Helipilot Patrick Berger in den USA: "Ein Anruf, der an Schrecklichkeit nicht zu überbieten ist"
Der 23-jährige Patrick Berger aus Linden ist am 4. Januar für ein Jahr in die USA gereist, um sich zum Helikopterpiloten ausbilden zu lassen. Ende August musste er aus einem traurigen Grund seine Ausbildung unterbrechen und nach Bern eilen: Seine Mutter hatte einen Hirnschlag erlitten und verstarb kurz nach Patrick Bergers Eintreffen.
Die Hitzeperiode ist vorbei, die Waldbrände gelöscht und es fällt wieder Regen jetzt im Oktober. Doch weiterhin heisst es Instrumentenflug ahoi. Jetzt bin ich jedoch in Stage 2, nachdem ich bei ca. 43°C meinen Stage-1-Checkflug absolviert habe und leider keine Klimaanlage im Helikopter vorfinden konnte. Der Schweiss floss in Strömen bevor ich überhaupt abgehoben bin. Ich kann sagen, dieser Flug war alles andere als angenehm. Einige Manöver gemacht, gefühlte zwei Liter geschwitzt und zurück zum Flughafen.
Nun stehen sogenannte Instrumentenanflüge auf dem Programm. Das ist nichts anderes, als der Landeanflug ohne Sicht bis einige Meter vor dem Aufsetzten. Dies wird benötigt wenn die Sicht so schlecht ist, dass man kaum die Landebahn sieht bis diese unmittelbar vor deinen Augen erscheint. An einigen Flughäfen haben wir dieselben Anflüge und Prozeduren wie die grossen Passagierflugzeuge. Auch die Umschulung auf den grösseren Hubschrauber, den Robinson R44 habe ich mittlerweile gemacht. Sehr schön, mal etwas Grösseres zu fliegen und dazu ist er einfacher zu steuern als der kleine R22.
Kurz vor Stage 2 die schreckliche Nachricht
Am Donnerstag, morgens um 5.30 Uhr, nachdem ich von einem fast vier Stunden langen Nachtflug kaum im Bett war, bekam ich einen Anruf, der an Schrecklichkeit nicht zu überbieten ist. Es war die Freundin meines Bruders, die mir mitteilte dass ich unverzüglich in die Schweiz zurückkommen soll da meine geliebte Mam einen Hirnschlag erlitten habe und sie es nicht überleben werde. Ich dachte, ich sei am Träumen und konnte nicht glauben, was ich da hörte. Aus dem absoluten Nichts ist dies geschehen. Ich hatte einen riesen Schock und packte alles in meinen Koffer und suchte nach einem Flug, damit ich meine Mam noch sehen kann bevor sie sterben wird.
Am Samstagabend um 18 Uhr in Bern angekommen, ging ich direkt in das Inselspital zu meiner Mam. Es war für mich sehr schwer sie nach so langer Zeit im Spital zu sehen, mit dem Gedanken, dass sie bald nicht mehr da sein wird. Am 1. September, am Morgen ist unsere geliebte Mam dann verstorben, was ich bis heute noch nicht realisieren kann. Es ist schrecklich wenn ich daran denke, diese aufgestellte, fröhliche Person nie mehr sehen zu können. Da ich meinen Vater durch einen tragischen Verkehrsunfall auch schon verloren habe, bleibt mir nun nur noch mein Bruder Stefan.
Es muss weitergehen
Nach ungefähr fünf Wochen in der Schweiz ist für die meisten der Alltag wieder da und ein geregelter Tagesablauf lenkt ab von der schweren Zeit. Auch ich hatte das Bedürfnis, wieder in meinen Alltag zurückkehren zu können. Jedoch ist der rund 12`000 Kilometer weit weg von zu Hause. Trotzdem habe ich entschieden: Es muss weiter gehen. So einfach es gesagt ist, so schwer ist es zu machen. Nicht ganz ohne Zweifel habe ich aber einen Flug zurück in die USA gebucht.
Sprengstoff?
Am 6. Oktober hiess es also wieder „Goodbye Switzerland“. Doch leider diesmal mit einer wichtigen Person weniger beim Abschied nehmen. Etwas unwohl mit dem Gedanken wieder so weit weg zu sein von zu Hause ging ich an den Frankfurter Flughafen von welchem ich einen direkten Flug nach Portland bei der Condor gebucht hatte. Jedoch verlief nicht alles ganz reibungslos. Beim sogenannten Airail-Check-in, hiess es: "Wir können Ihnen das Ticket nicht geben Herr Berger." Verblüfft fragte ich nach warum und bekam die Antwort, ich hätte ein Formular, das man braucht um in die USA zu reisen, nicht ausgefüllt und deswegen akzeptiere mich das System nicht. Obwohl ich ihm erklärte dass mein Visum noch über zwei Jahre gültig ist, verweigerte er mir die Ausgabe eines Flugtickets.
Also ging ich direkt zum Ticketschalter der Condor, wo man mir dann mein Reiseticket ohne Problem ausstellte. Erleichtert ging es ab durch den Zoll. Jedoch, wie es der Zufall will, wurde mein Laptop gescannt und schon wurde nervös nach dem Besitzer gesucht, also nach mir. „Alles einpacken und mitkommen.“ Gespannt, was sie mir jetzt schon wieder vorwerfen wollten, packte ich mein Zeug zusammen und folgte dem Zöllner. Bei einem Scanner blieb er stehen und klappte meinen Laptop mit Handschuhen auf, rieb einen Papierstreifen über meine Tastatur und legte den Streifen in die Maschine zur Analyse. Auf meine Frage, nach was er suche, kam erst eine Antwort nachdem der Scanner meinen Laptop als „ungefährlich“ eingestuft hatte. „Sprengstoffverdacht“, war dann seine Antwort. Ich konnte mein Lachen nicht ganz verkneifen dabei. Der Rest der Reise verlief danach problemlos.
Welcome back
Ich wurde am Flughafen Portland von meinen drei Kolleginnen und meinem Mitbewohner herzlichst empfangen und ich fühlte mich sehr gut, wieder da sein zu dürfen. Auch als ich einen Tag später in die Flugschule ging wurde ich von allen empfangen, und immer wieder hörte ich, es sei schön dass ich wieder da bin und man habe mich vermisst. Es macht es für mich auch einfacher hier. mit den vielen guten Leuten. Und ich kann sagen, ich bin froh, wieder da zu sein.
Endlich wieder abheben
Nach langer Pause mit Fliegen hiess es am 9. Oktober endlich wieder: Take-off. Ein Flug mit meinem Fluglehrer, zuerst die Notmanöver wiederholt, danach irgendwo im Wald Aussenlandungen gemacht, schon war die Zeit wieder vorbei. Es fühlte sich sehr gut an, wieder fliegen zu können und ich konnte nach langer Zeit des Trauerns wieder einmal sagen, dass ich glücklich bin. Ich bin sehr dankbar, wieder in den USA sein zu dürfen. Trotz allem was passiert ist, habe ich meinen Mut zusammengenommen und beschlossen meinen Traum vom Fliegen nicht aufzugeben. Nun ist auch für mich mein Alltag wieder eingetroffen und es kann weitergehen.