Grosshöchstetten - Kriegsdenkmal muss Kirchensanierung weichen

Seit über 100 Jahren erinnert der Bourbaki-Gedenkstein an die Soldaten, die zur Zeit des Deutsch-Französischen Krieges in Grosshöchstetten interniert waren. Nun muss das Denkmal der Kirchensanierung weichen.

Christoph Albrecht, Berner Zeitung BZ
Erschöpft, ausgehungert und mit erfrorenen Gliedern gelangten am 1. Februar 1871 rund 87'000 französische Soldaten über die Schweizer Grenze. Der Deutsch-Französische Krieg war verloren, die französische Ostarmee unter General Charles Denis Bourbaki geschlagen. Um der deutschen Gefangenschaft zu entkommen, war den Bourbakis nur eine Möglichkeit geblieben: die Flucht in die neutrale Schweiz. Hier gewährte man den vom Königreich Preussen besiegten Franzosen Asyl und verteilte die Soldaten im ganzen Land.
 

In Grosshöchstetten interniert

 

Über 20'000 Soldaten wurden damals im Kanton Bern interniert. Unter anderem auch in Grosshöchstetten. In der Ortschaft, die gemäss Gemeindechronik zu jener Zeit um die 700 Einwohner zählte, wurden nicht weniger als 500 Bourbaki-Soldaten einquartiert und in den umliegenden Tanzsälen untergebracht. Die örtliche Bevölkerung zeigte sich äusserst solidarisch und versorgte die vom Krieg gezeichneten und teilweise schwer kranken und verwundeten Männer mit Nahrung und Medikamenten.

 

Mitte März kehrten die Bourbakis infolge des Waffenstillstandes schliesslich nach Frankreich zurück. Drei Soldaten sollte die Rückreise in ihre Heimat jedoch verwehrt bleiben – sie fanden in Grosshöchstetten den Tod. Ein Gedenkstein oberhalb der Kirche erinnert noch heute an ihr Schicksal.

 

Gedenkstein wird versetzt

 

In diesen Tagen beginnen in Grosshöchstetten nun die Sanierungsarbeiten in und um die in die Jahre gekommene Kirche. Der Gedenkstein muss deshalb ausgegraben und an einen neuen Standort versetzt werden. Wo genau das Denkmal künftig zu stehen kommt, ist derzeit noch unklar: «Wir möchten den Stein prominenter platzieren», sagt Kirchgemeindepräsident Johannes Flückiger. Kein Wunder: Immer wieder reisen Touristen einzig wegen des Bourbaki-Gedenksteins nach Grosshöchstetten. «Viele finden ihn aber nicht, weil er zwischen Gebüschen und Ästen versteckt liegt», so Flückiger.

 

Die Zwangsversetzung durch die Sanierung komme deshalb gerade gelegen, damit der verwitterte Stein wieder auf Vordermann gebracht werden kann. «Wir würden ihn gerne restaurieren, uns fehlt dazu aber das Geld.» Damit dem geschichtsträchtigen Stein dennoch eine Auffrischung ermöglicht werden kann, hofft Flückiger nun auf Spenden.

 

Belper Gemeinschaftsgrab

 

Auch in Belp hat die Bourbaki-Armee ihre Spuren hinterlassen. In der Gemeinde waren seinerzeit 415 französische Soldaten interniert. Acht Bourbakis starben damals gleich nach ihrer Ankunft. Das ihnen zu Ehren errichtete Gemeinschaftsgrab steht noch heute auf dem Friedhof. «Früher war auf dem Grab noch eine Kanonenkugel aus Metall angebracht», weiss Dorfchronist Hans-Ruedi Haenni. Der Friedhofgärtner habe sie jedoch eines Tages entfernt – aus Angst vor Vandalenakten.

 

In den letzten Jahren hat die Natur dem Grab stark zugesetzt, worauf sich vor einiger Zeit eine französische Organisation bei Haenni gemeldet hat und das Grab restaurieren wollte. «Leider kam das Geld doch nicht zusammen», so Haenni. Für einen kürzlich gedrehten Dokumentarfilm zu Belps Geschichte wurde das verwitterte Grab nun immerhin vom wilden Gewächse befreit. Ganz zur Freude von Haenni: «Der Film hat die Geschichte um die Bourbaki-Internierung bei den Leuten wieder in Erinnerung gerufen.»


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Erstellt: 08.07.2014
Geändert: 08.07.2014
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