Gysenstein - Klimafreundliche Milch dank älteren Kühen
Der Hof der Familie Joss ist einer von 46 bäuerlichen Pilotbetrieben, die Nestlé Schweiz mit klimafreundlicher Milch beliefern. Bei deren Produktion soll weniger CO2 entstehen.
Die Hauptdarstellerinnen stehen auf der Weide gegenüber dem Gysihof. Es sind die Kühe. Wiederkäuend beäugen sie den Medientross, der ihretwegen nach Gysenstein gekommen ist. Es geht um ihre Milch. Genauer: um klimafreundlich produzierte Milch, die der Betrieb an Nestlé liefert. Wie solche Milch entsteht, erklären Fachleute in der Scheune von Rahel und Bernhard Joss, die an einem Pilotprojekt teilnehmen.
Etwa Daniel Imhof, Leiter Landwirtschaft Nestlé Schweiz, betont die Bestrebungen, die CO2-Emissionen in den Fabriken von Nestlé Schweiz bis 2020 um die Hälfte zu reduzieren. Zum Beispiel bei der Milch. Das heisst, der Methanausstoss von Kühen, der den Treibhauseffekt anheizt, soll vermindert werden.
Längeres Leben für Kühe
Rinder kriegen im Alter von rund zweieinhalb Jahren ihr erstes Kalb. Vom ersten Tag an stossen die Tiere mit Rülpsen und Furzen Methan aus. Das tun sie natürlich auch später, wenn sie zu Milchkühen geworden sind. Aber, so sagt Daniel Imhof: «Mit den Jahren sinkt der Methanausstoss. Pro zwei Jahre höherer Lebensdauer macht das pro Kilo Milch bis zu 20 Prozent aus.» Diese Zahl haben Fachleute aufgrund von Alter, Gewicht, Futter- und Milchmenge der Kuh berechnet. Deshalb sollen Kühe von Nestlé- Milchlieferanten in Zukunft länger leben, das heisst, ein Alter von fünf Jahren und mehr erreichen, vorausgesetzt, sie bleiben gesund und erbringen die erwartete Milchleistung. Eine längere Lebenszeit habe auch den Vorteil, dass die Kuh mehr Fleisch ansetzt, sagt Imhof. Ein weiterer positiver Effekt der längeren Haltung ist, die Gülle zu Biogas zu verarbeiten.
Globales Vorbild Schweiz
Nur: Fünf Jahre, das ist zwar mehr als heute, wo eine Milchkuh nach der ersten Geburt nur rund zwei Jahre lebt. Aber es ist wenig, wenn man bedenkt, dass Kühe mehr als zwanzig Jahre alt werden könnten. Aber Milch produzieren verlangt Hochleistung, Gesundheit und eine perfekte Futterzusammenstellung. Deshalb liegt die Lebenserwartung einer Hochleistungskuh bei maximal zehn Jahren.
Adrian Aebi, Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft, glaubt, dass das Projekt klimafreundliche Milch ein Leuchtturm sei, den der Bund unterstütze. Er hofft, dass die Erkenntnisse der Schweizer Milchwirtschaft ermöglichen, globales Vorbild für eine klimaschonende Produktion zu sein. Dafür werden den 46 Pilotbetrieben auch Workshops angeboten.
Möglichst nur Gras
Nachhaltigkeit strebt auch die 28-jährige Bäuerin Rahel Joss an, die mit ihrem Vater Bernhard den Gysihof führt. Daneben arbeitet sie Teilzeit als Agronomin. Sie ist zuständig für die Viehzucht und erklärt, welche Kühe für eine klimafreundliche Milchproduktion geeignet seien: das Schweizer Fleckvieh, eine milchbetonte Zweinutzungsrasse. Diese entstand durch das Einkreuzen von Red-Holstein-Stieren in die Simmental Rasse. Das ergibt Kühe, die sich fast nur von Weidegras ernähren und möglichst wenig Zusatzfütterung benötigen.
Welchen Einfluss die Fütterung auf den Methanausstoss einer Kuh hat, wird noch erforscht. Ab 2020 werden die Forschungsergebnisse in die Praxis umgesetzt. Bis dahin weiden die 24 Kühe des Gysihofs möglichst oft in der freien Natur. Dabei lassen sie sich auch von einem Medientross und Blitzlichtern nicht stören.