Interview: "Schlager wird aussterben, aber er hat sich lange gehalten"

Schlagerlegende Howard Carpendale (72) tritt am Donnerstag in Wichtrach auf. Im Interview spricht der deutsch-südafrikanische Musiker über die Veränderungen in der Branche, Elvis und die Regenbogenpresse.

Stefanie Christ, Berner Zeitung BZ

Herr Carpendale, wie ist es, jeden Morgen als einer der grössten Schlagerstars aufzuwachen?

Howard Carpendale: Wenn ich dies täte, wäre mir jeden Morgen übel! (lacht) Im Ernst: Heute gibt es im Gegensatz zu den Achtzigerjahren keine Schlagerstars mehr, ich verstehe mich als Entertainer – auch wenn ich nach wie vor sehr stolz auf meine Schlagerhits wie «Ti Amo» bin und sie gerne singe. Meine Aufgabe ist es, über zweieinhalb Stunden ein Publikum zu begeistern – das ist länger als ein Fussballspiel!

Schlager ist doch allgegenwärtig! Helene Fischer oder Beatrice Egli sind auch in den Charts.

Früher gab es gleichzeitig hundert Schlagerstars, heute konzentriert sich der Markt eher auf drei, vier grosse Namen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: In den Hitparaden und bei den Plattenverkäufen spielt Schlager bis auf diese grossen Namen keine gewichtige Rolle, der Markt ist vor seinem letzten Atemzug. Gerade für Männer ist es schwierig. Meine Verkäufe sind in den letzten Jahren um 80 Prozent zurückgegangen.

Wurden dafür Konzerte wieder wichtiger?

Ja, der Markt funktioniert nur noch mit Liveshows. Zehntausende Besucher reisen an, um eine tolle Atmosphäre zu erleben. Und die Musik hat heute viel mehr mit Popmusik zu tun. Der klassische Schlager wird aussterben, aber das ist okay, er hat sich sehr lange gehalten.

Stimmen Sie diese Veränderungen melancholisch?

Nein, das ist keine Melancholie, das ist Realismus. Ich bin englischer Abstammung, ich liebe Popmusik und bin stolz, wie gut meine neuen Songs ankommen. Eben spielte ich in der Münchner Olympiahalle drei Zugaben – drei mehr als geplant (lacht). Das Publikum in Wichtrach kann sich also auf eine stimmungsgeladene Show freuen!

Waren Sie schon mal in Wichtrach?

Nein, ich habe keine Ahnung, wo das liegt. Fährt man da von München aus Richtung Norden oder Süden?

Südwesten. Stimmt es eigentlich, dass Sie wegen Elvis Musiker wurden?

Jedes Kind hat seine Idole, und meines war Elvis, ja.

Beeinflusst er auch Ihre Musik?

Ich versuche das nicht zu forcieren. Mehr als um Elvis’ Musik geht es mir um den Auftritt. Da kann man viel von den grossen Entertainern aus Las Vegas lernen. Elvis schaffte etwa diese grossen Stimmungswechsel während eines Auftritts: vom Lachen zum Weinen. Es geht darum, das Publikum in der Hand zu haben.

Das klingt nach harter Arbeit.

Entertainer ist ein Beruf wie jeder andere auch. Es geht darum, das Publikum von den Gefühlenzu überzeugen, und mit jedem Auftritt lernt man etwas dazu. Nach fünfzig Jahren im Geschäft mache ich das mittlerweile ganz gut.

Als Star stehen Sie zuweilen mit Ihrem Privatleben im öffentlichen Fokus. Stört Sie das?

Noch vor dreissig Jahren habe ich die Regenbogenpresse verflucht, bei Falschmeldungen schalteten sich Anwälte ein, heute weiss ich: Das sind keine Meinungsmacher. Die Nachrichten von heute sind morgen alte Nachrichten.

Wurde der Journalismus seriöser im Umgang mit Prominenten?

Nein, da hat sich nichts getan. Es geht um Quote und Geld, das zeigt ja auch die ganze Fake-News-Debatte rund um Donald Trump. Es ist höchste Zeit, dass die Medien ihre Rolle in dieser Kontroverse kritischer reflektieren.

Gibt es einen Aspekt Ihres Berufs, den Sie gerne streichen möchten?

Fototermine, die hasse ich. Auf der Bühne bin ich ein anderer Mensch, aber im Privatleben bin ich kein Star. Ich wache auf und denke nicht: «Ich bin ein Schlagerstar.» Ich wache auf und freue mich über Sonnenschein. Dann gehe ich golfen.

[i] Calimeros-Schlagerfest: 12. Mai, ab 17 Uhr, mit Howard Carpendale, Die Paldauer, Stefan Mross, Marc Pircher, Linda Fäh, Anna Catarina Woitschack und den Calimeros, Sportzentrum Aaretal, Wichtrach.


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Erstellt: 09.05.2018
Geändert: 09.05.2018
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