Kiesen/Rubigen - Radikale Waldrodung entlang der A6 stösst auf Unverständnis

Das Bundesamt für Strassen hat in den letzten Wochen entlang der A 6 zwischen Kiesen und Rubigen – im Namen der Sicherheit – grossflächig Bäume gefällt. Das Ausmass der Rodung stösst von verschie­denen ­Seiten auf Kritik.

Gabriel Berger, Thuner Tagblatt
Der Blick auf die Aare ist im Raum Kiesen und Jaberg normalerweise den Benutzern des Waldweges direkt am Ufer vorbehalten. Seit einigen Wochen können nun jedoch an mehreren Stellen auch die Automobilisten auf der A 6 einen Blick auf den Fluss erhaschen. Möglich gemacht haben dies die Sicherheitsholzereiarbeiten des Bundesamts für Strassen (Astra) zwischen Kiesen und Rubigen. Dass die Sicht auf die Aare nicht mehr von unzähligen, dicken Stämmen verdeckt ist, zeigt, dass die aufgebotenen Forstarbeiter nicht gerade zimperlich vorgegangen sind.

"Kehrtwende von 180 Grad"

Das Astra hielt in einer Mitteilung, die unmittelbar vor der Holzerei verschickt worden war, fest, dass überalterte Bäume instabil werden und bei Wetterereignissen umzustürzen drohen. "Gerade an einer Autobahn kann dies fatale Folgen haben", hiess es. Entlang von Nationalstrassen werde der Wald daher regelmässig gepflegt und Bäume, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, entfernt. Nichtsdestotrotz stösst die Fällaktion – und vor allem deren Ausmass – von verschiedenen Seiten her auf Kritik.

Ein Leser, der sich bei dieser Zeitung gemeldet hat, sagt: "Vorher war es am Uferweg idyllisch. Die Autobahn hat man zwar zum Teil gehört, aber nicht gesehen." Nun sehe es aus wie nach einem Bombeneinschlag. Auch Hansruedi Stauffer aus Rubigen hat seinem Ärger unlängst in einem Leserbrief Luft gemacht. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er während vierzig Jahren als Projektleiter beim Tiefbauamt der Stadt Bern. Natürlich könne man die Baumpflege in einer Stadt nicht eins zu eins mit jener entlang einer Autobahn vergleichen, sagt Stauffer.

Dennoch: "Wir mussten damals bei jedem einzelnen Baum prüfen, ob eine Fällung wirklich nötig ist oder ob es Alternativen gäbe." Auch ausserhalb der Stadt und entlang von Kantons- oder Nationalstrassen sei der Wald im Namen der Sicherheit nie derart radikal und grossflächig ausgeholzt worden. "Gegenüber dem früheren Vorgehen ist das eine Kehrtwende um 180 Grad. Diesen Sinneswandel innerhalb von nur zehn Jahren kann ich mir nicht erklären", sagt Stauffer.

"Eine Chance für den Wald"

Laut Mark Siegenthaler, dem Informationsbeauftragten der Filiale Thun des Astra, ist der Wald zwischen Kiesen und Rubigen überaltert. "Die gefällten Bäume waren zu hoch, zu schwer und instabil und stellten daher sowohl für die Autofahrer auf der A 6 wie auch für die Fussgänger und Velofahrer auf dem Waldweg eine Gefahr dar", so Siegenthaler. Um die nötige Sicherheit zu gewährleisten, habe das Astra zusammen mit den zuständigen kantonalen Stellen beschlossen, den Wald auf einer Baumlänge bis zur Autobahn hin auszuholzen. Zwischen Kiesen und Münsingen kamen so rund 3500 Kubikmeter Holz zusammen.

Dass die entstandenen Schneisen in der Tat schlimm aussehen, bestreitet Siegenthaler nicht. Er sieht darin aber auch eine Chance für den Wald: "Er kann sich nun regenerieren. Es werden Büsche, Sträucher und auch wieder Bäume wachsen, was letztlich einen abgestuften Waldrand ergibt. In ein bis zwei Jahren wird man von der aktuellen Situation nur noch wenig sehen." Dass dem so sei, beweise der Autobahnabschnitt in der Nähe der ARA weiter flussaufwärts, wo vor zwei Jahren im ähnlichen Rahmen geholzt worden sei.

Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob die Holzerei nicht weniger radikal möglich gewesen wäre. "In diesem Perimeter wäre das nicht sinnvoll gewesen", sagt Siegenthaler. "Einzelne, stehen gelassene Bäume hätten dort zum Teil leicht umfallen können. Zudem musste man den Eingriff rasch abschliessen, um den Aareweg und den Pannenstreifen nicht unnötig lange zu sperren." Aus Sicherheitsgründen und im Sinne eines effizienten Vorgehens sei daher entschieden worden, den Streifen an den meisten Stellen "vollflächig" abzuholzen.

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Erstellt: 16.03.2016
Geändert: 16.03.2016
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