Grosshöchstetten - Tontiere und Skulpturen, die aus der Erinnerung entstanden sind

Seit 22 Jahren bietet der Schweizerische Blindenbund einen Töpferkurs an für blinde und sehbehinderte Menschen, dies unter der Leitung von Salvatore Caci. Letztes Wochenende wurden die Werke in Grosshöchstetten ausgestellt.

Franziska Aeschlimann / Wochen-Zeitung
Die Sonne überflutet den Garten vor Cacis Mühle mit ihrem gleissenden Licht und lässt die weissen Tonfiguren hell aufleuchten. Aus dem satten Grün der Pflanzen blicken einem von allen Seiten Tontiere und Figuren an.

Auch beim mehrmaligen Durchschreiten des Gartens lassen sich immer wieder neue Kunstwerke entdecken, welche Sehbehinderte und Blinde während des Töpferkurses hergestellt haben. Der Kurs des Schweizerischen Blindenbundes findet jedes Jahr von Januar bis März statt und umfasst insgesamt zehn Lektionen. Ausserdem treffen sich einige der Blinden und Sehbehinderten einmal pro Jahr zu einem einwöchigen Kreativkurs, wo unter anderem auch getöpfert wird.

Eine Gemeinschaft, die motiviert

«Man kann sich dabei einfach vergessen», schwärmt Ivana Campedel, seit fünf Jahren Teilnehmerin des Kurses. Doch sie betont auch die Bedeutung der Freundschaften, die dabei entstanden sind. «Im Kurs sind vor allem die Gemeinschaft und das Zusammensein wichtig. Wir versuchen, einander zu motivieren.»

Durch das Austauschen während der Kurse seien viele interessante Erkenntnisse zu Tage getreten. Beispielsweise hätten sie sich einmal die Frage gestellt, weshalb die einen Leute kleine, andere grosse Tonfiguren anfertigen. Im Gespräch stellte sich schliesslich heraus, dass jene Menschen, die gar nichts oder nur sehr wenig sehen, kleinere Objekte töpfern. So haben sie die Dimensionen stets im Griff. Jene Kursteilnehmer, die noch etwas mehr sehen, wählen grössere Figuren, damit sie diese auch mit den Augen erfassen können.

Vorwiegend unverkäufliche Einzelstücke

Manch ein Blick der Ausstellungsbesucher fällt sehnsüchtig auf die Skulpturen, an deren Fusse sich zwar Namens- jedoch keine Preisschilder befinden. Ob die Künstlerinnen und Künstler ihre Werke verkaufen, sei ihre Sache, erklärt Kursleiter Salvatore Caci. Die meisten würden es jedoch ablehnen. Madlen Beyeler, die den Töpferkurs seit zwei Jahren besucht, meint jedoch, sie könne sich durchaus vorstellen, ihre Tonhühner an einem Marktstand zu verkaufen.

Blind und doch sehend

Die Werke in Cacis Garten sind so unterschiedlich wie ihre Schöpfer. Salvatore Caci kann keine Unterschiede zwischen den Werken normal sehender und sehbehinderter Menschen feststellen. Auch die Arbeitsweise sei eigentlich dieselbe. «Wenn ich einen Kurs für normal sehende Personen gebe, sage ich ihnen oft: ‹Schliesst die Augen und schaut›. So fallen einem Dinge auf, die man beim blossem Hinsehen nie entdeckt hätte.» Dinge, die für Sehbehinderte und Blinde selbstverständlich sind. Sie haben dagegen mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. So töpfern viele von ihnen aus der blossen Erinnerung, und das mit unglaublicher Präzision. Dennoch stossen die Sehbehinderten manchmal an ihre Grenzen. Madlen Beyeler beispielsweise hat sich vorgenommen, ein stehendes Huhn zu fertigen. Doch sie hat ein Problem: An die Hühnerfüsse kann sie sich nicht mehr genau erinnern. So beginnt das gemeinsame Rätselraten mit ihren sehenden Gesprächspartnerinnen. Hat ein Huhn nun drei oder fünf Zehen? Dabei fällt auf, wie wenig man als sehende Person von der Welt wirklich sieht.

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Erstellt: 12.08.2010
Geändert: 12.08.2010
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