Kein Frieden auf der Underrüti: Gemeinde entfernt Protestplakate

Kurz vor Ostern räumten Arbeiter der Gemeinde Münsingen die Protestplakate in den Schrebergärten "Underrüti" ab. Die Betroffenen bezweifeln, ob das legal war.

Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch

Inzwischen wurde es abgesagt, das Bauprojekt der Firma Frutiger auf dem Areal Underrüti in Münsingen (BERN-OST berichtete). Zwar ist das Land nach wie vor für Wohnungsbau vorgesehen, ein konkretes Projekt wird es aber voraussichtlich erst nach der Ortsplanungsrevision "Münsingen 2030" wieder geben, über die 2021 abgestimmt werden soll. Die Pächter und Pächterinnen der Schrebergärten werden dann ihre Gärten aufgeben müssen. Vorläufig können sie aber bleiben.

 

Seit Bekanntwerden der Baupläne hatte ein Teil der Schrebergartenpächter und -pächterinnen mit Protest gegen den Verlust ihrer Gärten auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderem hingen zahlreiche Plakate, Tafeln und Transparente mit Parolen an Zäunen und Geräteschuppen. Auch nachdem Gemeinde und Baufirma das Projekt abgesagt hatten. Der Rückzug der Thuner Firma wurde auf Plakaten mit den Worten "Danke Frutiger" kommentiert.

 

Am Gründonnerstag Nachmittag tauchten auf der Brückreuti/Underrüti allerdings Werkhofarbeiter der Gemeinde Münsingen auf und räumten alle Protestplakate weg.

 

Auch in verpachteten Gärten

Nach Angaben von Betroffenen wurden die Plakate und Tafeln nicht nur von den gemeinsamen und brachliegenden Gartenteilen entfernt, sondern auch von den verpachteten. Die Arbeiter seien dafür teilweise über Zäune gestiegen. Man sei vorgängig auch weder zur Demontage aufgefordert noch über die Abräumaktion informiert worden. Auf Nachfrage habe ein Arbeiter gesagt, er handle "auf Befehl von oben". Er wisse auch nicht mehr. Eine Person hat die Arbeiten fotografiert.

 

Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) bestätigt, dass alle Plakate, auch auf den vermieteten Parzellen, entfernt wurden. Auch dass die Protestierenden vorgängig nicht aufgefordert wurden, die Plakate selber abzuräumen, stimme. Allerdings hätten die Arbeiter keine Zäune überschritten. Der Auftrag an den Werkhof sei nach einem Entscheid im Gemeinderat erfolgt.

 

"Haarscharf an der Legalität vorbei"?

Weder die Pflanzanweisung der Gemeinde Münsingen für ihre Familiengärten noch der Pachtvertrag regeln das Anbringen von Plakaten oder das Zutrittsrecht auf die Parzellen. Die Betroffenen sehen die Gemeinde im Unrecht. "Das Vorgehen schrammt wieder mal haarscharf an der Legalität vorbei", ist etwa Paul Stähli überzeugt. Er und weitere Mitglieder des "Komitees Zukunft mit Vernunft" vermuteten, dass es sich bei der Aktion um Hausfriedensbruch und Diebstahl handle.

 

"Es geht um Stil und Anstand"

Die Gemeinde kümmere sich als Vermieterin auch um den Unterhalt der allgemeinen Teile der Gartenanlage und habe somit das Recht, die Parzellen zu betreten, sagt hingegen Beat Moser. Ob es verboten sei, Plakate aufzuhängen, wisse er nicht. Deren Entfernung rechtfertigt er denn auch nicht juristisch, sondern moralisch. "Es geht um Stil und Anstand. Wir vermieten die Gärten zu sehr fairen Konditionen. Man hätte uns vor dem Aufhängen der Plakate zumindest fragen können."

 

Klar scheint zumindest eines: Auf beiden Seiten besteht nach wie vor ein gewisser Groll.  "Wir haben sachlich, transparent und offen informiert. Aber die Plakate waren jenseits von jedem Anstand", ärgert sich Moser.

 

Auf Seiten der Protestierenden hingegen wurde über Ostern bereits wieder eine neue Tafel mit der Aufschrift "Reaktion auf Aktion ist Kapitulation" aufgestellt. Diese Tafel wiederum sei in der Nacht auf Ostermontag schon wieder entfernt worden. "Wir wissen nicht von wem", schreibt Paul Stähli auf Nachfrage.


Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 16.04.2020
Geändert: 16.04.2020
Klicks heute:
Klicks total: