Grosshöchstetten - In drei Jahrhunderten gelebt

Letzten Samstag, 5. Oktober, konnte Frieda Bigler im Kreise ihrer Angehörigen am Eglisporweg 11 den 103. Geburtstag feiern. Dies bei guter Gesundheit. Der Erste Weltkrieg war ein Erlebnis, welches Frieda Bigler stark prägte. Für die Z

Jürg Streit, Wochen-Zeitung
Mit aufrechtem Gang, wachen Augen, behutsam und vorsichtig zwar, begibt sich Frieda Bigler in ihren Stuhl in der Wohnstube der Familie ihres Sohnes. Ihre Jahre sieht man ihr kaum an, sie spricht langsam aber deutlich und klar. Es entsteht ein angeregtes Gespräch. «Ich habe immer ein ‹normales› Leben geführt und mich stets in guter familiärer Umgebung aufgehalten», erklärte sie auf die Frage, ob bei ihr über die lange Zeit besondere Fixpunkte erlebt wurden.

Geborgenheit ist wichtig

«Das Geborgensein beim einen oder andern der zwei Söhne ist mir das Wichtigste. Das Geschehen in den Familien der Nachkommen ist mir näher, als das Geschehen in der Welt», meinte Frieda weiter. Als junges Mädchen, mit neun Geschwistern aufgewachsen in Boltigen, erlebte sie den ersten Weltkrieg in Genf, bei ihrem Welschlandaufenthalt. Sie erzählte von den armseligen Flüchtlingen, die mit ihrem geschnürten Bündel über die Grenze kamen. Ein Bild, das ihr offenbar tiefen Eindruck gemacht hatte, denn vom zweiten Weltkrieg, sie erlebte ihn als 40-Jährige, sprach sie nicht. Im Service in verschiedenen Hotels lernte sie bis 1929, als sie heiratete, mit Gästen umzugehen und die damaligen Hotel-Gepflogenheiten beherr- schen. Unvergesslich bleibt ihr die Saison im Hotel auf dem Jungfraujoch. Sie erzählte mit strahlenden Augen von der Besteigung der Jungfrau mit einem Bergführer und den wunderschönen Mondnächten in der Abgeschiedenheit der Bergwelt. Wie es damals üblich war, widmete sich Frieda Bigler nach der Heirat ganz der Familie und ihren beiden Söhnen in der Stadt Bern, die zu ihrer zweiten Heimat wurde. Eben auch ein normaler Vorgang! Vom Tod ihres Gatten 1996 sprach sie mehrmals, aber nicht trauernd, sondern einfach als Tatsache. Die Geschehnisse in den letzten rund 30 Jahren kamen nicht zur Sprache. Das ganz Frühe und das Jetzt scheinen ihr wichtiger. Als grössten Wunsch für die Zukunft äusserte sie die Erhaltung der Gesundheit und die Geborgenheit in der Familie. «Ich möchte weiterhin ein normales Leben führen, kleinere Spaziergänge und ab und zu eine Ausfahrt in die weitere Region unternehmen dürfen», gab sie als weiteren Wunsch bekannt.

Für den Aussenstehenden ist dieses stete Erwähnen der Normalität ein Phänomen. Ein weiteres Phänomen, allerdings wohl nicht mehr eines, das den Normen entspricht, ist ihr hohes Alter und ihre bewundernswerte körperliche und geistige Verfassung. Der Besuch bei Frieda Bigler war höchst interessant.
Übrigens: Mitten im Gespräch läutete das Telefon. Es war Friedas jüngste Schwester, sie ist 91-jährig und wollte gratulieren. Keine Zeit, sagte ihr Sohn, Frieda werde zurückrufen! Auch das war ganz normal, oder etwa doch nicht?

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Erstellt: 10.10.2002
Geändert: 10.10.2002
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