Herbligen - Der Besonnene und Sachliche tritt ab
Nach 24 Jahren als Gemeindeverwalter ist Hans Nydegger in Pension gegangen. Zuvor war er 15 Jahre lang Lehrer in jenem Dorf im Kiesental, in dem er sich daheim fühlte.
Auf die Frage, wie es dazu kam, dass er sich insgesamt 39 Jahre lang in den Dienst einer kleinen Landgemeinde wie Herbligen gestellt hat, antwortet Hans Nydegger mit einer Gegenfrage: «Was ist eigentlich Heimat?» Das sei die Frage, die ihn neulich auf einer Wanderung beschäftigt habe. «Ich kam zum Schluss, dass Heimat für mich der Ort ist, mit dem man viele Erinnerungen verbindet und in dem viele liebe Menschen leben.» Herbligen sei für ihn dieser Ort geworden. Deshalb blieb er dem Dorf auch treu, als er den Lehrerjob «zugunsten einer Aufgabe, bei der ich mehr im Hintergrund wirken kann», aufgab und 1990 als Gemeindeverwalter angestellt wurde.
Komplexe Systeme
Nydeggers Begeisterung hielt sich in Grenzen, als diese Zeitung ihn kontaktierte, mit der Absicht, anlässlich seiner Pensionierung ein Porträt zu schreiben. «Ich habe nicht viel zu erzählen», sagte er. Im persönlichen Gespräch zeigt sich indes, dass der Mann, der die Verwaltung der 580-Einwohner-Gemeinde praktisch im Alleingang bewältigt hat, sehr wohl einiges zu sagen hat.
Etwa wenn er durchblicken lässt, dass er seine Zweifel daran hat, dass es viele Leute gibt, die bei den kantonalen und nationalen Finanz- und Lastenausgleichssystemen noch den Durchblick haben. «Das ist ein hochkomplexes Gebilde», sagt Nydegger, «das wahrscheinlich nur all jene voll und ganz verstehen, die mitgeholfen haben, es zu konstruieren.»
Der neue Alt-Gemeindeverwalter stimmt aber nicht in den Kanon all jener ein, die generell alles schlecht finden, was aus den Stuben der Kantonsverwaltung kommt: «Mit dem Finanz- und Lastenausgleich wurden – zumindest in unserer Region – die Steuersätze der Gemeinden ausgeglichener und damit der zum Teil ruinöse Steuerwettbewerb etwas entschärft.» Zudem könne nicht immer nur auf dem Kanton rumgehackt werden. Er weiss: «Die kantonalen Vorgaben sind manchmal auch die Folge von übergeordnetem eidgenössischem Recht.»
Besonnen und sachlich
Es ist augenscheinlich: Hans Nydegger ist kein Mann der Schlagworte, sondern einer, der Argumente stets besonnen und sachlich abwägt. So ist er klarer Verfechter der Gemeindeautonomie. «Es gibt viele kleine Details in einer Gemeinde, die man nur vor Ort effizient und rasch bewältigen kann», sagt er. «Wenn ein Bürger einen wackeligen Schachtdeckel meldet, weiss sofort jedes Behörden- und Verwaltungsmitglied, um welchen Deckel es geht.» Zudem ist Nydegger überzeugt, dass die Menschen in einer kleinen Gemeinde sich stärker mit dem Dorf identifizieren und damit bereit sind, sich fürs Gemeinwohl einzusetzen. «Wenn viele ein Amt oder eine Funktion übernehmen, ist die Bindung stärker», ist Nydegger überzeugt.
Zeit nachzuholen
Blickt er in die Zukunft, teilt er aber die Einschätzung von Daniel Arn, Geschäftsführer des Verbands Bernischer Gemeinden, und zitiert diesen mit den Worten: «Gemeinden werden mehr und mehr zu Agenturen des Kantons.» Fakt ist: Neben der allgemeinen Verwaltung ist Herbligen heute noch für die Finanz- und die Bauverwaltung in Eigenregie zuständig. Alles andere – Feuerwehr und Zivilschutz, Sekundarschule, AHV-Zweigstelle, Sozialdienste sowie Abwasser und Wasserversorgung – ist in regionalen Institutionen organisiert. «Es würde mich nicht erstaunen, wenn bei der Revision der Ortsplanungen mit der Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetzes weitere Einschränkungen auf kleine Gemeinden zukommen», sagt Nydegger, der sich darauf freut, jetzt mehr Zeit mit Wandern, Radfahren, im Garten, beim Lesen oder mit Konzertbesuchen sowie mit seinen Grosskindern zu verbringen. «All das kam in den letzten Jahren zu kurz», sagt er.
«Der Finanz- und Lastenausgleich ist ein hochkomplexes Gebilde, das wahrscheinlich nur all jene voll und ganz verstehen, die mitgeholfen haben, es zu konstruieren.»
Die Nachfolgerin