Habstetten - Widerstand gegen Flachdächer

Bolligens Behörden haben im Dorf Habstetten die beiden ersten Häuser mit Flachdach bewilligt. Zahlreiche Dorfbewohner wehren sich dagegen. Nun liegt der Ball beim Kanton.

Markus Zahno, Berner Zeitung BZ

Habstetten ist ein Dorf wie aus dem Bilderbuch. Umgeben von Wäldern, Wiesen und Maisfeldern, thront es über Bolligen. Die Strassen laufen sternförmig auf den historischen Ortskern mit dem Rössli, dem Feuerwehrhäuschen und der alten Käserei zu. Ein paar Schritte weiter, im ehemaligen Krämerhaus, wuchs einst Schwingerkönig Ruedi Hunsperger auf. Besonders markant sind die Bauernhäuser mit Ründi und ausladenden Dächern. Auch die Dächer der neueren Ein- und Mehrfamilienhäuser, die in den letzten vierzig Jahren entstanden sind, sind grösstenteils in Richtung Nord-Süd oder West-Ost ausgerichtet. Die Ziegel haben alle ähnliche Farben.


«Und jetzt das», sagt Hermann Bigler kopfschüttelnd.


Bigler wohnt in Habstetten und präsidierte von 1988 bis 2000 den Bolliger Gemeinderat. Mit Auflagen punkto Dachformen und Ziegelfarben hat der Rat bei Baubewilligungen früher jeweils dafür gesorgt, dass Habstetten seinen Charakter behält. Dass Neubauten ins Dorfbild passen. Doch nun wird die Idylle gestört: Die Bolliger Hochbaukommission hat unlängst zwei Mehrfamilienhäuser mit Attikageschoss und Flachdach bewilligt. Eines am Spittelhausweg neben dem alten Armenhaus, eines an der Dorfstrasse unterhalb der Hoschtet des Zälgli-Bauernhofs.

Architekten finden es okay

13 – nun abgewiesene – Einsprachen sind gegen die zwei Projekte eingegangen. Im Namen der Einwohnerinnen und Einwohner setzt sich auch der Dorfverein Habstetten zur Wehr. Warum? Hermann Bigler, der die Einsprache des Vereins formuliert hat, schlägt das Bolliger Baureglement auf. In der erhaltenswerten Dorfzone Habstetten sei «der traditionelle Dorfcharakter zu erhalten», heisst es dort. Und: «Die Dächer der Gebäude sind dem Orts- und Strassenbild entsprechend zu gestalten.» Für Bigler und den ehemaligen Vizegemeindepräsidenten Jean-Pierre Remund steht deshalb fest: Die Hochbaukommission hätte die zwei Flachdachhäuser nicht bewilligen dürfen. «In Bolligen sehen Flachdächer gut aus, dort haben sie eine langjährige Tradition», sagen sie. «Aber in Habstetten, wo alle Häuser Sattel- oder Walmdächer haben, stören sie.» Niklaus Wahli, SP-Gemeinderat und Präsident der Hochbaukommission, ist sich des heiklen Entscheides bewusst. «Er ist aber gut überlegt.» Man habe auch den aus Architekten bestehenden Fachausschuss für Baugestaltung sowie die kantonale Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder (OLK) um Rat gefragt. Beide befanden, die Flachdachhäuser seien in Habstetten möglich. Solche Bauten seien «Vertreter einer neueren Architektursprache», schrieb die OLK in ihrem Bericht. In einem Einfamilienhausgebiet «von unbedeutendem Situationswert» bildeten sie «keine massgebende Qualitätsminderung».

«Ein Präjudiz»

«Ob die geplanten Bauten schön sind, darüber lässt sich stundenlang streiten», fasst Niklaus Wahli zusammen. «Unsere Aufgabe ist aber, abzuklären, ob sie reglementkonform sind.» Diese Frage lasse sich mit Ja beantworten. Denn in Habstetten seien Flachdächer laut Baureglement nicht explizit verboten.

Das wissen auch Hermann Bigler und Jean-Pierre Remund. Für sie ist es aber völlig klar, «dass diese Flachdächer nicht ins Dorfbild passen». Wenn man sie nun bewillige, sei ein Präjudiz geschaffen. «Dann kann man in Habstetten künftig keine solchen Bauten mehr verhindern», sagt Remund. Support erhalten die Kritiker vom ehemaligen Bauverwalter Ueli Turtschi und von Niklaus Rüfenacht, Mitglied jener Arbeitsgruppe, die vor vier Jahren das neue Bolliger Baureglement ausarbeitete. «Es war nie die Absicht, in Habstetten Flachdächer zuzulassen», teilen die beiden in einer unterschriebenen Erklärung mit.


Beschwerde beim Kanton

Dass die Hochbaukommission die Flachdachhäuser in Habstetten bewilligt hat, heisst noch nicht, dass sie gebaut werden dürfen. Voraussichtlich mehrere Einsprecher werden die Baubewilligungen bei der kantonalen Baudirektion anfechten. Falls der Gang durch die Instanzen jedoch ohne Erfolg bleiben sollte, gibt es nur noch eine Möglichkeit: Auf eine Änderung des Baureglements hinzuarbeiten, damit Flachdächer in Habstetten künftig explizit verboten sind.
Doch mindestens zwei Häuser mit Flachdach stünden dann bereits.

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Erstellt: 12.09.2012
Geändert: 12.09.2012
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