Hochhäuser in Bolligen: Die lauten Stimmen unterlagen
In der Diskussion um die Entwicklung des Bahnhofareals wurden an der Gemeindeversammlung von Bolligen Ängste beschworen. Trotzdem, oder gerade deswegen, folgte eine grosse Mehrheit dem Gemeinderat. Mit dem Ja zum neuen Zonenplan kann nun höher gebaut werden. Ein Ja gab es auch zu höheren Entschädigungen für Gemeinderät:innen – nicht aber für die Gemeindepräsidentin.
Dass es rund um den Bahnhof Bolligen etwas ungemütlich ist, darin waren sich fast alle Redner:innen einig, die sich an der Gemeindeversammlung von Bolligen zur neuen Zone mit Planungspflicht (ZPP) XII äusserten. Für Emotionen sorgte, wie fast immer in solchen Fällen, die Höhe, in der zukünftig gebaut werden kann.
Das Land gehört zu Teilen dem RBS, der Landi und der Gemeinde. Der Gemeinde gehören zwei Gebäude, die teilweise leer stehen oder, im Fall der Musikschule, bald leer werden. Die ZPP legt in vier Sektoren die zulässigen Bauhöhen fest. Sie reichen von vier Vollgeschossen im Bereich der heutigen Musikschule bis zu sieben Vollgeschossen am Standort Bolligenstrasse 94 (BERN-OST berichtete).
Anwohner:innen äussern sich
Nach der Präsentation der Pläne durch Gemeindepräsidentin Kathrin Zuber (FDP) und der Ja-Empfehlung des Präsidenten der Geschäftsprüfungskommission Werner Denier formierte sich eine lange Schlange vor dem Redner:innenpult. Hauptthema: Die Hochhäuser. Die erste Rednerin, eine Anwohnerin, äusserte sich noch eher zurückhaltend. Eigentlich sei alles eine gute Sache, ausser der Bauhöhe. Hochhäuser seien nicht einladend und eine schlechte Visitenkarte am Dorfeingang von Bolligen.
Zu dem Zeitpunkt war im Saal noch ein gewisses Verständnis zu spüren. Hochhäuser im Dorf, diese Vorstellung ist für die wenigsten Leute das Ideal. Die folgenden Gegner:innen, zum allergrössten Teil Anwohner:innen, führten jedoch gröbere Argumente an, die offenbar auch auf einem Flyer im Dorf verbreitet worden waren.
Kein Platz mehr für Familien?
Es gehe ihnen mitnichten nur um die eigene Aussicht, betonte ein Anwohner. „Aber man weiss, was passiert, wenn man anfängt, am Rand eines Orts Hochhäuser zu bauen.“ Er und weitere Bürger:innen beschworen Ängste vor einem Hochhausghetto, mehr Kriminalität und steigenden Sozialausgaben, Riesenschulklassen, in denen die einzelnen Kinder untergehen. Mit Verweis auf den knappen Schulraum in Bolligen rief ein junger Redner in den Saal: „Wenn es mehr Wohnungen gibt, kommen mehr Familien. Wollen wir das?“
"Was hat das mit Bolligen zu tun?"
Als weitere Redner:innen ausführlich und emotional dieselben finsteren Szenarien beschworen, breitete sich im Saal Unbehagen aus. „Was hat das noch mit Bolligen zu tun, Kriminalität, Ghetto...“, sagte eine ältere Bürgerin später am Rednerpult. „Ich bin von den polarisierenden Voten schockiert. Wir wollen keine Familien mehr? Bolligen war immer ein Dorf für Familien.“ Für ihre Wortmeldung erhielt sie den ersten und wärmsten Applaus des Abends.
Nachdem sich auch Landi-Präsident Markus Schneider sowie Vertreter fast aller Parteien für die Vorlage aussprachen, sagte die Versammlung mit einer grossen Mehrheit Ja zur neuen Zone.
Ein Ja gab es auch zum neuen Reglement über die Entschädigung und Spesen (ESR), allerdings mit empfindlichen Abstrichen.
Mehr Geld für Gemeinderät:innen...
Präsentiert und mitgeschrieben wurde das Reglement von der Geschäftsprüfungskommission. Vorgeschlagen war, die Entschädigungen für den Gemeindeversammlungsleiter, die nebenamtlichen Gemeinderätinnen und die 50-Prozent-Stelle der Gemeindepräsidentin anzuheben. Die Jahrespauschale für die Gemeinderätinnen sollte statt 16'000 Franken neu 20'000 Franken betragen, die Gemeindepräsidentin sollte neu 94'000 anstatt der bisherigen 85'000 Franken verdienen.
Die Entschädigungen für die Gemeinderät:innen waren nahezu unbestritten. Gegen die Lohnerhöhnung für die Präsidentin und ihre Entschädigung im Fall einer Abwahl oder eines Ausscheidens wegen Krankheit aber gingen Anträge von SVP und Forum Parteilos Bolligen (pb) ein.
... nicht aber fürs Präsidium
Wenn die Arbeitsbelastung im Präsidium die 50 Stellenprozente überstiegen, müsse man über das Pensum reden, sagten beide Parteivertreter. Dafür müsste das Gemeindereglement angepasst werden. Auch der mit November späte Termin für die Gemeindewahlen wurde als Problem genannt. Wenn die Wahlen auf September verlegt würden, hätte ein:e abgewählte:r Gemeindepräsident:in mehr Zeit für die Stellensuche, was eine Abgangsentschädigung unnötig mache. Beide Anträge wurden deutlich angenommen, ebenso das angepasste Reglement.
241 Stimmbürger*innen oder 5.3% von insgesamt 4'584 Stimmberechtigten waren anwesend.
[i] Die Beschlüsse:
1. Jahresrechnung 2021: Die Rechnung mit einem Aufwandüberschuss im Gesamthaushalt von 231'278.19 Franken wurde mit grossem Mehr und einer Gegenstimme genehmigt.
2. Arealentwicklung Bahnhof Bolligen – Die Änderung des kommunalen Baureglements, Anhang 2 und der Zonenplan 1 betreffend ZPP Nr. VII, Bahnhof Ost und ZPP Nr. XII, Bahnhof West wurde mit 132 Ja- zu 83 Nein-Stimmen genehmigt.
3. Das neue Reglement über die Entschädigungen und Spesen (ESR) mit Inkraftsetzung per 1.1.2023 wurde nach Genehmigung folgender Anpassungen mit grossem Mehr und einer Gegenstimme genehmigt:
- Artikel 3 Abs. 1 des Reglements über die Entschädigungen und Spesen wird geändert, so dass die heutige Besoldung
von jährlich rund 85‘000 Franken erhalten bleibt. Die fixe Besoldung des Gemeinderatspräsidiums entspricht der
Einstufung Gehaltsklasse 24 (statt 26) mit Gehaltsstufe 75 (statt 70) gemäss Gehaltsklassentabelle des Kantons
Bern, wobei der Beschäftigungsgrad gemäss Art. 54 der Gemeindeverfassung (GEB) zu berücksichtigen ist.
- Artikel 13 „Entschädigung bei Nichtwiederwahl ins Gemeindepäsidium“ und Artikel 11 Absatz 2 werden ersatzlos gestrichen.
4. Die Kreditabrechnungen "Wasserleitungsersatz im Projektperimeter Wärmeverbund Bolligen-Stettlen", "Wasserversorgung – Netzerweiterung Bahnhof-Höheweg-Hühnerbühlstrasse", "Sanierung des Strassennetzes 2015-2019" und "Oberstufenzentrum Eisengasse (OzE) – Gesamtsanierung 2020-2027, Planungskredit" wurden zur Kenntnis genommen.