Grosshöchstetten - Reiche Ernte hat ihren Preis
Dem Obstbauern Reto Schürch bescherte der endlose Sommer eine reiche Apfelernte, aber auch viele Probleme. Dabei musste er sich erst vom letztjährigen Frost erholen.
Wie sich Obstbauer Reto Schürch das perfekte Jahr 2019 vorstellt? «Mit einem niederschlagsreichen Winter, einem angenehmen Frühling und einem durchschnittlichen Sommer.» Dann wäre wieder alles im Lot für Kulturen. Dann könnten sich die Apfel- und Zwetschgenbäume mal wieder so entwickeln, wie es die Natur eigentlich vorgesehen hat. «Das wäre mein Wunsch für Weihnachten, wenn man mich fragen würde.»
Das perfekte Wetter für seine Obstbäume – das erlebte der Grosshöchstetter schon eine ganze Weile nicht mehr. «Seit zwei, drei Jahren spielt das Klima verrückt», sagt er. Auch in diesem schönen und heissen, aber eben auch trockenen Sommer 2018, der einige Herausforderungen mit sich brachte.
Aber jammern, das betont Schürch immer wieder, das wolle er sicher nicht.
Ein trockener Sommer
Der Obstbauer spaziert durch die Apfelplantage, die sich am Südhang zwischen Grosshöchstetten und Zäziwil erstreckt. Eigentlich ist er zufrieden, reiche Ernte, schöne Früchte. «Eine solch lange Schönwettersituation hatten wir noch nie», sagt er und zeigt auf eine Reihe Erdbeerstauden. Sie tragen noch immer ein paar rote Beeren. Doch das heisse Wetter hatte auch seinen Preis.
Schürch steigt den Hang hoch. Links hängen die letzten Kidds-Orange-Äpfel an den Ästen. Auch die ersten Gala-Äpfel sind abgeerntet, nun folgen noch die Lagersorten wie Idared oder Glocken. Schürch bückt sich, greift ins feuchte Gras. «Es hat kürzlich geregnet.» Doch er braucht nicht tief zu graben, um auf staubige Erde zu stossen. «Wie trocken das ist», sagt er und wiederholt: So etwas habe er noch nie erlebt.
Das Jahr 2018 habe gut angefangen. Aber dann war im Winter Frühling, im Frühling Sommer und im Sommer Hochsommer. Und im Herbst wieder Sommer. Und vor allem fiel kaum Regen mehr. Gegen diese Trockenheit musste Schürch ankämpfen. Er baute zwei Traktoren mit je einem 1000-Liter-Fass mit Pumpen und Schläuchen um, damit er die Bäume fast rund um die Uhr bewässern konnte.
Manchmal seien die Traktoren zwischen 4 und 23 Uhr im Einsatz gestanden. Das sorgte allerdings für Lärm – und nicht überall in der Nachbarschaft für Freude. «Eine Person hat mehrmals Mitarbeiter belästigt», sagt Schürch. Den nächtlichen Traktoreinsatz habe er bei der Gemeinde und der Polizei angemeldet.
Ohne die zusätzliche Bewässerung hätten die Früchte nicht wie gewünscht reifen können, sagt Schürch. Und er hätte die strengen Vorschriften bezüglich Grösse, Farbe und Reife nicht einhalten können. Auch im Hinblick auf 2019 sei die Bewässerung unumgänglich gewesen. «Wer darauf verzichtet hat, wird das nächstes Jahr spüren.»
Die Sorgen mit dem Frost
Noch ist es keine anderthalb Jahre her, da trieb Schürch ein anderes Wetterextrem um: Im Frühling 2017 hatte mehrtägiger Frost die bereits entwickelten Blüten zerstört. Bis zu minus 7 Grad zeigte das Thermometer in der Nacht an. Da konnten auch Frostkerzen nichts mehr ausrichten. Abgesehen davon, dass diese Massnahme Zehntausende Franken gekostet hätte.
«Alles kaputt», sagte Schürch im Mai letzten Jahres beim Gang durch seine Plantage, «es ist eine Katastrophe.» Nun sagt er: «Wir haben 95 Prozent unseres Ertrags verloren.» Von einer Frostschutzversicherung, die er damals forderte, hält er mittlerweile nicht mehr so viel. «Das wäre mit enormen Kosten verbunden.» Sein Betrieb aber habe letztlich nur dank dem Fonds Suisse überlebt, der stark betroffene Landwirte unterstützte. «Sonst hätten wir zusammenpacken können.»
So war in diesem Sommer anpacken angesagt. Bis zu 20 Personen halfen mit, um die Ernte einzubringen. Es musste schnell gehen. «Hatten wir früher noch eine Woche Zeit, bleiben uns jetzt noch zwei Tage.» Dabei sei es nicht immer einfach gewesen, genügend Leute zu finden. Und er selbst hadert damit, dass er den Angestellten gerne mehr als das gesetzliche Minimum zahlen würde, aber das aus wirtschaftlichen Gründen nicht könne. «Dann müssten die Abnehmer und Konsumenten aber auch bereit sein, einen anständigen Preis zu zahlen.»
Doch gerade mit dieser reichhaltigen Ernte würden die Preise eher gedrückt. Und besonders ärgerte ihn, dass im Sommer grosse Abnehmer seine Erdbeeren retournierten, weil sie aufgrund der Hitzeperiode Druckstellen aufwiesen.
Schneller zum Ertrag
Fast noch mehr Sorgen als einzelne Wetterextreme macht Schürch diese Entwicklung: «Wir haben jedes Jahr mit neuen Problemen zu kämpfen.» Damit müsse er sich auseinandersetzen. «Künftig werden wir unseren Betrieb so einstellen müssen, dass wir mit den klimatischen Bedingungen möglichst gut umgehen können. Gewisse Kulturen verändern oder verkleinern, den Betrieb rationalisieren, darum kommen wir nicht herum.» Die Frage sei, wie man schneller und effizienter zu einem Ertrag kommen könne.
Ein niederschlagsreicher Winter, ein angenehmer Frühling und ein durchschnittlicher Sommer würden sicher helfen. Nur fragt die Natur nicht nach den Wünschen von Obstbauer Reto Schürch.