichter auf. Wegmüller schätzt den  Zuwachs an Ladenkundschaft in der Bäckerei auf 15 bis 20 Prozent. Dazu kommt noch der Hauslieferdienst, den zu seinem erstaunen viele ältere Leute in Anspruch nähmen.

 

Auch Matthias Nussbaum, Geschäftsführer der Metzgerei Nussbaum aus Wichtrach, bestätigt, dass sie derzeit etwa ein Viertel mehr Kundschaft im Laden hätten, als vor dem Lockdown. "Die Leute interessieren sich auch mehr für Fleisch ab Hof", sagt Nussbaum,  dessen Betrieb auch für Bauernhöfe Tiere schlachtet und verarbeitet. Zudem würden auch einige ältere Leute ihren Wocheneinkauf bei ihnen bestellen und von ihnen, oft aber einem Familienmitglied nach Hause liefern lassen. Das schöne Wetter helfe im Moment allerdings auch noch mit. "Die Grillsaison fing früh an", sagt Nussbaum. In dieser Zeit erlebten die Metzgereien sowieso jeweils einen saisonalen Höhepunkt.

 

Wer im Ort bleibt, kauft auch dort ein

Trotzdem sieht er einen deutlichen Effekt des Lockdowns auf die Kunden- und Kundinnenfrequenz: "Man merkt, dass die Leute Home Office machen, darum im Dorf sind und auch hier einkaufen", sagt er. Wer zum Beispiel in Bern arbeite, kaufe meistens auch einfachheitshalber dort ein. Zudem hätten viele Eltern derzeit die Kinder zuhause und kochten somit öfter als sonst für die ganze Familie.

 

In Wichtrach gebe es zudem mit dem Coop, der Drogerie Riesen und ihnen ein kleines Zentrum, in dem man alles bekomme, was man so brauche, ohne in ein grosses Geschäft gehen zu müssen. "Das Coop musste kaum Bereiche absperren, da es als kleine Filiale gar nicht so ein grosses Angebot hat. Man musste auch kein Nümmerli ziehen. Das haben die Leute geschätzt", sagt er. Er vermutet, dass mehr Respekt vor grossen Menschenmengen dazu führe, dass grosse Läden gemieden und kleinere wiederentdeckt würden.

 

Auch Wegmüller sieht Home Office als einen klaren Grund für das derzeitige Phänomen. Aber auch die geschlossenen Restaurants. "Mittags kommen deshalb mehr Arbeiter als sonst, um sich bei uns etwas Warmes zu kaufen", sagt er.

 

Grossaufträge fehlen trotz mehr Ladenkäufen

Finanziell gesehen wirkt sich das Mehr an Ladenkundschaft aber nicht gross positiv aus, denn: "Die grossen Aufträge fallen derzeit aus", so Wegmüller. Bei ihnen sind das etwa Schwingfeste, Geburtstagsfeiern oder das Inselifest in Konolfingen, Nussbaum nennt die AGA, den Amtsmusiktag in Oberdiessbach und den Partyservice, etwa für Konfirmationen. "Was im Laden läuft, vermag das nicht aufzufangen", sagt Nussbaum. Da verkaufe man keine Festmengen.

 

Nun fragt sich natürlich, ob sich die vermehrte Berücksichtigung der Dorfläden während des Lockdowns auch danach weiterziehen wird. Wegmüller hofft jedenfalls, dass die Leute, die neuerdings durchaus auch immer wieder zu ihnen kämen, die kleinen Lädeli auch nach dem Lockdown nicht wieder vergessen würden. Nussbaum sagt sogar: "Solche Zeiten sind eine Chance für uns, die Leute zu überzeugen." Er denkt dabei an die bessere Qualität ihrer Ware und an die grössere Flexibilität der kleinen Geschäfte gegenüber den Grossverteilern, dank der sie auf spezielle Kundenwünsche eingehen könnten. Aber ob eine langfristige positive Wirkung bleiben werde, sei schwer zu sagen. "Es ist auch ein natürlicher Prozess, dass die Leute, wenn sie wieder auswärts arbeiten, auch wieder dort einkaufen", sagt Nussbaum.


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Erstellt: 26.04.2020
Geändert: 26.04.2020
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