Kiesen - "Das Dorf ist mir ans Herz gewachsen"

Nach 6 Jahren als Kiesener Gemeindepräsident und insgesamt 16 Jahren im Gemeinderat tritt Ernst Nussbaum Ende Jahr zurück.

Marco Zysset / Thuner Tagblatt TT
Vor 20 Jahren betrat er die Kiesener Politbühne, Ende Jahr tritt er wieder ab: Ernst Nussbaum blickt auf eine lange und bewegte Zeit in der Gemeindepolitik von Kiesen zurück. Die letzten 6 Jahre amtete er als Gemeindepräsident, davor zwischen 1994 und 2004 als Gemeinderat.

Eingestiegen in die Politik war er als Kommissionsmitglied. Auf die Frage, wie seine Entwicklung vom Neueinsteiger zum Vollblutpolitiker vonstattengegangen sei, antwortet Ernst Nussbaum zuerst mit einem Lächeln, bevor er sagt: «Vollblutpolitiker? Bin ich das? Ich versuche einfach, da etwas zu bewegen, wo es möglich ist.»

Er sei nur Teil eines Teams. «Der Gemeinderat funktioniert nur als Team – und er ist auf eine professionelle Verwaltung angewiesen!» Ein Umstand, den Nussbaum im Gespräch immer wieder betont. «Der Gemeindeschreiber kennt die Gesetze und Paragrafen. Ohne ihn wäre die Arbeit für uns oft kaum machbar.» Deshalb sei ein harmonisches Verhältnis wichtig, besonders zwischen Gemeindepräsident und Gemeindeschreiber – aber im Rat generell.

«Um Jahre gealtert»

Gestört wurde diese Harmonie jüngst, als es um die Wahl von Nussbaums Nachfolge im Gemeindepräsidium ging. Die Ratsmehrheit hatte Vizepräsidentin Elsa Meyer vorgeschlagen und sie im «Chisener Info» als Kandidatin vorgestellt.

Gemeinderat Robert Homberger hätte ebenfalls für das Amt kandidieren wollen – und präsentierte diese Kandidatur im Vorfeld der letzten Gemeindeversammlung mit einem Flugblatt in allen Haushaltungen (wir haben berichtet).

Obwohl am Ende die Wunschkandidatin des Gemeinderates das Rennen machte, sagt Nussbaum auch einen Monat nach der Wahl: «Da habe ich um Jahre gealtert!»

Das Zusammenspiel aller Beteiligten – Gemeinderat, Verwaltung und Kommissionen – sei anspruchsvoll. «Es ist wichtig, dass dieses Zusammenspiel funktioniert», sagt Ernst Nussbaum, «sonst wird es für alle sehr schwierig.» Deshalb sei es auch nicht einfach, jeweils Behördenmitglieder zu finden: «Es ist sehr wichtig, dass die Leute ins gesamte Gefüge passen», sagt Nussbaum. «Ein Gemeinderat, in dem lauter Querdenker sitzen, hätte kaum eine Chance, zu funktionieren.» Ein gutes Team zeichne sich unter anderem durch Vielfalt aus.

«Mehr Gesprächsbereitschaft»

Wiederholt betont der scheidende Kiesener Gemeindepräsident denn auch: «Wer sich für ein öffentliches Amt zur Verfügung stellt, darf sich selber nie im Vordergrund sehen. Es geht immer um die Sache – in diesem Fall um das Wohl der Gemeinde.» Das habe auch für ihn während seiner Arbeit stets gegolten. «Ich bin nicht hier aufgewachsen, aber das Dorf ist mir ans Herz gewachsen.»

Die Politik und die Arbeit in den verschiedenen Gremien seien sein Hobby geworden, «ein Hobby, das praktisch alle Freizeit in Anspruch genommen hat», betont Nussbaum, «das mir aber auch viel zurückgegeben hat.» Der verheiratete Vater zweier Kinder erwähnt etwa die «zahlreichen Begegnungen mit spannenden Menschen».

Und: Ernst Nussbaum ortet in der jüngeren Vergangenheit mehr Gesprächsbereitschaft allenthalben. «Ich habe den Eindruck, in den letzten Jahren ist die Zusammenarbeit mit kantonalen Behörden, aber auch zwischen den Gemeinden besser geworden», sagt Ernst Nussbaum. «Man geht aufeinander zu, sucht gemeinsam den Dialog und versucht, konstruktive Lösungen zu erarbeiten, welche für beide Seiten gewinnbringend sind.» Als positive Beispiele nennt Nussbaum unter anderem die kantonale Denkmalpflege oder den Kontakt zur Gemeinde Jaberg, der mit der Fusion der beiden Ortsfeuerwehren intensiviert worden sei.

«Wachstum zulassen»

So plädiert Ernst Nussbaum in vielen politischen Belangen dafür, «gesundes Wachstum zuzulassen». «Gemeindefusionen kann man nicht befehlen», ist Nussbaum überzeugt, «aber im Gegensatz zu früher kann man das Thema heute schon offen ansprechen.» Weil er gleichzeitig glaubt, dass das Aaretal als Wohnraum für Menschen dient, die in Zentren wie Bern und Thun oder gar Zürich oder Basel arbeiten, plädiert er dafür, stets über die Gemeindegrenzen hinweg zu denken und zu politisieren. «Wir können und dürfen nicht nur an uns denken», betont er. «Und wenn wir uns Gehör verschaffen wollen, müssen wir uns halt zusammenraufen und gemeinsam auftreten.»

Gehör verschaffen will sich Ernst Nussbaum auch nach seinem Rücktritt als Gemeindepräsident noch. «Ich bin ja noch da», sagt er. Wohl auch, weil er nicht ganz freiwillig aus seinem Amt abtritt: Er hat sich weniger gut von einem Herzinfarkt im letzten Frühling erholt als erwartet. «Deshalb brauche ich mehr Zeit für mich – unter anderem zur Erholung, etwa von der Arbeit», sagt er und meint damit die Arbeit als Werkhofleiter, die er auch nicht mehr zu 100 Prozent aufnehmen kann.

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Erstellt: 23.12.2010
Geändert: 23.12.2010
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