Grosshöchstetten - Mützen im Kopf-an-Kopf-Rennen

Vor einem Jahr hat Heidy Baumgartner einen Wollladen in Grosshöchstetten übernommen. Um die Leute zum Stricken zu motivieren, veranstaltet sie einen «Mützen-Lisme»-Wettbewerb. Bisher trafen 15 Kreationen ein.

Tanja Kammermann / Berner Zeitung BZ
«Itz müesst der nid abnäh, sondern ufnäh», sagt Heidy Baumgartner geduldig zu einer Kundin, die mit ihrer Strickarbeit im Laden sitzt und nicht mehr weiterkommt. Ihr Laden, der Wullechratte, ist in der alten Schüür des Restaurants Löwen in Grosshöchstetten untergebracht. Nebenan ist ein Stoffladen, darüber eine Modeboutique. Im Wullechratte leuchtet die farbige Wolle in den Regalen. Fast im Minutentakt laufen die Kundinnen in den Laden, Frauen zwischen 35 und vielleicht 70. «Gerade heute Morgen ist noch eine Mütze für den Wettbewerb abgegeben worden», sagt die 59-jährige Geschäftsinhaberin. Sie zeigt auf eine grün-violette mit einem Pompon. Daneben liegt eine lustige, kleine mit glänzenden Einsätzen, die von einem Mädchen gestrickt worden ist: «Sie hat vor dem Schaufenster des Ladens gewartet, bis die Mütze schliesslich im Regal war. Dann machte sie einen Freudensprung», erzählt Heidy Baumgartner und lächelt.

Aus der Not entstanden

Die Mützen sind im Schaufenster ausgestellt, 15 Stück in allen Farben und Formen. Die meisten haben Frauen aus dem Dorf gestrickt, eine kam per Post aus Genf. Viele hätten sich das Stricken für einen Wettbewerb nicht zugetraut: «Dann habe ich sie ein wenig motiviert, und am Ende sind wunderschöne Stücke herausgekommen», so Heidy Baumgartner. Ein wenig aus der Not heraus ist sie auf die Idee gekommen, einen Lismi-Wettbewerb zu machen. Sie wollte die Leute zum Stricken animieren und in den Laden holen. Um für ihren Laden zu werben, fehlte ihr das Geld. Den Wollladen am Tor zum Emmental gibt es bereits seit 15 Jahren als einer von wenigen in der Gegend. Als ihn Heidy Baumgartner vor einem Jahr übernahm, hatte sie mit Stricken nicht viel am Hut. Als gelernte Telefonistin arbeitete sie sich bis zur Ausbilderin für computerunterstützte Telefonanlagen hinauf. Doch dann wurde ihr Mann mit fast 60 arbeitslos und sass nur noch zu Hause in Konolfingen: «Um nicht den Koller zu bekommen, habe ich einen Nordic-Walking-Instruktor-Kurs gemacht und dann angefangen zu malen». Zuletzt ist sie beim Stricken gelandet.

Chance gepackt

Von einer Bekannten hatte Baumgartner erfahren, dass die Besitzerin des Wullechratte langsam aufhören wollte. Diese Chance packte sie. Im Laden riss sie alles heraus und richtete neu ein. Da sie keine Ahnung hatte, machte sie den ersten Einkauf zusammen mit der Vorgängerin. Sie habe tausende Knäuel Sockenwolle gekauft, das wollten die Leute hier, habe man ihr gesagt: «Die Leute kauften dann aber keine Sockenwolle und ich blieb darauf sitzen», sagt Heidy Baumgartner. Dieses Jahr sei das Geschäft besser angelaufen. Obwohl die Kundinnen teilweise von weit her zu ihr in den Laden kommen, kann sie nicht davon leben: «Er ist eher ein Hobby», sagt sie.

1. Preis: Reise zu zweit

Heidy Baumgartner hat den Kopf voller weiterer Ideen. Sie liebt Hörbücher und besitzt Dutzende davon, darum hat sie eine «Gschichte-Chischte» erfunden. Dafür steckte sie ein Paar Boxen und einen MP3-Player in eine Holzbox. Dazu können die Kundinnen bei ihr ein Hörbuch ausleihen. «Das können sie dann zum Stricken hören», sagt Heidy Baumgartner. Sie veranstaltet überdies auch Socken-Strickkurse für Anfängerinnen. Beim letzten waren sechs Teilnehmerinnen, davon vier zwischen 20 und 35. «Stricken ist wieder in Mode», ist die Ladeninhaberin überzeugt. Zurück zu den Mützen: Noch bis zum 16. Oktober können neue eingereicht werden. Ab dem 18. Oktober werden die Strickwerke eine Woche lang von den Kundinnen bewertet. Der Gewinnerin winkt eine Bahnfahrt inklusive Frühstücksbuffet auf der Silleren bei Adelboden.

www.wullechratte.ch

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Erstellt: 14.10.2010
Geändert: 14.10.2010
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