Grosshöchstetten - "Märchen regen die Phantasie an"

Dina Nora Wasserfallen-Felder ist professionelle Märchenerzählerin Märli gehören seit ihrer Kindheit zu ihrem Leben. Dass sie heute Märchenerzählerin ist, kommt daher nicht von ungefähr. Dina Nora Wasserfallen-Felder aus

Silvia Ben el Warda-Wullschläger, Wochen-Zeitung
«Mein Grossvater und meine Eltern erzählten mir häufig Märchen. Noch heute höre ich die Stimme meines Grossvaters, wie er mir das Rumpelstilzchen weitergab.» Obwohl Dina Nora Wasserfallen-Felder viele Jahre später professionelle Märchenerzählerin geworden ist, geplant hat sie es nicht. Als sie vor sieben Jahren Marrakesch (Marokko) besuchte, zogen sie die Märchenerzähler auf dem Marktplatz in ihren Bann. «Es waren alte, weise Männer, die den Menschen ihre Lebensweisheiten in Märchenform weitergegeben haben. Ich war fasziniert vom Klang der Stimme und der Stille, die in dem engen Kreis des Erzählers herrschte. Ich verstand kein Wort, war aber tief in meinem Inneren berührt.» Kurze Zeit später las die gelernte Dekorationsgestalterin über eine Ausbildung zur Märchenerzählerin und meldete sich an. Zwei Jahre befasste sie sich intensiv mit Märchen, mit dessen Aufbau und Erarbeitung, mit Mimik und Gestik und Stimmbildung. Seither pflegt sie ihr Handwerk regelmässig und lässt sich engagieren von Firmen, Privatpersonen und Vereinen.

Nicht nur aber auch für Kinder

Dass Märchen nur für Kinder sind, bestreitet die Mutter zweier Knaben (1 1/2- und 3-jährig). «Ursprünglich dienten sie der Unterhaltung und Lehre von Erwachsenen. Sie wurden mündlich überliefert und erst später von Märchensammlern wie den Gebrüder Grimm aufgeschrieben.» Dennoch ist sie überzeugt, dass sich viele Märchen für Kinder ab etwa vier Jahren eignen. «Beim Zuhören können die Kinder innere Bilder entwickeln, die zu leben beginnen. Die Phantasie wird angeregt.» Mit grausamen Szenen könnten sie meist gut umgehen. Dina Nora Wasserfallen-Felder nennt als Beispiel das Rotkäppchen. «Wenn dem Wolf der Bauch aufgeschlitzt wird, sehen die Kinder nicht Blut oder Innereien wie vielleicht wir Erwachsenen. Auch das Grosi wird nicht zerfletscht sondern ganz verschluckt. Die Kinder können das verstehen. Das Erzählte entspricht ihrem Entwicklungsstand.»

Mitnehmen ins Geschehen

Häufig und ebenso gerne erzählt die 29-jährige Grosshöchstetterin den Erwachsenen Märli. Sie schätzt die Nähe zu ihrem Publikum und schaut den Leuten dabei in die Augen. «Ich will sehen, wie sie reagieren. Sie sollen das Gefühl haben, mittendrin in der Geschichte zu stehen.» Wenn sie erzählt, ist sie in ihrem Element. Sie legt Wert darauf, frei zu erzählen, ohne aber die Geschichte auswendig aufzusagen. Vielmehr lebt und geht sie mit. «Bis ich ein Märli vortragen kann, ist es ein langer Prozess und braucht stundenlange Vorbereitung. Ich spüre den Figuren nach, mache mir bei jeder Szene Notizen oder eine Skizze, bis sich alles zu einem Ganzen zusammenfügt.» Ihr Ziel ist, dass die Zuhörer eigene innere Bilder entstehen lassen und so die Figuren lebendig werden. «Nicht ich stehe im Mittelpunkt, sondern das Märchen.»

Erzählt wird «bärndütsch»

Wichtig ist Dina Nora Wasserfallen-Felder nebst der Geschichte die Sprache. Sie erzählt ausschliesslich und bewusst in Berndeutsch und möchte dazu beitragen, dass alte Ausdrücke nicht verloren gehen. «Viele Märli auf CD und Kassette werden hochdeutsch oder im Zürcher Dialekt erzählt. Da will ich ein Gegengewicht setzen, auch damit das Märli wieder öfter einen Platz findet in unserem Alltag.» Sie möchte möglichst viele Märchen auf Berndeutsch übersetzen und festhalten. Ein erster Schritt dazu stellt ihre kürzlich fertiggestellte CD dar: darauf erzählt sie schlicht, ohne Spezialeffekte und ohne die Stimme zu verstellen, wenig bekannte Märchen für Erwachsene.

Märli aus der ganzen Welt

Die Grosshöchstetterin hat sich ganz dem Volksmärchen verschrieben. «Dieses endet zu 99 Prozent positiv. Im Zentrum steht eine Figur, die verschiedene Prozesse durchläuft, bis sie durch eigenes Schaffen und mit Hilfe anderer zum Helden wird.» Dieser Aufbau zeichne ein Märchen aus und sei auf der ganzen Welt gleich oder ähnlich. Daher sei das Märchen völkerverbindend, weil seine Symbolsprache überall verstanden werde.

Mühe bekundet die Erzählerin damit, wenn Märchen mit verändertem Inhalt kommerziell verfilmt werden. Paradebeispiel ist «der Froschkönig» oder eben «der eiserne Heinrich», wie die Geschichte eigentlich heisst. Während im Original die Königstochter den Frosch an die Wand schmeisst, bevor er zum Prinzen wird, küsst sie ihn in der Filmversion. «Das ist natürlich romantischer, verzerrt aber den Inhalt. Ich möchte die Geschichten originalgetreu weitergeben, dann sind sie am schönsten und wertvollsten.»

[i] Die nächsten Auftritte von Dina Nora Wasserfallen-Felder: Freitag, 28. Oktober, 20 Uhr, bei a&s design auf der Kulturbühne im alten Bauernhaus, Münsingen, Anmeldung unter 031 721 12 36, (Kollekte).
Freitag, 11. November, 20 Uhr, Seminar und Kulturhotel Möschberg, Grosshöchstetten, (Eintritt 18 Franken). Weitere Informationen unter www.maerli-freiverzellt.ch

Ein Artikel aus der

www.grosshoechstetten.ch

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Erstellt: 27.10.2005
Geändert: 27.10.2005
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