Grosshöchstetten - Das Bahnhofareal soll erwachen
Der achteckige Pavillon am Bahnhof in Grosshöchstetten ist ein ungewöhnlicher Bau. Er erinnert an einen Wintergarten aus einer vergangenen Zeit. Wie auch der Rest der Gebäude rund um ihn herum ist er in die Jahre gekommen.
Dieses Drumherum ist nicht besonders gemütlich, drinnen aber riecht es nach frischem Kaffee. Adriano Manzone führt hier seit einigen Wochen eine Caffè-Bar. Es ist neun Uhr morgens, und drei der vier Tische sind besetzt. «Dein Kaffee kommt gleich, Ruedi», sagt Manzone zu einem Kunden. Die Stimmung ist locker, familiär. «Ich will, dass der Ort an eine Caffè-Bar in Italien erinnert», sagt Manzone.
Die neue Zwischennutzung des Pavillons ist ein erster Schritt in der Umgestaltung des Bahnhofareals. Zusammen mit der BLS will die Gemeinde das Gebiet entwickeln.
Arbeiten und wohnen
In einem ersten Schritt will die BLS den Bahnhof modernisieren: Bis Ende 2020 werden die Perrons erhöht und verlängert, die Signalanlagen erneuert und die Weichen ersetzt. Danach plant die Gemeinde, das ganze Areal rund um den Bahnhof neu zu gestalten. Der Beginn der Bauarbeiten für diesen Teil des Projekts ist für 2023 oder 2024 geplant. Auf dem Bahnhofareal gehören auch der Landi und der Post Parzellen, deshalb sind sie in die Planung involviert.
Betroffen vom Umbau sind auch der Parkplatz vis-à-vis der Landi und der Pavillon. Bereits klar ist, dass die Landi ihren Laden in Grosshöchstetten als Folge des Neubaus in Konolfingen schliessen wird.
Wie das Gebiet dereinst genau aussehen wird, ist noch offen. «Wir möchten, dass sich Arbeitsräume und Wohnnutzungen durchmischen, um das Gebiet um den Bahnhof zu beleben», sagt BLS-Pressesprecher Stefan Dauner. Ob die italienische Caffè-Bar auf dem neuen Bahnhofplatz auch Platz finden wird oder ein Pop-up bleibt, ist noch unklar.
Lohnt sich die Aufwertung?
Ueli Jenzer lebt seit 42 Jahrenin Grosshöchstetten. Der bald 80-Jährige hat miterlebt, wie sich der Ort immer mehr zu einem Agglodorf entwickelt hat. «Viele Pendler arbeiten heute in Bern», sagt er. Die Stadt ist dem Dorf näher gerückt, auch wenn man es ihm nicht sofort ansieht. Im Zentrum der Gemeinde habe sich über die Jahre hinweg baulich nicht viel verändert. Einige lokale Betriebe sind jedoch von der Bildfläche verschwunden. Die frühere Grossmetzgerei Gerber ist dem Grossverteiler Coop gewichen.
Zum Bahnhofareal sagt Jenzer: «Eine optische Aufwertung würde dem Dorf guttun.» Allerdings bezweifelt er, dass die Überbauung zu einem Begegnungsort werde: «Der Bahnhof befindet sich abseits vom Zentrum.» Die Lage spreche eher gegen eine Ansiedelung von Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben, die auf mehr Publikum angewiesen seien.
Hauptsache, attraktiv
Begegnungsort: ein beliebtes Schlagwort bei der Ankündigung von Überbauungsprojekten. Auch in Thörishaus wurde vor drei Jahren das Gebiet rund um den Bahnhof modernisiert, mit denselben Versprechungen. Das Areal wurde aufgewertet, damit sich die Menschen fortan dort treffen.
In der Realität sieht das dann so aus: Auf einer Brache, die früher den SBB gehörte, steht eine Überbauung mit Wohnungen, einem Coiffeur und einem Denner. «Eine Aufwertung hat auf jeden Fall stattgefunden», sagt Barbara Rothen. Sie war zum Zeitpunkt der Bauarbeiten Präsidentin des Ortsvereins.
Ein Treffpunkt sei der Bahnhof jedoch nicht geworden. Dies liege auch an der Umsetzung. «Da, wo heute ein Parkplatz ist, waren eigentlich noch Bäume und Bänke geplant», so Rothen. Ob das Unterfangen in Grosshöchstetten Erfolg hat? Gemeindepräsidentin Christine Hofer ist sich bewusst: «Es bleibt noch offen, ob das Bahnhofareal nach der Überbauung wirklich zu einem Begegnungsort wird.»
Der Platz solle einfach attraktiver werden. Also nicht länger aussehen wie aus einer anderen Zeit.