Grünabfuhr Konolfingen: «Unser Vorgehen war nicht clever»

Im Dezember hat Konolfingen eine Umfrage lanciert, bei der sich Bürgerinnen und Bürger zur Grünabfuhr äussern konnten. Gegen die Umfrage kam Kritik auf, die Gemeinde hätte Leute ohne Computer ausgeschlossen. Was ist dran? BERN-OST hat nachgefragt.

Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch

«Aus meiner Sicht ist diese Umfrage für einen Teil der Bevölkerung diskriminierend», sagt Ueli Huber (76). Er wohnt seit fast 40 Jahren in Konolfingen, wo er während Jahren ein Geschäft leitete. «Ich frage mich, ob es taktisch ist, da ältere Leute eher das bisherige System behalten möchten und so von der Umfrage ausgeschlossen werden.» Das sind happige Vorwürfe zu Handen des Gemeinderats von Konolfingen.

 

Was ist passiert?

Die Grünabfuhr hat im letzten Jahr für Diskussionen gesorgt. An der Gemeindeversammlung im Juni hatte der Gemeinderat informiert, dass ein neues System für die Grünabfuhr geprüft werde. Drei Viertel des Saales äusserten sich gegen dieses neue System (BERN-OST berichtete). Noch an der Gemeindeversammlung entschuldigte sich Gemeinderat Bruno Maurer für das Vorpreschen. Er stellte in Aussicht, dass man dies überdenken und mit einer Umfrage herausfinde werde, welches System für Konolfingen Sinn macht.

 

Vom Bring- zum Holsystem

Heute werden die Grünabfälle beim Bauer Peter Liechti auf dem Hof gesammelt. Was nicht zuhause kompostiert werden kann, wird mit Auto oder Velo zum Bauer gefahren und dort abgegeben. Dies kostet jeden Haushalt etwa 25 Franken pro Jahr und ist in der Abfallgrundgebühr enthalten. Gemäss Gemeinderat fordern etliche Einwohnerinnen und Einwohner von der Gemeinde seit Jahren ein Holsystem.

 

Der Gemeinderat prüft jetzt einen Wechsel vom Bring- zum Holystem. Beim neuen System würde jeder Haushalt einen grünen Container erhalten. Ein Chip würde bei der wöchentlichen Leerung ermitteln, wie viel Grüngut enstorgt wird. Abgerechnet würde künftig pro Kilo, wer viel entsorgt, bezahlt mehr.

 

Kritik an Umfrage

Nun stehen die Vorwürfe gegen die digitale Umfrage im Raum, Gemeinderat Bruno Maurer (parteilos, EVP) sagt: «Wir haben das im Gemeinderat besprochen und dachten, das sei ein gangbarer Weg in der heutigen Zeit. Wir haben einen Infoflyer an alle Haushalte verschickt. Dieser enthält einen Hinweis, dass man die Umfrage auch in Papierform beziehen kann.» Wer also lieber auf Papier als mit Handy oder Computer an der Umfrage mitmachen wollte, konnte dies so machen.

 

Ueli Huber reicht dies nicht. «Weshalb hat der Gemeinderat die Umfrage nicht gleich auf der Rückseite des Flyers gedruckt, so müsste sie nicht extra bestellt werden?» Zum Vorwurf von Huber, ob das Vorgehen taktisch sei, «da ältere Leute eher das bisherige System behalten möchten und so von der Umfrage ausgeschlossen werden», dazu sagt Gemeinderat Maurer: «Das verneine ich vehement, das ist nicht unsere Absicht. Wir sind daran interessiert, dass möglichst viele daran teilnehmen.»

 

Und die Rüstabfälle?

Bei der Umfrage wurde auch gefragt: «Möchten Sie Rüstabfälle mittels Grüngutsammlung entsorgen können?» Huber findet, dies passe nicht in die Umfrage. «Man kann Rüstabfälle nicht zu Liechti bringen. Wir kompostieren das bei uns im Garten. Es fragt sich, ob man nicht ein Holsytem für die Rüstabfälle einrichten könnte.» Der zuständige Gemeinderat Maurer begründet die Frage so: «Es geht darum, die Bedürfnisse abzuklären. Da wir schon dran sind fragten wir auch, ob Rüst- und Speisereste entsorgt werden sollen. Wir haben da keine Hintergedanken, sondern wollen abklären, was die Bevölkerung will.»

 

Hoher Rücklauf auf digitalem Weg

Wie Ueli Huber von der Gemeinde erfahren hat, wurden 96 Prozent der Fragebögen online ausgefüllt, vier Prozent per Post. «Die Auswertung läuft, danach wird der Gemeinderat entscheiden.», so Maurer, er gesteht zudem ein: «Das Vorgehen unsererseits war nicht clever,  direkt an der Gemeindeversammlung einen möglichen Wechsel anzukünden und erst danach eine Umfrage zu machen. Wir haben das erkannt und korrigiert.»  

 

Bei den anderen klappt es

Die meisten Gemeinden in der Region entsorgen das Grüngut per Holsystem. Vor einem Mehrfamilienhaus steht ein grüner Container, dieser wird periodisch geleert. Für neu Zugezogene ist das derzeitige Bringsystem ungewohnt. Wer beispielsweise an der Oberdorfstrasse wohnt, muss jedes Mal die vier Kilometer an den Lochenbergweg zu Bauer Liechti fahren, um etwas zu kompostieren. Von diesem System will Konolfingen weg. Die Bevölkerung hatte jetzt Gelegenheit via Umfrage mitzureden, mit Spannung wird deren Auswertung erwartet.

 

Emotionales Thema

Die Gemeinde hatte letztes Jahr im Voraus den Vertrag mit Bauer Liechti gekündigt, damit dieser keine weiteren Investitionen tätige. Die Kündigung sei laut Maurer längstens rückgängig gemacht worden. «Dass die Grüngutabfuhr so viele Emotionen weckt, hätte ich nicht gedacht», sagt Bruno Maurer abschliessend. Ueli Huber wagt eine Prognose: «Ich wäre nicht erstaunt, wenn eine erneute Vorlage der Grünabfuhr an der Gemeindeversammlung Schiffbruch erleiden würde.»  


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Erstellt: 18.01.2024
Geändert: 18.01.2024
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