Grosshöchstetten - Kultur mit Konzessionen

Seit neun Jahren führt Erich Gerber im ländlichen Grosshöchstetten den Musikclub Kühltür. Vom neuen Topf kantonaler Subventionen kann er nur träumen. Gar mit kulturellem Desinteresse hatte er lange zu kämpfen.

Gisela Feuz, "Der Bund"

Als «puren Egoismus» definiert Erich Gerber lachend den Grund, weswegen er im 2005 seinen Musikclub Kühltür eröffnete: «Ich wollte einfach, dass Bands in Grosshöchstetten spielen, die mir selber gefallen. Ab einem bestimmten Alter ist man zu alt für den Moonliner.» Nebst dem erwähnten Eigennutzen war und ist aber vor allem die Liebe zur Musik der Generator, der die Kühltür am Laufen hält.

 

Krauskopf Gerber ist selber Bassist bei Bubi Eifach und seine Frau Nicole Musikredaktorin beim Emmentaler Radio Neo 1. Zusammen mit Geschäftspartner Martin Müller und dessen Frau Christine stecken beide neben ihren Fulltime-Jobs - Gerber besitzt ein eigenes Malergeschäft - viel Freizeit und Energie in die Kühltür. Buchungen und Administratives werden selber erledigt, bei Konzerten steht Müller in der Küche, Gerber sorgt für die Lichtshow, Nicole bedient die Bar, und nicht selten werden die auftretenden Bands in der eigenen Wohnung einquartiert.

 

Kultur jenseits der Subventionen

 

Wer allerdings auf der Liste der von Kanton und regionaler Kulturkonferenz subventionierten Kulturbetriebe nach der Kühltür sucht, sucht vergeblich. Schafften es letzte Woche etwa die Mühle Hunziken oder das Reberhaus in Bolligen auf die neue Subventionsliste, kann Gerber von einer Unterstützung der öffentlichen Hand nur träumen. «Ein leidiges Thema», sagt Gerber. Sie hätten bei der Gemeinde angefragt, diese spreche aber keine Gelder für Kulturelles dieser Art.

 

Klar sehe er ein, dass in der Stadt die Nachfrage nach kulturellen Angeboten höher sei und deswegen dort ansässige Kulturinstitutionen bei der Subventionssprechung Vorrang hätten. Trotzdem träumt Gerber von einer «gerechteren» Aufteilung: «Warum behalten wir den Anteil an Steuergeldern, der in städtische Kulturbetriebe fliesst, nicht bei uns in der Gemeinde und unterstützen hier kulturelle Unterfangen? Es geht ja nicht nur um Clubs, sondern zum Beispiel auch um Jodlerchöre oder Dorfmusiken.»

 

Bei der Gemeinde sieht man dies offenbar nicht anders. Denn dass Grosshöchstetten gemäss neuem Verteilschlüssel der Regionalkonferenz über 40 000 Franken mehr in den Subventionstopf zahlen müsste, stösst im Gemeinderat auf Widerstand («Bund» vom 30. Mai).

 

Gerber hat sich mittlerweile aber auch ohne Subventionen arrangiert. Für seinen Club hat er sich ein System ausgedacht, wie er fernab öffentlicher Subventionsgelder trotzdem die finanzielle Basis sichern kann: «Wir verkaufen Jahreskarten an Firmen oder Privatpersonen, welche zum Eintritt an alle Kühltür-Anlässe berechtigen. «Damit können wir immerhin den Bands anständige Gagen bezahlen, und die Fixkosten sind gedeckt.»

 

Was heute einigermassen selbsttragend funktioniert, stiess anfänglich auf Widrigkeiten. «Das einheimische Publikum blieb aus. Trotz grossem Aufwand veranstalteten wir damals mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit Konzerte», sagt Gerber. Man habe alles versucht. Aber: «Neue, angesagte Gitarren- oder Pop-Bands wollten nicht funktionieren, Elektronika, Hip-Hop, Reggae oder Jazz auch nicht, und die Klassik-Sonntage gingen erst recht in die Hosen.» Nebst dem Frust, dem ihm die leer bleibende Kühltür bescherte, war diese natürlich auch finanziell alles andere als lukrativ, so musste Gerbers eigenes Geschäft den Club jahrelang quersubventionieren.

 

Die Schuld daran, dass die Zuhörerschaft ausblieb, nimmt der 42-Jährige einerseits selbstkritisch auf die eigene Kappe: «Wir haben am Geschmack der Bevölkerung vorbeiprogrammiert.» Andererseits sei die Kühltür aufseiten der Gemeinde Grosshöchstetten, die 3500 Einwohner zählt, aber auch auf unerwartete Berührungsängste gestossen. Zudem lasse sich auch auf dem Land eine Übersättigung feststellen, da eben doch mehr geboten werde als gemeinhin angenommen, erklärt Gerber. «Dorfvereine führen Theater auf oder Chilbis durch. Da gehen die Leute hin. Das kennen sie. Konzerte, für die man dann auch noch Eintritt zahlen muss, haben hier einen kleinen Stellenwert.»

 

Hartnäckig drangeblieben

 

Gerbers und Müllers waren kurz davor, den Bettel hinzuwerfen, als sich dann vor zwei Jahren langsam eine Wende abzuzeichnen begann. «Die Akzeptanz in der Bevölkerung stieg, weil wir einfach hartnäckig drangeblieben waren», erklärt Gerber. «Zudem gehen wir heute musikalisch weniger Risiken ein und buchen Bands, deren Musik dem Geschmack eines älteren, ländlicheren Publikums entspricht. Das Durchschnittsalter bei unseren Blues-, Americana-, Folk- oder Country-Konzerten liegt bei rund 45 Jahren.» Er habe einsehen müssen, dass im ruralen Grosshöchstetten die Neugierde auf Neues und Unbekanntes klein sei. «Es hilft, wenn man selber einen breiten Musikgeschmack hat. Und ausserdem wagen wir zwischendurch immer mal wieder ein Buchungsabenteuer, wie zum Beispiel Sabrina and the Navigators von der Mini-Insel Grenada für unseren Saisonabschluss.»

 

Ja, er sei glücklich mit seinem Club «in der Pampa», sagt Gerber. In der Stadt hätte man vielleicht höchstens mehr Laufkundschaft und könnte die Kühltür öfter als einmal im Monat öffnen. Dafür würde aber viel Familiäres auf der Strecke bleiben, und das fände er schade: «Es sind treue Seelen hier auf dem Land, wenn sie eine Sache denn mal für gut befunden haben, was halt manchmal ein bisschen dauert.»

 

Kühltür-Saisonabschluss: heute Donnerstag, 5. Juni 2014, mit Sabrina and the Navigators.


Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 05.06.2014
Geändert: 05.06.2014
Klicks heute:
Klicks total: