Kiesen - Brückenkunst der etwas anderen Art
Die erst kürzlich neu gebaute Brücke T28 über die A6 in Kiesen hat ein Trottoir, das abrupt bei einem Gitter endet. Das Resultat unterschiedlicher Prioritäten von Bund und Kanton.
Am östlichen Ende hat das Bauwerk seit kurzem einen speziellen Ausläufer. Es handelt sich um ein relativ breites Trottoir, das abrupt bei einem Gitter endet und den verdutzten Fussgängern ausser eines ungläubigen Staunens bestenfalls die Aussicht auf die vorbeiflitzenden Fahrzeuge auf der A 6 gewährt.
Was ist passiert? Bis zum 1. Juli war T28 während rund anderthalb Jahren eine Baustelle. Das Astra, das Bundesamt für Strassen, liess die Brücke im Zuge der Gesamterneuerung der A 6 neu bauen – für sechs Millionen Franken. Die Vorgängerin von T28 hatte ihre Lebensdauer erreicht.
Zudem war sie gemäss den heute geltenden Normen zu wenig hoch und auch zu wenig breit. Doch wieso bekam die neue Brücke nun ein nutzloses Trottoir? Wer hat gepfuscht? Oder steckt mehr dahinter?
Ein erster Anruf bringt etwas Licht ins Dunkel. «Bei der Brücke wurde die Möglichkeit für eine Langsamverkehrsverbindung geschaffen», erklärt der Informationsbeauftragte der Filiale Thun des Astra, Mark Siegenthaler. Es geht also um einen Weg für Fussgänger und Velofahrer.
Die Stützmauer auf der Rampe zur Brücke sei so gebaut worden, dass ein Trottoir Platz finde. Von dort aus könnte die Verbindung zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Steg weiter über die A 6 geführt werden. Das sei auch bei der öffentlichen Auflage des Bauprojektes so publiziert worden. Bestellen, umsetzen und finanzieren muss die Verbindung laut Siegenthaler jedoch der Kanton.
Wie so oft liegt der Teufel also im Detail. Die Brücke als Bauwerk an und für sich gehört, da sie über eine Autobahn führt, dem Bund. Die Strasse über die Brücke liegt dagegen in der Verantwortung des Kantons. Passierte der Fehler also dort? «Nein, es handelt sich nicht um ein Versäumnis», hält der zuständige Kreisoberingenieur Thomas Schmid fest und erwähnt ebenfalls die geplante Langsamverkehrsverbindung.
Der Kanton hatte es aber weniger eilig als das Astra, das sämtliche baulichen Massnahmen im Zuge des Brückenneubaus gleichzeitig erledigte. Auf die Frage, wann der Rest des Trottoirs fertiggestellt werde, meint Schmid: «Das wird in den nächsten fünf Jahren wohl kaum der Fall sein.» Bei Bedarf sei eine Umsetzung jedoch rasch möglich – dies, weil der fehlende Teil eine Konstruktion aus Stahl sein werde und nicht aus Beton.
Wie viel die Fertigstellung dereinst kosten wird, kann Schmid dagegen noch nicht beziffern. Trotzdem: Wäre es nicht cleverer gewesen, Synergien zu nutzen und das Trottoir während des Brückenneubaus zu realisieren? Geht da nicht Steuergeld verloren? Schmid verneint: «Gerade weil wir Stahl verwenden, wird der fehlende Teil sogar günstiger.» Immerhin räumt der Kreisoberingenieur ein, dass der Status quo tatsächlich «etwas merkwürdig» aussehe. «Für die Leute wäre es verständlicher gewesen, wenn das Trottoir nicht so wie jetzt vorbereitet worden wäre.»