Gurnigel-Rennfahrer Steiner: "Ein Rennen gewinnt man zu Hause"
Der 40-jährige Fahrer Marcel Steiner zählt beim morgigen 46. Gurnigel-Bergrennen zu den Favoriten. Ein Autorennen sei nicht nur Geschwindigkeit, sondern minutiöse Vorbereitung, sagt der Automechaniker.
Marcel Steiner fährt den schwarzen Honda Civic ruhig, aber zügig durch das Dorf. Über die Telefonfreisprechanlage bespricht er Organisatorisches wegen des bevorstehenden Rennens. Morgen startet er am 46. Gurnigel-Bergrennen. In den letzten zwei Jahrzehnten ist er es etwa zehnmal gefahren, war fünfmal Sieger und hält den aktuellen Streckenrekord. Steiner sei der schnellste Berner, sagt Theo Bertschi, Marketingchef des Gurnigelrennens.
Autorennen sind das Hobby und die Leidenschaft des 40-Jährigen mit Lausbubengesicht, Billy-Idol-Frisur und silbernem Ohrring. Die Leidenschaft für Autos und Technik ist ihm in die Wiege gelegt worden. Schon sein Vater Heinz war Amateurrennfahrer und startete viele Male am Gurnigelrennen. «Schon als Schulbub habe ich den Vater auf den Gurnigel begleitet», sagt Marcel Steiner.
Als Sohn Marcel mit dem Rennsport begann, war der Vater selbst noch dort aktiv. «Er hatte wenig Zeit, um mir beim Einstieg behilflich zu sein.» Als Teenager begann Marcel Steiner mit Gokart-Rennen, dann fuhr er mit 21 Jahren das erste Autorennen, zuerst in der Einsteigerklasse Formel Ford und später mit Sportwagen der Gruppe C auf der Rundstrecke. Vor elf Jahren spezialisierte er sich auf Bergstrecken. Bei diesen Rennen müsse jeder Fahrer selbst den eigenen Stil und den Weg zum Erfolg finden. Bergrennfahrer seien Individualisten. Für sich ist Marcel Steiner zuversichtlich: «Ich glaube, ich bin gut unterwegs.» Drei Mal holte er den Schweizer und einmal den deutschen Bergmeistertitel. Am Gurnigel zählt er darum zu den Favoriten.
Bei Regen souverän
Auch Steiner selbst schätzt seine Chancen für das morgige Rennen als gut ein. Mit dem Martini sei der dritte Platz realistisch. Der 18-jährige Sportwagen mit BMW-Motor, den er fahren wird, hat mit 370 PS einen deutlichen Nachteil gegenüber der Konkurrenz mit stärkeren Motoren. «Doch ich fahre, um zu gewinnen», sagt Steiner entschlossen – errötet und lächelt etwas verlegen. «Bei einem Rennen weiss man nie, was passiert», sagt er. Er selber käme mit schlechtem Wetter gut zurecht, sagt er, es könnte ihm sogar zu einem Sieg verhelfen. «Doch für den Veranstalter ist natürlich sonniges Wetter besser.»
Steiners Freund und Konkurrent Joel Volluz bestätigt dessen Einschätzungen. Steiners Auto sei ein Nachteil, doch falls es regne, habe Steiner trotz des schwächeren Autos gute Chancen auf einen Sieg. «Marcel fährt sehr schnell und macht wenig Fehler», sagt Volluz. Steiner fahre auch bei Regen sicher, was nicht jedem Fahrer gelinge. Mit dem souveränen Fahrstil gleiche Steiner die Mankos seines Wagens aus.
Der Rennorganisator Theo Bertschi beschreibt Marcel Steiner als ruhigen und ausgeglichen Charakter. Dabei sei er sehr umgänglich und sympathisch – und immer hilfsbereit. Allerdings sei Steiner auch sehr ehrgeizig. «Im Auto ist er ein anderer Mensch, konzentriert und äusserst fokussiert.»
Vorbereitung ist alles
Tatsächlich fasziniere ihn an den Autorennen vor allem der Wettbewerb, sagt Steiner von sich. Er möge es, etwas besser zu machen als die andern und das Maximum aus der Situation herauszuholen. Die Geschwindigkeit hingegen sei für ihn nichts das Entscheidende: «Ich habe mich wohl daran gewöhnt.» Am Gurnigel wird er mit 200 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Um ein Rennen zu gewinnen, sei die Arbeit im Vorfeld fast wichtiger als das Fahren. «Ein Rennen gewinnt man zu Hause.» Es sei faszinierend, wie perfekt in einem Auto verschiedene Systeme bis ins letzte Detail miteinander funktionierten.
Weil Steiner die Grundprinzipien der Mechanik verstehen wollte, absolvierte er eine Mechanikerlehre – heute heisst die Ausbildung Polymechaniker –, obwohl klar war, dass sein Berufsleben in der Autogarage stattfinden würde. «Als Automechaniker muss man vor allem Teile auswechseln. Ich wollte aber wissen, wie man sie herstellt.» Dies helfe ihm nun auf dem Rennplatz, wo viel improvisiert werden müsse. Die Automechanikerlehre schloss er an die erste Ausbildung an.
Vater und Sohn – ein Team
Autos sind sein Leben, die Garage ist sein Zuhause. Er ist in der Wohnung über einer Autogarage in Oberdiessbach aufgewachsen und wohnt heute nicht weit entfernt in Niederhünigen. Während der Rennsaison arbeitet er täglich an den Autos. «Obwohl ich von der Garage lebe, sind die Autorennen für mich viel mehr als ein Hobby.»
Seit Anfang des Jahres ist Steiner Besitzer dieser Garage, die er von seinem Vater übernommen hat. Geändert habe sich nicht viel. Der Vater arbeite weiterhin partnerschaftlich in der Garage mit und gehöre bei Rennen fest zum Team. «Nun muss halt ich die grossen Entscheidungen treffen und nicht mehr der Vater», sagt Steiner – und zuckt mit den Schultern.
[i] 46. Gurnigel-Bergrennen - Steil und schnell
Das Gurnigelrennen findet morgen Sonntag von 10.30 bis 18.30 Uhr statt. Der Start ist in Dürrbach, das Ziel befindet sich in Gurnigelbad. Die fast vier Kilometer lange Strecke weist mehr als 300 Meter Höhendifferenz auf. Die stärkste Steigung beträgt 12,6 Prozent. Das erste Gurnigelrennen fand 1910 statt, damals mit technisch wenig zuverlässigen, knatternden Boliden. Der Berner Edmond von Ernst schaffte die Strecke in 7:27 h. Der seit 2012 gültige Streckenrekord liegt bei 1:41:39 h. Von 1931 bis 1968 wurden keine Rennen durchgeführt. (nj/mdü)