Kiesental - "Eine breite Diskussion in der Bevölkerung wurde verhindert"

Der Zusammenschluss von 19 zu noch 1 Gemeinde im Kiesental bleibt eine Vision. Gemeindespezialist Ernst Zürcher aus Grosshöchstetten bedauert den Abbruch des Fusionsprojekts.

Johannes Reichen / Thuner Tagblatt

Vor zweieinhalb Monaten präsentierte Ernst Zürcher in dieser Zeitung seine Idee von einem Kanton Bern mit nur noch 39 Gemeinden. Derzeit sind es 382. Zürcher ist Gemeindespezialist, er stand bis vor einem Jahr dem Kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung vor.


Seine Idee ist kühn und vorläufig nur ein Vorschlag. Doch sie relativiert sich durch eine andere Idee, die Zürcher selbst und auch noch ein paar andere bis vor kurzem wälzten: die «Vision Kiesental», die den Zusammenschluss von 19 Gemeinden zu 1 Grossgemeinde propagierte.

Nur die Politik redet mit

Jetzt ist diese Vision Geschichte, noch bevor sie einen grösseren Kreis von Menschen hätte erreichen können. Vorgestern gab der Vorstand des Regionalverbands Kiesental bekannt, dass das Projekt einer Grossfusion nicht weiterverfolgt wird. Dieser Vorstand hatte die Arbeitsgruppe eingesetzt, zu der auch Zürcher gehörte. Er wohnt in der Region, er war früher Gemeindepräsident von Grosshöchstetten und zuvor von Oberhünigen.

Zürcher bedauert dieses abrupte Ende. «Man hat eine breite Diskussion verhindert», sagt er. Jener Teil der Bevölkerung, der nicht politisch gesteuert sei, habe sich nicht äussern können. Die Idee habe sich nicht festsetzen können. Denn die Gemeinderäte von 10 Gemeinden sprachen sich dagegen aus, die Pläne einer Grossfusion weiterzuverfolgen (siehe Grafik). Sie repräsentierten 56 Prozent der Bevölkerung. 9 Gemeinden waren dafür. Insgesamt dürften kaum mehr als 200 Leute von den Plänen gewusst haben. Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 25 000 Personen in den 19 Gemeinden machen sie nicht einmal 1 Prozent aus.

Vier Szenarien zur Auswahl

Peter Moser, Präsident und Sprecher der Region Kiesental sowie SVP-Gemeindepräsident von Konolfingen, verteidigt dieses Vorgehen. «Die Gemeinderäte müssen zu 100 Prozent hinter einer solchen Idee stehen, sonst wird es schwierig. Man muss ein Haus von unten aufbauen.» Das Resultat der Umfrage bei den Gemeinden sei zu deutlich, um das Projekt weiterzuverfolgen.

Die Arbeitsgruppe kam freilich zu einem ganz anderen Ergebnis. Besetzt mit Vertretern der Wirtschaft, der Kultur, des Alters, der Bildung, aber auch einzelner Gemeinden, legte sie sich am Anfang ihrer Arbeit vor rund einem Jahr vier Szenarien zurecht. Erstens die Eigenständigkeit aller Gemeinden, zweitens eine verstärkte Zusammenarbeit, drittens die verstärkte Anlehnung an die Agglomeration Bern, viertens die Grossfusion.

Gemeinsam stärker

Für die Arbeitsgruppe war die Sache klar. «Wir waren einhellig der Auffassung, dass wir nur mit einer Grossfusion etwas erreichen können», sagt Zürcher. Wenn das Kiesental eine erfolgreiche Zukunft haben soll, dann als eine einzige Gemeinde mit einer Stimme. «So könnte man die 25 000 Einwohner besser und wirkungsvoller steuern», sagt er.

«Als eine grosse Gemeinde hätten wir auch innerhalb der Regionalkonferenz Bern-Mittelland ein stärkeres Gewicht.» Doch die meisten Gemeinderäte wollen davon nichts wissen. «Ich habe das Gefühl, dass man sich weigert, bis zur nächsten Generation zu schauen.» Die Probleme würden nicht kleiner.

Peter Moser war einer Grossfusion im Kiesental gegenüber nicht negativ eingestellt. «Wenn alle Gemeinden Ja dazu gesagt hätten, wäre ich der Erste gewesen, der sich dafür eingesetzt hätte.» Doch das Ergebnis gelte es zu akzeptieren. «Wir müssen schauen, wie sich die Sache weiterentwickelt.» Er selbst könne sich etwa eine Gemeindegrenze zwischen dem oberen und dem unteren Kiesental vorstellen.

Im Süden tut sich was

Auf seiner Karte mit nur noch 39 bernischen Gemeinden zog Ernst Zürcher auch ein paar Linien durchs Kiesental. Zum Teil schlug er die bestehenden Gemeinden einer Grossgemeinde Konolfingen zu, zum Teil einem Gross-Oberdiessbach. Andere wie Biglen und Arni sollten in einem erweiterten Worb aufgehen. «Das wäre wohl etwas realistischer.» So sieht es Ernst Zürcher. Derweil tut sich im Süden etwas. Über eine Fusion verhandelt jetzt Oberdiessbach (3100 Einwohner) mit Bleiken bei Oberdiessbach (380 Einwohner).

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Erstellt: 19.04.2012
Geändert: 19.04.2012
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