Kiesen - Schluss mit kleinen Parzellen
In Kiesen wurde der mühseligen Bewirtschaftung einzelner kleiner Waldparzellen ein Ende gemacht. Nun hat die Rechtsamegemeinde das Sagen.
26 Parzellen fusionieren und werden als Verbund übernommen. Was nach dem Tagesgeschäft einer Investmentbank klingt, war in den letzten drei Jahren Aufgabe einer der ältesten Vereinigungen des Kantons Bern. Die Rechtsamegemeinde Kiesen (siehe Kasten) übernahm im Deiberg zwischen Kiesen und Wichtrach ein Stück Wald, welches vorher 18 verschiedenen Parteien gehörte und von diesen bewirtschaftet wurde. «Diese langen und teilweise sehr dünnen Stücke Wald konnten kaum mehr unterschieden werden», erklärt Ernst Waber, Präsident der Rechtsamegemeinde.
Auf Kaufpreis geeinigt
Die Aufteilung des Waldes in die länglichen sogenannten Hosenträgerparzellen dürfte laut Waber aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Damals wurden die Parzellen mittels Handarbeit und Pferdefuhrwerken bewirtschaftet. Heute, rund 150 Jahre später, hat sich die Praxis deutlich verändert. Es wird vorwiegend mit Maschinen und schwerem Gerät geholzt. Weil bei dieser Art der Bewirtschaftung oftmals Bäume der Nachbarparzelle gefällt werden müssen, wurde das Projekt zur Zusammenlegung der Parteien unter der Ägide der Rechtsamegemeinde Kiesen angestossen.
«In den letzten drei Jahren diskutierten wir mit unseren Mitgliedern und den Waldbesitzern, wie eine Einigung erlangt werden kann», sagt Waber. Vereinfachend kam hinzu, dass von den 18 Parteien 14 Mitglieder der Rechtsamegemeinde waren. «Mit den restlichen vier Waldbesitzern konnten wir uns auf den Preis von 5 Franken pro Quadratmeter Wald einigen», führte Waber weiter aus. Dass dies ein eher hoher Preis ist, stört den Präsidenten wenig: «Zum wirtschaftlichen Wert muss immer noch der emotionale Wert hinzugerechnet werden.» Insgesamt beliefen sich die Kosten der Rechtsamegemeinde für den Landkauf, die internen Abrechnungen und den Notar auf 173 000 Franken.
Ausbau für Bewirtschaftung
Die Zusammenlegung ist jedoch nicht der einzige Vorteil der neuen Regelung im Muracherehölzli. Auch in Sachen Infrastruktur hat die Rechtsamegemeinde investiert. «Es gibt nun einen neuen, befestigten Waldweg, welcher zum zuvor lediglich über Erdwege erreichbaren Wald führt», sagt Waber. Davon profitiere in erster Linie die Rechtsamegemeinde als Waldbesitzerin, da der Wald nun mit modernen Maschinen erreicht werden könne. «Ein weiterer Vorteil ist die verbesserte Zugänglichkeit des Waldes als Naherholungsgebiet.» So findet man dort Wanderwege, Biker-Pfade und einen Barfusspfad. Nicht zuletzt aus diesen Gründen wurde die Errichtung des Waldweges mit 60 000 Franken vom Kanton unterstützt. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 86 000 Franken.
Der Ursprung der Rechtsamegemeinde Kiesen geht laut dem Präsidenten Ernst Waber bis ins 15. Jahrhundert zurück. Organisiert als bäuerliche Gemeinschaft, fungierte die damalige Dorfgemeindeversammlung als öffentliches Organ. Sie trat regelmässig zusammen, um etwa den Schulmeister zu wählen, die Höhe der Steuern zu bestimmen oder das Holzen im Wald zu besprechen.
1843 tritt die Rechtsamegemeinde erstmals unter diesem Namen als Pendant zur neu eingeführten Gemeindeversammlung auf.
Damals vereinigten sich 22 Rechtsbesitzer. «Diese Zahl geht höchstwahrscheinlich auf die damalige Anzahl Höfe in der Region Kiesen zurück», erläutert Waber. Heute sind es 14 Mitglieder, welche die 22 Rechte besitzen. Damals wie heute verfolgt die Rechtsamegemeinde dasselbe Ziel: Die gemeinschaftliche Pflege und Bewirtschaftung der rund 110 Hektaren Wald, welche die Rechtsbesitzer vertreten. Zu der heutigen Struktur sagt der Präsident: «Von den momentanen Mitgliedern sind bis auf vier allesamt Bauern. Die Gemeinschaft ist nach altbernischem Recht organisiert und pflegt neben dem Wald eine jahrhundertealte Tradition.» Um auf dem neuesten Stand zu bleiben, wurde das Reglement erneuert, Kompetenzen geregelt und das Stimmrecht angepasst. Nun sei die Gemeinschaft laut dem Präsidenten für die Zukunft gerüstet.